Mannheim. Lange standen die Gebäude leer, verfielen und der Abriss drohte. Doch dann wurde das Ensemble aus dem alten Lokschuppen, dem ehemaligen Werkstattgebäude und der Schienenfahrzeughalle im Glücksteinquartier auf dem Lindenhof doch erhalten. Dafür erhielten Dirk und Astrid Kuchenbuch als, so Stadtbild-Vorsitzende Helen Heberer, „sorgsam und liebevoll mit ihnen umgehende Bauherren“ nun den Preis für Denkmalpflege.
Ständig seien Vorstand und Mitglieder des Vereins Stadtbild unterwegs, um entweder vernachlässigte historische Gebäude zu entdecken – oder das Gegenteil davon. Solche Beispiele, „wo historische Bausubstanz erhalten und sinnvoll neu genutzt wird“, so Heberer, zeichne man gerne aus. Und das sei bei dem Gebäudeensemble der Bahn der Fall, unterstrich sie, als sie mit ihrem Stellvertreter Volker Keller Messingplakette und Urkunde übergab.
Zwei Weltkriege überstanden
Verein und Preisträger
- Der Verein Stadtbild ging 1991 aus der Bürgerinitiative für den Wiederaufbau des Alten Kaufhauses in N 1 hervor, nachdem der Bürgerentscheid dafür gescheitert war. Er tritt dafür ein, dass stadtbildprägende Gebäude, Plätze und Denkmäler in Mannheim erhalten bleiben.
- Er unterstützt private und öffentliche Eigentümer von denkmalgeschützten Objekten durch Zuschüsse. Seit Gründung des Vereins wurden dafür mehr als eine Million Euro aufgewendet, etwa für Friedrichsplatz und Sternwarte.
- Den Preis für Denkmalpflege erhielten bisher: 2009 Familie Aschbacher für E 3, 16, 2010 Familie Jöst für B 7, 5, 2011 Normann und Marie-Luise Stassen für Bopp & Reuter Siedlung, 2012 Familie Schütz für Alte Schule Seckenheim, 2013 Gesellschaft Räuberhöhle für Villa Werderstr. 36, 2014 Familie und Firma Lochbühler für Wasserturm Seckenheim, 2015 Dietmar Brixy für Altes Pumpwerk Neckarau, 2016 Martina und Simone Herrdegen für Café Herrdegen, 2017 Susanne Räuchle für die Villa in der Viktoriastraße, 2018 Roland Oparaku und Petra Rambow vom Hotel und Restaurant „Kleiner Rosengarten“ in U 6,19, 2019 Wendelin Scharbach für das Doppelhaus Meerwiesenstraße/Schwarzwaldstraße und 2020 Alexander Tanzer und Markus Hauch für das Haus Schanzenstraße 11.
Die 1872 erbauten Gebäude seien die ältesten Teile des Hauptbahnhofs. Sie haben zwei Weltkriege weitgehend unbeschadet überstanden und gelten als Denkmal für die Industrie- und Technikgeschichte. Doch die Schienen, die einst das Ensemble umgaben, gibt es nicht mehr. Die Stadt hat das Areal von der Bahn gekauft, daraus ein modernes Gebiet für Büros und Wohnungen entwickelt. Nach langer Suche fand die Stadt Investoren, die das Werkstattgebäude, das dem Lindenhof zugewandt ist, für eine Gastronomienutzung umbauten und den Lokschuppen als Büros für ihre Firmen. Mit „viel Feingefühl, Zeit und Kraft“, aber auch der Bereitschaft zu finanziellem Risiko, so Heberer, hätten die Investoren mit dem Architekturbüro Jarcke „ein Juwel für den Lindenhof und die ganze Stadt geschaffen“.
Das bekräftigte die Leiterin vom Fachbereich Baurecht, Bauverwaltung, Denkmalschutz der Stadt, Lisa Ronellenfitsch. Sie bescheinigte Investoren und Architekten einen „besonders gelungenen Umgang mit dem Kulturdenkmal“ und eine „mustergültige“ Nutzung der alten Bausubstanz bei zugleich ansprechender neuer Nutzung. Damit sei ein zentraler Punkt des Glücksteinquartiers gelungen, so Ronellenfitsch. Als in den 1980er Jahren die Überlegung entstanden sei, das nicht genutzte Areal der Bahn durch die Stadt zu erwerben und neu zu gestalten, sei dafür noch keine Nutzung klar gewesen. 2014 erfolgte dann der Verkauf an die Investoren – mit der Auflage, die Sanierung in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde vorzunehmen und das historische Holztragwerk im Lokschuppen, die großen grünen Tore, die durch das Gebäude führenden Gleise und die Arbeitsgrube für Wartungsarbeiten an den Dampfloks nicht herauszureißen. „Der Erhalt trägt wesentlich dazu bei, einen wichtigen Teil Mannheimer Eisenbahngeschichte zu bewahren“, so Ronellenfitsch. Schließlich sei das Ensemble nicht nur der älteste erhaltene Teil des Hauptbahnhofs, sondern auch „die ältesten erhaltenen Gebäude dieses Typs in Baden-Württemberg“.
Dabei hätten sich die Bauherren aber „als wahrer Glücksfall erwiesen“ und „gleich Potenzial und Charme des Gebäudes erkannt“, sagte die Fachbereichsleiterin. Ausdrücklich lobte sie, dass es gelungen sei, für die neue Nutzung zahlreiche bauordnungsrechtliche Hindernisse zu überwinden und Herausforderungen bei Brandschutz, Statik und Akustik zu meistern – „eine besondere Leistung“, so Ronellenfitsch. Doch nun stellten die alten Bahngebäude ein „gelungenes Beispiel für die Kombination von alter und neuer Nutzung“ mit hoher Aufenthaltsqualität dar, dankte sie.
„Sehr, sehr anstrengend“
Doch in einem Punkt widersprach Dirk Kuchenbuch der Fachbereichsleiterin. „Es war meine Frau Astrid, die den Charme des Gebäudes entdeckt hat“, sagte er. Beide hatten auch schon das Anwesen vom TSV 1846 in der Stresemannstraße gekauft und umgebaut. Sie hätten 2013 einen neuen Sitz für ihre Firma Krücken Organic, ein Händler für ökologische Agrarrohstoffe, gesucht. Die Wirtschaftsförderung der Stadt schlug ihnen das Glücksteinquartier vor, und da sei seine Frau sofort „total begeistert“ von dem Lokschuppen-Ensemble gewesen. „Aber es war nicht ganz einfach und sehr, sehr anstrengend“, blickte er zurück: „Es gab viele Sachen, mit denen wir nicht gerechnet hätten“ und es sei „unfassbar viel Handarbeit“ notwendig gewesen, die alte Bausubstanz originalgetreu zu erhalten oder zu rekonstruieren. Umso dankbarer sei man für den Preis. „Wir freuen uns sehr!“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-alter-lokschuppen-bleibt-fuer-den-mannheimer-lindenhof-erhalten-_arid,1869736.html