Mannheim. Nach Taten wie der Amokfahrt in Mannheim ist die öffentliche Erwartung oft dieselbe: schnelle Erklärungen, klare Motive, rasche Einordnung. Verständlich – schließlich geht es um öffentliche Sicherheit. Offene Fragen bedeuten gefühlte, wenn nicht sogar reale Unsicherheit.
Genau hier geraten Behörden regelmäßig in ein Dilemma. Auf der einen Seite drängt die Öffentlichkeit auf schnelle Informationen. Auf der anderen Seite kann jede zu früh getroffene Aussage später unvollständig oder missverständlich wirken. Ein schmaler Grat.
Eine einfache Lösung für dieses Problem gibt es nicht. Die Antwort aber darf keinesfalls lauten, aus Angst weniger offen zu kommunizieren und zu informieren. Zugleich sind Politik und Medien gefordert, bekannte Informationen noch sorgfältiger einzuordnen und so der aufgeregten, selten neutralen Debattenkultur in sozialen Medien etwas entgegenzusetzen. Kritisches Hinterfragen von Erkenntnissen darf dabei aber nicht vernachlässigt und sollte schon gar nicht als Diskreditierung der Behörden empfunden werden.
Kritisches Hinterfragen darf nicht als Diskreditierung empfunden werden.
Auch im Fall Alexander S. zeigte sich dieses Spannungsfeld. Kurz nach der Tat verwiesen die Ermittler auf dessen psychische Probleme. Ein politisches Motiv wurde als unwahrscheinlich bezeichnet – aber nie ausgeschlossen. In einer aufgeheizten Debatte kam es dennoch kaum überraschend, dass Ermittlern vorgeworfen wurde, ein politisches Motiv ausgeschlossen zu haben.
Dabei laufen Ermittlungen in alle Richtungen. Der Staatsschutz ist eingebunden, nichts wird ausgeschlossen. Das ist richtig.
Kritisch hinterfragt werden muss aber, warum das Landeskriminalamt erst durch eine Internetplattform auf Alexander S.s Verbindung zu einer – wenn auch kleinen – von Neonazis und Reichsbürgern geführten Gruppe in Bayern aufmerksam wurde. Alexander S. war vorbestraft. Das zeigt einmal mehr: Die Sicherheitsarchitektur ist zu fragmentiert, der Austausch zwischen Behörden oft zu zögerlich. Extremistische Netzwerke kennen keine Landesgrenzen – Sicherheitsbehörden dürfen das auch nicht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Amokfahrt von Mannheim: Schnelle Antworten, langsame Wahrheit
Ermittlungsbehörden stecken nach Taten wie der von Mannheim in einem Dilemma zwischen schnellem Informieren und gesicherten Erkenntnissen. Das zu lösen, ist kompliziert, kommentiert Sebastian Koch.