Mannheim. Noch bevor die Sonne untergegangen ist, duften auf den Tischen in der Feudenheimer Kulturhalle Datteln, Kekse und Kuchenstücke verführerisch. Die Gäste aber werden die süßen Vorspeisen erst anrühren, wenn die letzten Sonnenstrahlen verblasst sind, schließlich ist Ramadan - der heilige Fastenmonat im Islam.
„Uns geht es um das Miteinander und Begegnungen, Jeder und Jede ist herzlich willkommen, einmal das Fastenbrechen mitzuerleben“, sagt Fouzia Hammoud, Vorsitzende vom Verein Arabisches Haus. Zum ersten Mal hat der Mannheimer Verein zum großen Fastenbrechen (Iftar) nach Feudenheim geladen, gedeckt ist an diesem Abend für rund 300 Gäste - der Andrang bei den Anmeldungen war größer als erwartet.
Verein als Bindeglied
Dem Ruf gefolgt sind größtenteils Muslime und Muslimas aus Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Frankfurt oder der Region, mit marokkanischen, tunesischen, syrischen oder palästinensischen Wurzeln sowie Geflüchtete etwa aus der Ukraine oder Syrien. Ganz im Sinne des Vereins, der sich zum Ziel gesetzt hat, mit Veranstaltungen das regionale Zusammenleben zu fördern.
Schließlich versteht sich der Verein, bei dem sich auch Nicht-Muslime engagieren, als Bindeglied zwischen arabischen und hiesigen Kulturen, zwischen Menschen mit Migrationsgeschichte, Zuwanderern und der Stadt.
Das Angebot reicht vom interkulturellen Frühstück über Begegnungen durch Kochseminare bis zu Veranstaltungen auf Arabisch über Fallstricke der deutschen Bürokratie. Dabei helfen die Mitglieder arabischsprachigen Menschen, sich nicht nur in Mannheim zurechtzufinden, sondern richtig anzukommen, etwa, indem sie selbst mitgestalten.
Heiliger Fastenmonat
- Der Ramadan ist Muslimen heilig. Nach der Überlieferung wurde Prophet Mohammad in diesem Monat der Koran offenbart. Vier Wochen lang wird von Sonnenauf bis -untergang weder gegessen, noch getrunken.
- Der Ramadan endet am 21. April. Das dreitägige Fastenbrechfest Id al-Fitr, im türkischen Bayram (Zuckerfest), ist einer der wichtigsten Feiertage.
- Spenden für Erdbebenhilfe: Mannheim hilft ohne Grenzen e.V. , VR Bank Rhein-Neckar eG , IBAN: DE23 6709 0000 0095 9221 04, BIC: GENODE61MA2, Verwendungszweck: „Erdbebenhilfe Türkei“
Auch der marokkanische Küchenchef Boumedien Zaouzaou ist extra aus Frankfurt angereist, hat ehrenamtlich das Menü für den Abend kreiert. Traditionell werden Datteln und Milch vorab gereicht. Was noch auf den Tisch kommt? „Wir haben für die Hauptspeise 70 Kilogramm Putenfleisch besorgt, dazu gibt es Reis mit Rosinen und Harira-Suppe“, beschreibt Zaouzaou.
Viele helfende Hände
Er lässt es sich auch nicht nehmen, mit seiner herzlichen Art hinter die Kulissen in die Küche zu führen. Schon einen Tag vorher haben 20 Helfer den Saal dekoriert, Stühle und Tische arrangiert, Lebensmittel eingekauft. Der Verein finanziert sich selbst, erhält laut Hammoud wegen seiner Arbeit für Geflüchtete auch Gelder aus dem Flüchtlingsfonds der Stadt.
