Mannheim. Wenn Kinder sich trauen, ihre Wünsche vor einer großen Versammlung vorzutragen, wenn sie dem zustimmend applaudieren, was Erwachsene zu ihren Anliegen gesagt haben, wenn sie präzise Rückfragen stellen und wenn Erwachsene am Ende tatsächlich einen Vertrag unterzeichnen, geschieht das nicht von selbst, da ist im Vorfeld einiges gründlich vorbereitet worden. Die Akteure von 68Deins!, des Kinder- und Jugendbüros des Stadtjugendrings und der Stadt hatten die Stadtteilversammlung für Kinder und Jugendliche organisiert. Diesmal ging es um Bedürfnisse junger Menschen auf dem Luzenberg und in Waldhof West.
Zielorientierte Gespräche mit Politikern und Fachleuten
In Schulen, Kitas und Treffs war im Vorfeld erarbeitet worden, welche Änderungen Kinder im Stadtteil notwendig finden. Als die Erwachsenen am Veranstaltungsort eintrafen, waren an diesem Spätnachmittag die Kinder schon in zwei Gruppen am Diskutieren. In der einen ging es um Spiel- und Sportplätze, in der anderen um eine kinder- und jugendgerechte Stadt. Knapp 50 Kinder, teilweise mit ihren Betreuern, teilweise mit ihren Eltern, brachten sich ins Gespräch ein. Die Moderatorinnen von 68Deins! notierten die Äußerungen, ordneten sie und hefteten sie in Stichworten auf die Pinnwände. Immer wieder fragten sie: Haben wir noch was vergessen, wollt ihr noch was hinzufügen?
Genaues Augenmerk auf die Kinderinteressen und immer den Überblick behalten - die Akteure von 68Deins! agierten souverän. Die Versammlung war perfekt durchgestaltet: Vorbereitung der Präsentation in zwei Gruppen mit den Kindern, anschließend Begrüßung und Erklärung des Ablaufs im Plenum. Dann ging es wieder in die zwei Gruppen, wo die Kinder vor den Gleichaltrigen und Erwachsenen vortrugen, was zuvor abgesprochen war. Unterstützend standen die Moderatorinnen ihnen zur Seite, fassten noch mal zusammen und stellten die notwendigen Bezüge her, wo sie nicht von vornherein klar waren.
Parteiengrenzen spielten keine Grenzen, es ging allein um das Wohl der Kinder
Inzwischen wurde an die aktuellen Bedürfnisse der Kinder gedacht: Für sie gab es Pizza und eine Auszeit. Währenddessen diskutierten die Stadt- und Bezirksbeiräte und Fachleute aus der Verwaltung in zwei Gruppen das, was die Kinder vorgetragen hatten. Parteiengrenzen spielten hierbei überhaupt keine Rolle, das war wohltuend. Es ging allein um die Interessen und das Wohl der Kinder, und man war sich relativ schnell einig über sinnvolle Maßnahmen.
Die Kommunalpolitiker und Fachleute redeten kein Politik- oder Verwaltungsblabla
In der Abschlussrunde wurden konkrete Anliegen konkreten Personen zugeordnet. Hier zeigte sich, wie präzise die Moderatorinnen die Übersicht behalten hatten. Wie am Schnürchen bekam ein Stadtvertreter nach dem anderen das Mikro in die Hand gedrückt. Punktgenau stand immer exakt die Stellwand mit den Gesprächspunkten hinter ihnen, auf die sie sich bezogen. Sie mussten erläutern, welche Maßnahmen sie in die Wege leiten wollen, um einer bestimmten Bitte der Kinder gerecht zu werden. Die Sorgfalt blieb erhalten in der stetigen Rückfrage an die Kinder: Wie findet ihr das? Seid ihr einverstanden?
Die Kommunalpolitiker und Fachleute redeten kein Politik- oder Verwaltungsblabla. Beeindruckend, wie das Setting auch auf die Erwachsenen disziplinierend wirkte. So wie hier würde man sich politische Rede in so manchem Gremium wünschen: sachbezogen, zentriert auf die betroffenen Menschen und in verständlicher Sprache. Die Kinder applaudierten ein ums andere Mal.
Tatsächlich gewann der Beobachter den Eindruck, dass hier ein Interessenstransfer glückte. Dabei spielte auch die Raffinesse eine Rolle, die Kommunalpolitiker nicht im Unverbindlichen zu belassen. Es waren Papiere vorbereitet mit dem, was die Kinder geäußert hatten. Die Politiker durften handschriftlich ihre Gedanken dazu eintragen - anschließend mussten sie das Schriftstück als Vertrag unterschreiben.
Wichtig auch: Die jungen Menschen machten die Erfahrung, dass Politiker der Stadt ihnen zuhörten und Antwort gaben. Gleichzeitig wurden Zusammenhänge erklärt. Wenn etwa die Erfüllung einer Bitte sehr viel Geld kostet, steht dieses Geld in einem anderen Stadtteil nicht zur Verfügung - aber da sind auch Kinder mit Bedürfnissen, deren Erfüllung Geld kostet.
Wichtiges Signal: Eine Lösung in naher Zeit ist absehbar
Wenn man miteinander redet, tun sich auch unerwartete Möglichkeiten auf. Beim Bedarf nach mehr Bewegungsmöglichkeiten war das Stichwort Zirkus gefallen. Michael Nied (Jugendhaus Waldpforte) wies auf den Kinderzirkus Trolori in der Wilhelm-Busch-Schule hin. Das ist zwar kein Angebot im Stadtteil Luzenberg, aber von dort mit der Straßenbahn nur drei Stationen entfernt. Von dieser Möglichkeit könnten Kinder also bereits in naher Zeit profitieren. Das war ein wichtiges Signal angesichts eines Umstandes, der bei Kindern besonders schwer wiegt: Für ein Entscheidungsgremium wie einen Gemeinderat ist ein Jahr relativ überschaubar, für die Jüngsten der Gesellschaft eine sehr lange Zeit.
Für die Kinder vom Luzenberg (und Waldhof West) gilt, den Vorschlag von Michael Nied zu nutzen und Theater zu machen. Und für die Jugendlichen des Stadtteils öffnet Ende Juli der Jugendtreff Luzenberg endlich. Da wird es eine Menge Freizeitangebote geben.
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