Umweltschutz

275 Regenwürmer pro m²: Verein Mikro-Landwirtschaft Mannheim dokumentiert Artenvielfalt

Vögel zwitschern, es summt und brummt. In den Gemeinschaftsäckern des Vereins Mikro-Landwirtschaft Mannheim wimmelt es vor Leben. Doch welchen Nutzen bringen die Äcker für die Artenvielfalt? Der Verein hat das dokumentiert. 

Von 
Roland Schmellenkamp
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Artenvielfalt auf dem Gemeinschaftsacker in Mannheim: Bertram Fischer (l.) übergibt Andre Baumann die Dokumentation. © Roland Schmellenkamp

Mannheim. Überall brummt und summt es –dass Gemeinschaftsäcker der Mikro-Landwirtschaft Insektenparadiese sind, ist unüberhörbar: Hummeln und Bienen fliegen von Blüte zu Blüte, über den Mulch auf dem Boden huschen Spinnen und Vögel zwitschern. Um den Nutzen für den Umwelt- und Artenschutz zu dokumentieren, hat der Verein Mikro-Landwirtschaft die Artenvielfalt untersucht und dokumentiert. Der Bericht wurde von Vereinsgründer Bertram Fischer an Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, übergeben.

Besuch von der Schleiereule

Laut Fischer wurden auf dem vorher konventionell bewirtschafteten Acker in Feudenheim mehr als 150 Tierarten dokumentiert, die in der konventionellen Landwirtschaft kaum Lebensraum und Nahrung finden. Darunter auch mindestens vier streng geschützte und mehr als 30 besonders geschützte Arten, darunter 16 Wildbienenarten. Für Vögel hat der Verein zwei Ansitze errichtet. Dort landende Tiere wurden per Kamera fotografiert, so konnte sogar der Besuch der seltenen Schleiereule belegt werden. Fotos von Vögeln und Insekten zeigt der Verein auf dem Acker in der Hölderlinstraße im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Ausstellung.

Der Verein

Der Verein Mikro-Landwirtschaft betreibt vier Gemeinschaftsäcker in der Region: Wallstadt, Heidelberg-Wieblingen, Edingen, Feudenheim Mitte und Feudenheim Nord. Außerdem werden für die städtische Entwicklungsgesellschaft MWSP drei Nutzgärten in Franklin betreut mit einer Fläche von 2000 qm.

Auf dem 6000 qm großen Gemeinschaftsacker Feudenheim Nord kostet ein halbes Feldstück (50 qm) 180 Euro jährlich. Gartenwerkzeuge und Gießwasser gibt es vor Ort. Der Verein hat Anleitungen, damit auch unerfahrene Gärtner eine Ernte einfahren können. Bäume dürfen nicht und außer Himbeere, Johannisbeere und Heidelbeere keine Sträucher gepflanzt werden. Die Nutzung ist nur für den Eigenbedarf gestattet.

Der Verein hat auf seiner Homepage www.mikrolandwirtschaft.org auch viele Infos zu Gemüsekisten, regenerativer Landwirtschaft, solidarischer Landwirtschaft (Solawi) sowie Tipps für Schulen und Kommunen. Bertram Fischer möchte andere Initiativen unterstützen, deshalb hat der Verein ein „Sorglos-Paket“ erstellt mit vielen Infos und Software. RoS

Weiter habe sich laut Fischer die Anzahl der Regenwürmer auf dem Acker innerhalb von vier Jahren von 25 pro Quadratmeter auf 275 erhöht: „Diese Veränderung zeigt nicht nur, wie wertvoll die Arbeitsweise auf den Gemeinschaftsäckern ist, sondern auch, wie schnell mit der Natur große Veränderungen möglich sind.“ Außerdem sei die Aufnahmekapazität von Wasser gestiegen: Die Simulation eines Starkregenereignisses zeigte laut Fischer, dass sich die Gefahr von Bodenerosion und Überschwemmungen durch Gemeinschaftsäcker drastisch reduziert: „Viele Städte wollen ,Schwammstadt’ werden. Gemeinschaftsäcker leisten dazu einen Beitrag.“

Baumann habe schon erreicht, dass Ackerflächen des Landes bevorzugt für Gemeinschaftsäcker zur Verfügung gestellt werden, sagt Fischer. Er wünscht sich von der Landesregierung jedoch mehr Unterstützung. Zum einen ein finanzielles Förderprogramm, denn die konventionelle Landwirtschaft erhalte auch Subventionen. Zum anderen sollen juristische Hürden abgebaut werden. Sein erklärtes Ziel: „1000 Gemeinschaftsäcker in ganz Deutschland!“ Deshalb ist neben der Betreuung von vier eigenen Äckern die Beratung von Initiativen und Kommunen ein Standbein des Vereins.

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Staatssekretär Baumann – der sich mit Fischer duzte – erklärte: „Wir leben in einer Zeit, in der der Großteil der Bevölkerung fern der Landwirtschaft lebt, also keinen Bezug mehr dazu hat, auch nicht mehr zur Natur.“ Früher habe es überall so ausgesehen wie auf den Äckern der Mikro-Landwirtschaft, es habe kleinflächige Bauerngärten gegeben. Er lobte das Projekt: „Die Menschen bekommen hier einen Bezug zur Landwirtschaft und es treffen sich unterschiedliche Milieus, beispielsweise Alt und Jung und mit oder ohne Migrationshintergrund.“

Zucchini, Bohnen und Erdbeeren

Einer davon ist Dragan Maksimovic, der erst im April mit dem Gärtnern angefangen hat: „Die Hälfte der Samen ist raus gekommen, die andere nicht. Ich bin zufrieden, es ist mehr, als ich dachte!“ Für rund 100 Euro, so der 57-Jährige, habe er sich ein Starterpaket mit Samen für rund 30 Gemüsesorten und Anleitung gekauft. Er freut sich darüber, dass auf seiner Parzelle Zucchini, Bohnen und Erdbeeren wachsen, und möchte nächstes Jahr weitermachen.

Carla Olbrich (26) war vergangene Woche erstmals auf dem Gemeinschaftsacker, weiß aber viel übers Gärtnern, denn sie hat Landwirtschaft studiert. Zusammen mit Nathalie Böhme (25), die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr bei einer Gemüsegärtnerei verbracht hat, berät sie, was dieses Jahr noch gepflanzt werden könnte. An den Rissen im Boden wird deutlich: Entweder ist regelmäßiges Gießen Pflicht oder die Pflanzen müssen mit wenig Wasser auskommen. Laut Baumann muss man auch die konventionelle Landwirtschaft wegen des Klimawandels auf trockenere Zeiten vorbereiten, etwa mit Tröpfchenbewässerung. Die Mikro-Landwirtschaft setzt sogar auf moderne Technik wie Bodenfeuchte-Sensoren, um zu bestimmen, wie viel Wasser nötig ist.

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