Unter den helfenden Händen sind mittlerweile sogar Studierende aus der Ukraine mit marokkanischen Wurzeln, die nach Mannheim geflüchtet sind - und nun selbst anderen helfen wollen. In der Küche köchelt in riesigen Töpfen die marokkanische Harira-Suppe, brät ein zweiter syrischer Koch Rosinen in der Pfanne für die Reisbeilage.
Immer wieder wehen Anweisungen auf Arabisch und der Duft von Kurkuma und Ingwer durch die Luft. Draußen in der Halle erklärt nach einer Gesangseinlage von syrischen Musikern Allgemeinmediziner Majid Hamdouchi, wie es gelingt, gesund zu fasten.
Auch Hausarzt Hamid Balogun stellt seine internationale Praxis in Mannheim vor, wo Patienten mehrsprachig betreut werden. Den Gläubigen empfiehlt Hamdouchi, vor dem Iftar zwei Gläser Wasser zu trinken, nicht zu viel zu essen, danach Sport zu treiben sowie früh schlafen zu gehen. „Der Ramadan ist eine physische und psychische Entgiftung, man drückt damit seine Solidarität gegenüber Bedürftigen aus“, sagt der Arzt. Allerdings sei in Deutschland das Fasten schwieriger, „weil ich beim Arbeiten weiter volle Leistung liefern muss.“ In muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei oder Syrien passt sich das öffentliche Leben im Ramadan an.
Verschärfte Lage
Dort ist der Ramadan, zwei Monate nach den Erdbeben mit unzähligen Opfern, diesmal ein „stiller“ Fastenmonat, beschreibt Mustafa Dedekeloglu am Telefon. Der Mannheimer ist mit vier weiteren Kollegen Anfang April in die türkische Grenzstadt Kilis gereist - um sich ein Bild vor Ort zu machen. Sein Verein Mannheim hilft ohne Grenzen sammelt immer im Ramadan Spenden für Einheimische und Geflüchtete in Kilis.
Zwar sei die Stadt vom Erdbeben nicht so stark betroffen. Trotzdem habe sich hier die Lage weiter verschärft, so der Vereinsvorsitzende. „Neben den Geflüchteten sind nun weitere Hilfsbedürftige aus dem Inland in die Stadt gekommen, deren Häuser zerstört wurden“, berichtet Dedekeloglu. Schon vor dem Beginn des Ramadan hat sein Verein 20 000 Pakete mit Lebensmitteln wie Reis, Öl, Kichererbsen oder Nudeln nach Kilis gebracht. Allerdings hätten sich die Preise für ein Paket wegen des Kriegs in der Ukraine mehr als verdoppelt: „Früher haben wir für ein 25 Kilogramm schweres Paket 350 Lira bezahlt. Nun kostet das gleiche Paket mit nur 20 Kilogramm 860 Lira“, rechnet Dedekeloglu vor.
Über 137 000 Euro zusammen
Nach dem Erdbeben hatte der Verein mit der Stadt, türkischen Unternehmern und Vereinen Spenden gesammelt. Die Hilfsbereitschaft war riesig, in der Quadratestadt ist jeder und jede Zehnte von der Katastrophe in irgendeiner Weise betroffen. Bislang seien allein bei Mannheim hilft ohne Grenzen 137 000 Euro eingegangen. Beim Besuch in der Türkei mitten im Ramadan hatten die vier Mannheimer zusätzlich mit privaten Spenden von 40 000 Euro Kleidung, Spielzeug und Lebensmittel für Hilfsbedürftigen vor Ort gekauft.
Zurück in der Kulturhalle kündigt der Sonnenuntergang das Fastenbrechen an. Mit ihren Gedanken sind die Gäste aber auch bei ihren Verwandten in der Ferne. Für die 22-jährige Imane Ayda, die zu Besuch in Mannheim ist, ist Ramadan auch die Zeit, anderen zu helfen, etwa mit Spenden. „Das Fasten bringt uns näher zu Gott, reinigt Körper und Seele und erinnert uns daran, das zu schätzen, was wir haben.“
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