Sie haben die Pestalozzischule besucht, als Hitler Deutschland regierte: Ehemalige Schüler berichteten von einer Zeit, die geprägt war von disziplinarischer Strenge in der Schule, vormilitärischem Drill und Ängsten der Kinder während des Krieges. Im Rahmen der 100 Jahr-Feier der Pestalozzischule hatten die Klassen 2b und 9b sechs Schüler der Jahrgänge 1929/30, die von 1936 bis 1943 die Pestalozzischule besuchten, zum Gespräch eingeladen.
Aus allen ist etwas geworden
Tabitha de Simone, Daniel Flavius Isfanut und die anderen Schüler wollten wissen, wie es war damals in der Schule und ihre Kindheit in der Schwetzingerstadt während des Krieges. In einer angeregten Gesprächsrunde, die die beiden Klassenlehrer Kerstin Lessing und Klaus Häublein mit Unterstützung der Aktionsgemeinschaft der Gewerbetreibenden Mannheim Ost e.V. (ADG) organisiert hatten, berichteten Günther Heine, Gerhard Weber, Friedrich Fiedler, Günther Schön, Reinhold Kögel und Werner Reiser aus ihrer Schülerzeit.
Damals wurden Jungen und Mädchen in der Pestalozzischule noch getrennt voneinander unterrichtet, wie ein Klassenfoto aus dem Jahre 1940 zeigte. Im Unterricht regierte der Rohrstock. Aber auch das Ziehen am Ohr mit anschließender Backpfeife von Kaplan Eiermann ist noch in schmerzlicher Erinnerung. Unvergessen auch die Seidenraupenzucht von Lehrer Grimm zur Herstellung von Fallschirmen während des Krieges. Wegen Fliegeralarms sei der Unterricht häufig ausgefallen. "Und trotzdem ist aus uns allen was geworden, da könnt ihr mal sehen, wie schlau wir sind", meinten die ehemaligen Schüler mit Augenzwinkern. Nachmittags mussten die Jungen in Uniform hinter der Christuskirche aufmarschieren. Für die kindliche Seele der Schüler, die gleichzeitig zum Unterricht in die Heilig-Geist-Kirche kommen sollten, ein belastender, unlösbarer Gewissenskonflikt.
Die ersten Bomben fielen. Schrecklich war's, erzählte Günther Schön, der im Keller des Waisenhauses der Jesuitenkirche in N 4 einen Splitterbombenangriff erlebte. Zum Glück gab es in Mannheim im Gegensatz zu anderen Städten viele Bunker, zum Beispiel unter der Kunsthalle. Als die Jungen nach den Angriffen wieder raus durften, war alles zerstört, auch die Wohnhäuser und Geschäfte der Eltern in der Schwetzingerstadt. Die Familien wurden in Notunterkünften untergebracht, oft mit mehreren Personen in einem Zimmer. Am 9. September 1943 wurde auch die Pestalozzischule durch eine Bombe zerstört. Und so mussten die Jungen ihren Schulabschluss in einer kleinen Schule im Elsass machen.
1952 wurde die Pestalozzischule wieder aufgebaut, doch ohne den schönen Turm, was die ehemaligen Schüler sehr bedauerten. Die gemeinsame Schulzeit schweißte zusammen, Noch heute treffen sich neun der einst 33 Schüler jeden Montag zum Boulespielen. Bei belegten Brötchen und Getränken, gespendet von Una und Bernd Hillesheim (ADG), nutzten Ehemalige, Schüler und Lehrer die Gelegenheit zum Gedankenaustausch.
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