Klimaschutz als Staatsziel

1,5 Grad-Ziel nicht zu erreichen

Demokratieveranstaltung des Deutsch-Türkischen Instituts für Arbeit und Bildung mit Oberbürgermeister Peter Kurz und Staatssekretär Baumann

Von 
Stefanie Ball
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Der Handabdruck eines Aktivisten. Die Politik spürt den Druck. Vonseiten der Bürger, aber auch der Justiz. © Hannes P. Albert/dpa

Ein Blick ins Jahr 2040? „Wir stehen gut dar, haben aber noch viel vor“, sieht Andre Baumann das Thema Klimaschutz auch in vielen Jahrzehnten noch als große Herausforderung. Der Grünen-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium steht am Montagabend im BASF-Dialogforum in der U-Halle auf der Bundesgartenschau und diskutiert mit Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) über den Klimawandel. Eingeladen zu dem Forum hat das Deutsch-Türkische Institut für Arbeit und Bildung; der Verein organisiert jedes Jahr rund um den 23. Mai, den Tag des Grundgesetzes, eine bildungspolitische Veranstaltung.

Madeleine Bierlein (v.l.) moderiert eine Diskussionsrunde mit Staatssekretär Andre Baumann und Oberbürgermeister Peter Kurz. © Michael Ruffler

Die abendliche Diskussion, moderiert von „MM“-Nachrichtenchefin Madeleine Bierlein, ist die Fortsetzung eines Dialoges, der bereits am Mittag mit mehr als 80 Jugendlichen von Mannheimer Schulen begonnen hatte. Das Thema ist das Gleiche: Kommt der Staat seiner Verpflichtung nach und schützt „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“?

Richter und Bürger erhöhen Tempo

So steht es in Artikel 20a des Grundgesetzes, und Mannheims Oberbürgermeister räumt ein, dass die Politik in den vergangenen Jahren beim Thema Klima- und Umweltschutz zu langsam war. Nun komme der Druck von anderen Seiten: aus der Gesellschaft und von der Justiz. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem wegweisenden Urteil vor zwei Jahren entschieden, dass es eben nicht reicht, über Emissionsreduktionen in den nächsten Jahren zu reden und die Zeit ab 2030 auszublenden. „Es ist ein Reflex, die eigenen Schmerzen zu vermeiden und auf zukünftige Generationen zu verschieben“, so Kurz.

Doch immerhin, die Politik ist aufgewacht, wie Baumann betont. Die Bundesregierung habe als Reaktion auf das Urteil aus Karlsruhe die Reduktionsziele verschärft und Baden-Württemberg in seinem Klimaschutzgesetz nun konkrete Sektor-Ziele festgelegt, beispielsweise für Energiewirtschaft, Verkehr oder Industrie. Darüber hinaus sei ein CO2-Schattenpreis für alle Baumaßnahmen, die die Liegenschaften des Landes betreffen, eingeführt worden. Das heißt, bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen schlägt künftig auch zu Buche, wie klimafreundlich Bau und Sanierung sowie das künftige Gebäude sind. „Der Handlungsdruck ist hoch, aber das ist auch wichtig.“

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Unter Druck sieht sich auch Mannheims Oberbürgermeister. Bis 2030 will Mannheim, so ist es das erklärte Ziel des Klimaschutzaktionsplans, klimaneutral sein. „Ein ambitionierter Plan“, betont Kurz und räumt zugleich ein, dass manches dann doch nicht zu schaffen sein wird. Dazu zählt beispielsweise die energetische Sanierung des Gebäudebestandes. Die Rate stagniert seit Jahren bei einem Prozent. Doch um das Tempo zu erhöhen, fehlen Fachkräfte und Geld. Und nicht immer werde der erhoffte Effekt erzielt. So sei der Materialaufwand groß, die CO2-Einsparungen am Ende aber nur marginal. Entscheidend sei deshalb, die Maßnahmen insgesamt richtig zu fokussieren, so Kurz: „Wie komme ich mit den Mitteln, die ich habe, möglichst rasch voran?“

Wobei das Vorankommen auch seine Grenzen hat. Selbst wenn es Mannheim schafft, bis 2030 annähernd klimaneutral zu sein: Das 1,5-Grad-Ziel wird die Stadt reißen. Im Pariser Klimaabkommen wurde festgelegt, die durchschnittliche Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das ergibt für jedes Land, und heruntergebrochen für jede Kommune, ein CO2-Restbudget, das nicht überschritten werden darf. Im Falle Mannheims liegt es bei 16 Millionen Tonnen. Tatsächlich wird aber viel mehr emittiert. Dies sei „ernüchternd“.

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Auch mit Blick auf die EU-Mission „100 klimaneutrale Städte bis 2030“, für die unter anderem Mannheim ausgewählt wurde, macht sich Ernüchterung breit. Laut Kurz ist die Stadt bei ihrer Bewerbung davon ausgegangen, dass die Mission ein gemeinsames „Lernfeld“ in Sachen Klimaschutz darstellt, bei dem das Zusammenspiel der verschiedenen politischen Ebenen – Stadt, Land, Bund, Europäische Union – ausgelotet wird. Ob sich dieser Gedanke – für Kurz der entscheidende Faktor – bei der Mission durchsetzt, dahinter will der OB ein Fragezeichen setzen.

Das wohl größte Fragezeichen aber dürfte es bei der Finanzierung geben. Was kosten die ganzen Maßnahmen des Klimaschutzaktionsplans eigentlich? „Da gibt es nur Annäherungswerte“, sagt Kurz. Und die liegen zwischen drei und 13 Milliarden Euro.

Freie Autorin

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