Mannheim. Der Stinkkanal entlang des Altrheins und der Sandhofener Riedspitze soll sauberer werden, fordert das Umweltforum. Der Dachverband von 18 Mannheimer Umweltschutzverbänden setzt sich dafür ein, dass zukünftig nur noch weniger belastete Abwässer der Papier- und Zellstofffabrik Essity in den Rhein eingeleitet werden dürfen.
Zur Begründung verweisen die Umweltschützer auf den Klimawandel: Dadurch, so heißt es in einer Stellungnahme des Forums, „nehmen Zeiten mit extrem niedrigen Wasserständen zu. Der ohnehin nur mäßige ökologische Zustand des Rheins wird dann noch weiter verschlechtert. Auch sollten Abwassertemperaturen von mehr als 30 Grad besser für den Ausbau von Nahwärmenetzen genutzt werden, wie es die kommunale Wärmeplanung vorsieht. Wärmeenergie hier weiter ungenutzt in den Rhein zu leiten, ist in Zeiten der Energiewende und hoher Energiepreise absurd.“
Anlass dieser Forderungen ist das Bestreben von Essity, vom Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe die Verlängerung ihrer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von Abwässern als sogenannte gehobene Erlaubnis für mindestens 25 Jahre zu bekommen. Damit, so das Umweltforum, sollen die Abwassereinleitrechte langfristig gesichert und nicht mehr durch Dritte angreifbar werden.
In dem wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren findet am Montag, 8. Juli, ein nichtöffentlicher Erörterungstermin beim Regierungspräsidium in Karlsruhe statt. Bei diesem Termin tragen Antragsteller - also Essity - und Einwender - also das Umweltforum - ihre Argumente und Kritikpunkte vor. Die Behörde muss diese dann überprüfen und abwägen und in ihre förmliche Erlaubnis nach baden-württembergischem Wassergesetz einfließen lassen.
Belastungen liegen laut Essity deutlich unter EU-Grenzwerten
Auf Nachfrage dieser Redaktion betont Essity, dass seit Jahren in Mannheim eine „möglichst weitreichende“ Abwärmenutzung erfolge. Die vom Umweltforum geforderte Fernwärmenutzung käme nicht in Frage, da der Betrieb halbjährlich zwingend stillstünde. Der Hersteller von Papierprodukten wie Küchen- und Taschentücher räumt zwar ein, dass durch Einführung neuer Technologien eine zeitweise höhere Schadstoffbelastung des Wassers nicht ausbleibe. Man liege bei den Belastungen deutlich unter den Grenzwerten der Europäischen Union (EU). Die Trinkwasserversorgung sei nicht beeinträchtigt. Generell sei eine Beeinträchtigung des Gewässers ausgeschlossen. Dies, so Essity, habe ein Fachgutachten ergeben.
Zudem habe außer dem Umweltforum niemand sonst Einwände gegen die Weiternutzung des Kanals erhoben. In dem förmlichen Erlaubnisverfahren werden allen beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen, sowie der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, sich zur Neuerteilung der Einleitungserlaubnis zu äußern. Diese Einwendungsfrist endete bereits am Montag, 29. April. Das wasserrechtliche Verfahren ist nicht der erste Anlass, dass Kritik vom Umweltforum an Essity kommt: Bereits 2021 bemängelte das Forum die Nutzung von Stroh für Toilettenpapier. Essity brachte diese Neuerung auf den Markt, produziert in Mannheim.
Neben Standorten in Neuss, Witzenhausen und Mainz-Kostheim ist Mannheim Essitys größter Produktionsstandort in Europa. Mit ungefähr 2000 Mitarbeitern produziert das Unternehmen in Sandhofen rund um die Uhr Tempotaschentücher. Auch das bekannte Haushaltstuch Zewa entsteht in den Mannheimer Fabrikhallen. Zuvor liefen hier vor allem Eigenmarken für Supermarkt und Discounter über die Fließbänder. Diese sogenannten Handelsmarken stelle nun die Neusser Fabrik her.
Der Kanal leitet das Abwasser an Sandhofen vorbei in den Rhein
Im Norden des Sandhofener Industriegebiets verläuft der Abwasserkanal parallel zur Sandhofer Straße über die Riedspitze bis zur Nato-Rampe. Erbaut wurde der Kanal zu Beginn des 20. Jahrhunderts, um die Abwässer der Papier- und Chemie-Industrie am Altrhein entlang in den den Rhein zu leiten, wo sie von der Strömung des Flusses verwirbelt und verdünnt werden.
Jahrzehntelang stank es so heftig aus dem Kanal, dass von Brechreiz, Übelkeit und Kopfschmerzen bei den Bewohnern in der Umgebung berichtet wird. Die zumeist farbigen Abwässer aus dem Stinkkanal mit ihren Schaumstreifen waren bis in die 1960er und -70er Jahre hinein oftmals auf dem Rhein unterhalb Sandhofens zu sehen, wie Zeitzeugen berichten. Die Zustände am Stinkkanal haben sich längst wesentlich verbessert, die Abwässer der Papierindustrie werden in einer Kläranlage gereinigt, so dass sie keinen Vergleich mehr darstellen zu den früheren Zeiten , in denen der Stinkkanal seinen Namen bekam. (mit lang)
Zur ausführliche Stellungnahme des Umweltforums geht es hier.
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