Mannheim. Buffets, Kommoden, Bücherbords – sie stehen an der Wand, um Platz für Tische, Stühle, Musikerpodest und eine Essenszeile zu schaffen: Schließlich feiert Fairkauf, Mannheims „größtes Wohnzimmer“ und wegweisender Inklusionsbetrieb der Caritas, 25-Jähriges. Die Erfolgsgeschichte würdigt der einstige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in einer Festrede mit Blick auf Herausforderungen.
Fairkauf – dieser Name ist Programm. Entsprechend des Wortsinnes „ehrlich, gerecht, angemessen, schön“ reifte Mitte der 1990er – damals stiegen Arbeitslosenzahlen – die Idee, mit einem Sozialkaufhaus Männer und Frauen, die bei der Jobsuche scheitern, in Lohn und Brot zu bringen und gleichzeitig für Menschen mit kleinem Geldbeutel gut erhaltene (gespendete) Konsumgüter günstig anzubieten. Der damalige Caritas-Chef Franz Pfeifer erinnert sich an Verhandlungen mit Sozialamt und Arbeitsagentur rund um Programme wie „Arbeit statt Sozialhilfe “ und „ABM“ (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Außerdem bot auf dem Waldhof eine ehemalige Bopp & Reuther-Fabrikhalle die passende Örtlichkeit.
„Wir haben mit nichts losgelegt“, blickt Karlheinz Moll, zurück. Er hatte bei dem Messtechnik-Unternehmen B & R seine Stelle verloren und baute mit Mitte Fünfzig den Sozialbetrieb auf, den er bis zu seinem 67. Geburtstag leitete: „Anfangs machten wir vor allem Wohnungsauflösungen und Umzüge, sogar bis nach Schweden“. Und Katharina Wilczarski , seit 1997 (zunächst mit befristetem ABM-Vertrag) dabei, schildert anfängliches Improvisieren: „Ich hatte nur eine Kasse, aber kein Telefon.“ Inzwischen leitet sie das Büro, ist für Aufträge rund um Wohnungsauflösungen zuständig.
Fairkauf
- Fairkauf ist gemeinnützige GmbH und Tochter des Mannheimer Caritasverbandes. Das Secondhand-Kaufhaus (Carl-Reuther-Straße 2 , Ruf 0621 / 12 85 08 50) integriert Menschen mit Behinderung und Langzeitarbeitslose in die Berufswelt.
- Zur Finanzierung tragen Sachspenden wie Kleidung, Hausrat, Spielzeug bei, außerdem Lohnzuschüsse aus dem Pool von Ausgleichabgaben, die Firmen leisten müssen, wenn sie keine Behinderten beschäftigen.
- Fairkauf hat in B 2,10 eine Boutique eröffnet, um seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Beim Inklusionsbetrieb Fairkauf bekommen psychisch kranke und körperlich behinderte Männer und Frauen, rund 40 Prozent der Belegschaft, außerdem Langzeitarbeitslose, die Chance, eigenes Geld zu verdienen. „Menschen sollen sich wieder etwas zutrauen“, sagt Betriebsleiter Dominik Kobel und erzählt von einem gehörlosen Mitarbeiter im Bereich Transport, der so viel Selbstsicherheit gewonnen hat, dass er inzwischen bei einem Logistikunternehmen beschäftigt ist.
Zu den Fairkauf-Besonderheiten gehört, dass die Geschäftsführung ehrenamtlich geleistet wird. So hat der Ex-Großmarktchef Manfred Spachmann nach seiner Pensionierung für ein „Vergelt´s Gott“ Manageraufgaben übernommen. „So ein Sozialkaufhaus ist komplett anders, als ich mir dies vorgestellt habe“, verrät er. Außerdem führt Stefanie Paul neben ihrer Tätigkeit als Caritas- Abteilungsleiterin ehrenamtlich die Geschäfte des Inklusionsbetriebes. „Freude, schöner Götterfunke“ intonieren die drei Lewczuk-Geschwister als musikalisches Thema des „Jubi-Abends“. Er wisse zwar nicht so genau, wie er zu der Einladung gekommen ist, erklärt Festredner Peer Steinbrück.
Aber angesichts der Infos über Fairkauf habe er beschlossen, seine Zugreise von München nach Bonn in Mannheim zu unterbrechen. Der 75-jährige Sozialdemokrat mit Politkarriere leuchtet launig wie aufrüttelnd Herausforderungen vor Ort und in der Welt aus und mahnt: Zur Lösung aktueller Probleme müsse auch und gerade die Zivilgesellschaft beitragen. Der Caritas zollt Steinbrück „Respekt“ – weil diese mit innovativen Projekten „mehr tut, als das Pflichtenbuch vorschreibt“ . Die Präsidentin des katholischen Wohlfahrtsverbandes Eva Maria Welskop-Deffaa betont, dass Fairkauf Sozialarbeit und Klimaschutz verknüpft: Schließlich sorge das Secondhand-Kaufhaus dafür, dass gebrauchte Konsumgüter erneut in den Warenkreislauf münden. „Damit tragen wir zur Bewahrung der Schöpfung bei“, so die Mannheimer Caritas-Chefin Regina Hertlein. Sie verhehlt nicht, dass so manches Jahr umgetrieben hat, wie es bei Fairkauf finanziell weitergeht.
Dass bei dem Integrationsbetrieb der Mensch im Mittelpunkt steht und damit Zusammenhalt stärkt, würdigt Stadtrat Thorsten Riehle, der Glückwünsche des Oberbürgermeisters überbringt. Dann sind der Worte genug gewechselt – jedenfalls am Mikrofon. An den Tischen reden alle weiter, natürlich über Fairkauf.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Sozialkaufhaus Fairkauf: Wertschätzen schöpft Werte