Mannheim. Seit über 40 Jahren ist kein Fußballstadion vor ihm sicher: Martin Kochem, genannt „Kojak“, ist ein sogenannter Groundhopper. Er sammelt Stadien. Oder besser gesagt: Besuche von Fußballspielen.
Was ist Groundhopping?
Groundhopping hat viele Fans, die sich gegenseitig aufstacheln, möglichst viele Stadien zu besuchen. Dabei gehen viele Wochenenden des Jahres drauf, oft verbringen die Fans viele lange Nächte in Nachtzügen, um ein Spiel zu sehen. Erst ab 45 Minuten Anwesenheit im Stadion zählt es als Besuch, kommt man in der zweiten Halbzeit, und es gibt eine Verlängerung, hat man Glück gehabt. „Halbzeit-Hopper“, die nach einer Halbzeit zu einem anderen Spiel fahren, sind verpönt.
Über die Welt der Groundhopper sprach Kochem nun in einem spannenden Vortrag im Markthaus Friedrichsfeld - einem ungewöhnlichen, aber originellen Ort. Kojak stand im Kassenbereich, das Publikum saß zwischen den Marktregalen und Aufstellern. „Seit zehn Jahren mache ich hier Veranstaltungen. Udo Scholz hat hier sein Buch vorgestellt, Willig und Graßmann sind auch schon aufgetreten. Ich möchte die kleine Kulturreihe weiterhin fortsetzen“, sagte Marktleiter Roger Zimmermann. Mit dem Vortrag von Kochem ist ihm dies gelungen, die Fußballfans hörten begeistert zu und durften auch seine Aufzeichnungen näher betrachten.
Waldhof-Fan Kojak bringt der SVW zum Groundhopping
Martin Kochem ist 52 Jahre alt, er spielte in seiner Kindheit Fußball beim VfL Mannheim-Neckarau. „Ich war ein pfiffiger Mittelstürmer, es waren viele Kinder beim Training. Auf dem Ascheplatz hatte ich einen Unfall, daher startete ich lieber eine Fankarriere.“ Anfang der 80er wurde Kochem erst einmal Waldhof-Fan. „So haben alle Groundhopper begonnen.“
Er hat sich das Datum notiert: Am 17. Oktober 1981 gewann der SV Waldhof gegen SpVgg Bayreuth - damals noch zweite Bundesliga - und der Zehnjährige war „angefixt“. Die 80er Jahre verbrachte er quasi bei Waldhof-Spielen, ab 1983 in der ersten Liga, dann stieg der Verein 1990 ab.
Im selben Jahr entdeckte Kochem bei einem Heimspiel des SV Meppen seine Leidenschaft für diesen Verein im Emsland, 500 Kilometer von Mannheim entfernt. Er besuchte so viele Spiele wie möglich und fuhr oft mit dem Nachtzug nach Hause. Seine Bundeswehrzeit verbrachte er in Emden, was die Anreise nach Meppen verkürzte.
Kojak besucht auch Stadien in anderen Ländern
Die Weltmeisterschaft 1990 in Italien löste unter den Groundhoppern den Enthusiasmus aus, auch die Stadien im Ausland zu besuchen. Kojak hat sich genau notiert, wann er zum ersten Mal ein Spiel im Ausland sah: am 5. Juni 1991, Wales gegen Deutschland in Cardiff, ein Qualifikationsspiel zur EM 1992. „Das war mein erster Länderpunkt - so nennt man die Besuche von Stadien im Ausland.“
Mit dem Interrail-Ticket fuhr er munter durch Europa, „manchmal waren wir auch zu zehnt im Nachtzug“. Anfang 1993 gründete er mit weiteren Groundhoppern die Vereinigung der Groundhopper Deutschland. Seitdem hat Kochem viel erlebt - zum Beispiel zwei Lokschäden auf nur einer Bahnfahrt.
Sein Interesse gilt weniger den modernen Arenen, sondern vielmehr den historischen Stadien wie zum Beispiel dem Hillsborough Stadium von Sheffield Wednesday. Zur Orientierung hilft den Groundhoppern der sogenannte Informer, in dem nahezu alle Stadien der Welt aufgelistet sind, in Deutschland reicht er sogar bis in die Landesligen. Kochem hatte einige dieser Informer mit dabei. In den 90ern war das nur eine Broschüre, jetzt ist es ein gebundenes Buch.
Frauen-Weltmeisterschaft im Blick
Groundhopper gibt es inzwischen in verschiedenen Varianten, manche sind auf Flughäfen umgestiegen, manche sammeln Eishockey- oder Handballspiele. Kojak ist in den letzten Jahren etwas weniger unterwegs, da er nun eine Familie hat. Er lebt in Waghäusel und ist Schriftführer im dortigen SSV, einem reinen Frauen- und Mädchen-Fußballverein. Laut Kochems Aufzeichnungen hat er seit 1981 unglaubliche 1662 Stadien und Fußballplätze besucht, 1262 im Inland, 400 im Ausland.
Die Pläne für dieses Jahr stehen schon fest: Er möchte zur U20-Frauen-Weltmeisterschaft nach Kolumbien. Die Torfrau spielt nämlich bei Meppen. „Der DFB weiß schon: Wenn Meppen spielt, kommt der Kojak.“
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