Gastronomie - Die "Orderstation" auf der Friesenheimer Insel steht seit Monaten leer - dabei hat die Gaststätte eine besondere Historie

Als die Kapitäne über den Rhein riefen

Von 
Annika Wind
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Ein geschichtsträchtiger Ort im Umbruch: Seit Monaten steht die "Orderstation" am Rheinufer leer.

© aki/©Robert-Häusser-Archiv/Reiss-Engelhorn-Museen

Es ist nicht allzu lange her, da konnte man hier bequem Getränke ordern. Ein laues Lüftchen zog über den Rhein und das eine oder andere Schiff vorbei - die "Orderstation", wie die Gaststätte mit Biergarten auf der Friesenheimer Insel hieß, trug ihren Namen wohl zu Recht. Dabei hat, das zeigt ein Blick in die Historie, ihr Name mit dem Thema Gastronomie eigentlich nichts zu tun. Und auch die Gaststätte an sich ist verschwunden. Seit einigen Monaten schon steht das geschichtsträchtige Ausflugslokal am Rhein leer.

Shisha-Lounge geplant?

"Schon im Juli 2014", so erzählt Adam Filipovic, habe er mit seiner Frau Vesna die Gaststätte aufgegeben. Aus "persönlichen Gründen", wie er sagt. Auf der Internetseite des Lokals werden gesundheitliche Gründe genannt. Fest steht, dass die Wirtsleute der "Orderstation" seit Januar nun die Sportgaststätte des TSV Schönau betreiben. Wem aber gehört das Haus auf der Friesenheimer Insel? Und vor allem: Wie geht es dort nun weiter? Adam Filipovic will sich dazu nicht äußern.

Den Hafenbetrieben gehört das geschichtsträchtige Gebäude jedenfalls nicht. "Geplant ist wohl eine Shisha-Lounge an der Stelle", sagt Georg Wetzel von der traditionsreichen Gaststätte Dehus auf der Friesenheimer Insel. Dazu würden die Umbauarbeiten passen, die offenbar im Gange sind: Im Inneren des frisch gestrichenen Gasthauses wurde ein neuer Boden verlegt. An einigen Stellen jedoch macht das Industriedenkmal einen bemitleidenswerten Eindruck: Das Gelände ist zugewuchert, Müll liegt herum, Schuttberge türmen sich.

Dabei ist der Standort bedeutend für die Mannheimer Industriegeschichte. Der Verein Rhein-Neckar-Industriekultur hat die Historie recherchiert, wie man auf seiner Homepage (im Bereich "Objekte") nachlesen kann. Wohl zu Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die Mannheimer Reedereien die "Orderstation" eingerichtet. Ihre Aufgabe: Hier wurden alle in den Industriehafen einfahrenden Schiffe registriert. Per Megafon, manchmal auch mit Schriftstücken, die man mit Ruderbooten zwischen dem Schiff und der Station hin- und hertransportierte, teilte man den Kapitänen mit, welchen Hafenteil sie anlaufen, welche Ladung sie übernehmen oder löschen sollten. Der Strom kam damals - wohl auch wegen der abgelegenen Lage - von einem Dieselaggregat. Ein Foto von Robert Häusser von 1955 zeigt den damaligen Betreiber mit Fernglas und Telefon bei der Arbeit. Von der ursprünglichen Einrichtung ist wohl nichts erhalten geblieben. Zumal moderne Kommunikationsmittel den Betrieb ab den 1970er Jahren überflüssig machten. Dafür trat die Gastwirtschaft in den Vordergrund, zeitweise auch unter der Ägide der Eichbaum-Brauerei.

Das zweigeschossige Haus inmitten des Landschaftsschutzgebietes stammt wohl aus den 20er Jahren. Angeblich hatte man Zeitungen aus dem Jahr 1928 unter der Tapete gefunden. Fest steht, dass es von hier aus einen grandiosen Ausblick auf die gesamte Länge des BASF-Areals gibt. Vor allem nachts, wenn das riesige Firmengelände im Dunkeln funkelt. Auch in anderen Städten wie Karlsruhe oder Worms hatte es ähnliche Orderstationen gegeben. Diese hier ist aber eine der wenigen, die die Zeit überdauert haben.

Geschichte der Orderstation auf der Friesenheimer Insel

Die Friesenheimer Insel entstand 1827 durch die Rheinbegradigung ("Friesenheimer Durchstich"). Bei der Gründung des Industriehafens existierte noch keine Orderstation, wohl aber eine Fährverbindung für Fußgänger zwischen der Friesenheimer Insel und Friesenheim auf der Ludwigshafener Seite, die in der Nähe der Orderstation ablegte.

Die Orderstation entstand wohl vor etwa 100 Jahren, die im Auftrag der Mannheimer Reedereien alle durchfahrenden Schiffe registrierte und Anweisungen an die Kapitäne übermittelte, welcher Hafen anzulaufen und wo welche Ladung zu übernehmen oder zu löschen sei.

Das Gebäude der heutigen Orderstation ist wohl Anfang der 1920er Jahre gebaut worden. Allerdings gab es seitdem viele Um- und Ausbauten.

Modernere Kommunikationsmittel machten den Betrieb der Orderstation ab den 1970er Jahren überflüssig. Zugleich war im Gebäude auch immer eine Gastwirtschaft untergebracht - so blieb sie ein Treffpunkt für Schifferfamilien. Zeitweise war das Gasthaus von der Eichbaum-Brauerei betrieben worden. Seit einigen Jahren ist es in privater Hand. aki

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