Wallstadt - Ungewöhnliche historische Entdeckung von 1886 bei Restaurierung des alten Gasthauses „Pflug“

Unbekannte Wandgemälde in altem Wallstadter Gasthaus aufgetaucht

Von 
Peter W. Ragge
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„So etwas hatte ich in all’ den Jahren als Neuentdeckung noch nicht“, bestaunte Denkmalpflegerin Ute Fahrbach-Dreher die Wandgemälde im „Pflug“. © Michael Ruffler

Mannheim. Sie ist eine sehr zurückhaltende Frau – eigentlich. Aber nun kommt Ute Fahrbach-Dreher, beim Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg für Mannheim zuständig, doch dieses ungewöhnliche Wort über die Lippen. „Sensationell“ schwärmt sie. „Sensationell“ sei das, was bei der Sanierung vom historischen Gasthaus „Pflug“ in Wallstadt nun entdeckt wurde, nämlich bislang unbekannte großflächige Wandmalereien aus dem Jahr 1886.

Das Gerüst ist seit ein paar Tagen weg, die Bäckerei mit Post im Erdgeschoss bereits seit Juli 2021 in Betrieb und der Neubau daneben steht im Rohbau – es geht voran im und am „Pflug“. Seit 2017 sanieren Architekt Dierk Koller und seine Frau Claudia, Geografin mit Spezialisierung auf Stadtgeografie und Geschäftsführerin der Projektgesellschaft, das denkmalgeschützte, seit 2015 leerstehende älteste Gasthaus von Wallstadt. Dabei gab es schon manche Verzögerung und Überraschung bei dem laut Marchivum um das Jahr 1809 erbauten Gebäude.

Kaiserliche Offiziere oder Jagdszenen zeigen die Gemälde. © Michael Ruffler

Die größte Überraschung kam aber, als nun im ersten Obergeschoss der alte Saal entkernt, saniert und wärmegedämmt werden sollte. Hier oben will Koller nämlich mit seinem Architekturbüro einziehen. Dazu musste erst einmal alles ’raus, denn die „Pflug“-Betreiber hatten den – alten Chroniken zufolge bis zu 300 Personen fassenden – Wirtshaussaal, in dem einst so viele Vereins- und Tanzveranstaltungen stattfanden, Ende der 1960er Jahre aufgegeben, in Fremdenzimmer unterteilt und hier ein Hotel garni betrieben. „Dabei wurde viel zerstört, man hat einfach ohne Rücksicht Wände eingezogen, Duschen eingebaut“, kritisiert Claudia Koller. Als nun alle Zwischenwände und, so Koller, mehrere Schichten Wandverkleidungen entfernt waren, tauchten plötzlich die Gemälde auf.

Maler ist bekannt

Dabei handelt es sich einerseits um Jagdszenen von einer Hubertusjagd – ein Reiter mit rotem Rock und Jagdhorn auf einem Schimmel, um ihn herum Jagdhunde, ein weiterer Reiter, ebenso mit rotem Rock, auf einem braunen Ross, dazu ein Treiber mit einer Hundemeute, ein offenbar führerlos gewordenes Pferd. Auch ein Jäger zu Fuß ist zu sehen, mit hohen Stiefeln und Jagdhund, der mit seinem Gewehr gerade zielt.

Auch kriegerische Szenen zeigen die Wandgemälde im alten Saal vom Gasthof „Pflug“, die jetzt wiederentdeckt wurden. © Michael Ruffler

Hinzu kommen aber auch Szenen, die – den Uniformen nach – aus den Befreiungskriegen (1813 bis 1815 gegen die Vorherrschaft Napoleons) oder dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 stammen. Man sieht Offiziere mit ordensgeschmückten Uniformen, Artilleristen beim Laden einer Kanone, eine große Kanone, Infanteristen beim Schlachtengetümmel. An einer Ecke ist zudem – überlebensgroß – ein Landsknecht dargestellt; klar erkennbar aus einer anderen Epoche.

Von wem die Gemälde stammen, weiß man: „Gemalt von Emil Mayer aus Mannheim im Jahr 1886“ steht an einer Wand in geschwungener Schrift – darüber auch, aber teilweise unlesbar, Worte über den Erbauer des Saals. „Sehr schön“ findet Ute Fahrbach-Dreher diese Inschrift des Malers, „der sich ganz stolz mit Namen und Datum präsentiert“.

Zwar bedauert sie auch die senkrechten Fehlstellen im Putz, wo die Zwischenwände der Hotelzimmer eingezogen worden waren. Dennoch betont sie: „Für mich ist der Fund wirklich sensationell“, so Fahrbach-Dreher. „Ich mache über 30 Jahre Denkmalpflege. So etwas hatte ich in all’ den Jahren als Neuentdeckung noch nicht“, erklärt sie.

Solche Wandmalereien seien oft in Leimfarbe ausgeführt worden. „Die ist wasserlöslich und dann schnell weg, wenn man sie nicht mehr will – die kann man mit dem Schwamm abwaschen“, sagt die Denkmalpflegerin: „Wenn Leimfarbe übertapeziert wird, ist sie auch kaputt“. Deshalb seien solche Ausmalungen selten erhalten, „übrigens auch, weil die Säle in Gasthäusern oft aufgegeben wurden“. Im „Pflug“ wäre dagegen Ölfarbe verwendet worden, die strapazierfähiger sei.

Hoffnung auf alte Fotos

Eigentümer des „Pflug“ zur Entstehungszeit der Malerei war seit 1885 der Metzger und Wirt Friedrich Sohn (1849-1911), der bis 1902 als Inhaber des Wallstadter Gasthauses geführt wird. Auch teilweise noch erhalten ist das blaue Band an der Decke mit Sternen. Das stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als amerikanische Besatzungssoldaten den „Pflug“ nutzten.

Hier haben Restauratoren bereits erste Ausbesserungen vorgenommen. © Michael Ruffler

Claudia Koller bedauert, dass fast alle der Wandgemälde teilweise zerstört sind. Sie hofft, dass einige Wallstadter, die hier früher im Saal gefeiert oder mit den Gesangvereinen geprobt haben, vielleicht noch Fotos besitzen, auf denen man die Bilder komplett sieht. „Hier waren doch so viele Leute drin, vielleicht kann jemand helfen“, denkt sie.

Das Landesdenkmalamt hat zunächst nur verlangt, die Gemälde zu sichern. Für das Ehepaar Koller ist aber klar, „dass wir so viel wie möglich sichtbar lassen wollen“, sagt Claudia Koller: „Dazu haben wir unsere Büroplanung so weit wie möglich angepasst“, erklärt sie. Auch das Heizungskonzept habe man verändert, ergänzt Dierk Koller: „Wir bauen nun eine Heizung ein, die vom Boden einen Warmluftschleier vor die Wand legt“ – denn bei einer kompletten Innendämmung und Montage neuer Heizkörper würden die Bilder verschwinden.

Versuche der Restaurierung

Ob man die Wandgemälde komplett oder Teile restauriere, könne man aber erst entscheiden, wenn es ein Konzept gebe und die Kosten feststehen. Erste Versuche eines Restaurierungskonzepts mit Putzergänzungen wurden aber bereits gemacht. „Dort waren Löcher in der Malerei und im Putz, die geschlossen werden mussten, um den Bestand zu sichern“, erläutert Fahrbach-Dreher. „Diese Flecken werden in der Farbe des Hintergrundes ergänzt, damit die Fehlstellen nicht so störend wirken“, so die Denkmalpflegerin. Die Bemalung aus der Amerikanerzeit bleibe an einer Stelle als Dokument erhalten.

Redaktion Chefreporter

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