Mannheim

Abschied von der "Rheintank"

Von 
Peter W. Ragge
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Letzte Fahrt der Arche Nowag Foto Thomas Troester

© Troester

Mannheim.. "Künftig geht das alles hydraulisch", sagt Peter Neuner, während er mit zwei Händen kräftig das riesige Steuerrad herumwuchtet. Der Schiffsführer bemüht sich, nicht wehmütig zu klingen. Er hat ja auch schon viel erlebt. Erst war er bei der Bundesmarine, dann bei der Mannheimer Berufsfeuerwehr, hauptsächlich eingesetzt auf dem Feuerlöschboot. Aber als er 50 wurde, spielte die Gesundheit beim anstrengenden Feuerwehrdienst nicht mehr mit. Für eine schwimmende Tankstelle indes ist er genau der Richtige - Schiffsführer mit Rheinpatent und obendrein Fachmann für Brandschutz. Der spielt schließlich auch eine wichtige Rolle, wenn jemand auf Rhein und Neckar frischen Treibstoff braucht.

Das ist - besser: war - die Aufgabe der "Rheintank". Zwischen Germersheim und Worms versorgte es vom Wasser aus die Schiffseigner, egal ob große Container-Schubverbände, kleine Kiesfrachter oder Ausflugsdampfer der "Weißen Flotte". Dazu hatte das 32 Meter lange Bunkerschiff nicht nur 125 Kubikmeter Gasöl, also Schiffstreibstoff, und knapp 10 000 Liter verschiedene Schmieröle an Bord, sondern auch 15 Kubikmeter frisches Trinkwasser. Diese Aufgabe übernimmt bald ein neues Tankschiff; an ihm werden gerade auf einer Werft in Speyer die letzten Handgriffe gemacht. Die "Rheintank" indes, die nur gechartert war, geht zurück nach Duisburg und sieht wohl dem Ende ihres Schiffslebens entgegen. "So ein altes Schiff hat ja auch seine Macken", wehrt Neuner, der seit acht Jahren am Steuerrad steht, alle Fragen ab, ob er auf dieser letzten Fahrt etwa doch wehmütig sei.

Beginn als Schiffsschmiede

Anders Josef Nowag. "Ja, das ist hart, sehr hart", blickt er wehmütig auf die "Rheintank". Josef Nowag stand, da er kein Rheinpatent hatte, zwar nie allein am Steuerrad - aber er war über Jahrzehnte hinweg der Chef. Ihn kannte man auf Rhein und Neckar, er war der Mann, der die Binnenschiffer im weiten Umkreis mit allem versorgte, was sie brauchten. Seine Vorfahren gründeten die Firma am 14. September 1903 als Schiffsschmiede; 1939, noch kurz vor Kriegsbeginn, kam ein Schiffshebedock dazu. Doch in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs wurde die Werkstatt zerstört, und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Vielmehr wandelte sich die Firma zu "Nowag Bunkerdienste".

Erster Edeka-Laden auf dem Wasser

Zunächst am Hechtkopf, der Landzunge zwischen Rhein und Mühlauhafen, gelegen, wurde am 19. Oktober 1973 bei Rheinkilometer 428,7 die Bunkerstation "Arche Nowag" eingeweiht. Sie war die erste Bunkerstation auf dem deutschen Rhein. "Wir haben uns das Konzept bei den Holländern abgeschaut, und es hat hier bombastisch eingeschlagen", erinnert sich Josef Nowag.

Auf dem 85 Meter langen, früher unter holländischer Flagge fahrenden und dann umgebauten Tankschiff, fest verankert in der Nähe der "Orderstation" an der Friesenheimer Insel, gab es nicht nur Treib- und Schmierstoff und Trinkwasser sowie einen 120 Quadratmeter großen Laden mit allerlei Schiffszubehör von Farben bis zu Flaggen, von Schrauben bis zu Seilen, sondern auch einen ebenso 120 Quadratmeter großen Edeka-Supermarkt - damals der erste auf dem Wasser. Es war eine Zeit, als die Binnenschifffahrt noch eine viel größere Rolle spielte und die Technik nicht so weit fortgeschritten war wie heute. So kamen Schiffsführer und Matrosen nicht nur zum Einkaufen auf die "Arche Nowag", sondern auch zum "bellen" - das holländische Wort für telefonieren. Doch das ist vorbei, der Edeka-Laden schon 15 Jahre zu.

"Es ist alles schneller, hektischer, technisierter geworden", bedauert Josef Nowag. "Es sind auch kaum mehr Familien an Bord der Schiffe, sondern Besatzungen, die im Schichtdienst fahren und Verpflegung von zu Hause mitbringen - und die wenigen Familien haben ein Auto an Bord und fahren dann zum Einkaufen", erklärt Nowag den Wandel. "42 Jahre habe ich das Geschäft gemacht, da hängt man schon an der Schifffahrt!", so der Feudenheimer.

Das übertrug sich auf die nächste Generation: Sein Sohn Christian ist - nun in vierter Generation - schon seit 2008 dabei, inzwischen als angestellter Geschäftsführer, nachdem die Firma vor zehn Jahren an einen Mineralölkonzern verkauft wurde. "Unsere Arche Nowag wird weiter gebraucht", betont Josef Nowag. 85 Prozent der Schiffe würden sich hier mit Treibstoff und Ersatzteilen eindecken. Um die anderen 15 Prozent zu versorgen, legt von hier dann bald ein anderes kleines Bunkerschiff ab - nur eben nicht mehr die "Rheintank".

Mannheim. 1958 wurde es gebaut, jetzt ist seine Zeit zu Ende: Das traditionsreiche Bunkerschiff "Rheintank 4" startete gestern zu seiner Abschiedsfahrt auf Rhein und Neckar.

Redaktion Chefreporter

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