Lesung

Was der Bücherei-Freundeskreis in Mannheim-Schönau nach dem Tod seiner Gründerin auf die Beine stellt

Es war der dreizehnte Literaturabend des Freundeskreises der Stadtteil-Bibliothek in Mannheim-Schönau, und der erste, nachdem Gründerin Johanna Schmidt verstorben war. Wie der Abend ablief und wie an Schmidt erinnert wurde

Von 
Johannes Paesler
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Ulrich Wellhöfer (l.) und Andreas Rath-geber auf der Schönau. © Johannes Paesler

Schönau. Jeden Herbst lädt der Freundeskreis der Stadtbibliothek Schönau zu einem Literaturabend ein. Gründungsmitglied und 2. Vorsitzende Johanna Schmidt war im Sommer überraschend mit 87 Jahren verstorben. Dieser Abend – der dreizehnte seiner Art – war der erste, der ohne sie stattfinden musste. Ihrer wurde mit einem Nachruf durch Elisabeth Weingärtner gedacht.

Eingeladen worden war zu einer musikalisch-literarischen Reise quer durch Europa mit Andreas Rathgeber an den Instrumenten (hauptsächlich Akkordeon) und Verleger Ulrich Wellhöfer „an den Büchern“. Sie hatten sich ein ehrgeiziges Projekt vorgenommen und bezogen ihr Publikum zu Beginn ein durch die Frage, wie viele Länder Europa denn eigentlich habe. Dass es 49 sind, war der Grund für ein Bücherregal nicht geringer Größe zwischen den beiden Akteuren auf der Bühne. Ein schwerer Part für den Musiker, der im Vorfeld ein halbes Hundert Melodien, Musikstücke und Lieder finden musste. Doch selbstverständlich wusste er sich aus der Affäre zu ziehen und unterlegte manchmal sogar eine gesprochene Passage mit einer klingenden Phrase. Wellhöfer bediente sich bei der Auswahl des jeweiligen Landes einer kleinen Lottomaschine.

Unterhaltsame Quizrunden in Sachen Buch-Klassiker

Da tritt manchmal auch Unglückliches zutage. Das hatte der Verleger einkalkuliert. Ungerührt präsentierte er mehrere Bücher als ausdrückliche Nicht-Empfehlungen, etwa eines aus Montenegro, erschienen 1935, das sich beim Lesen als rassistisch, ja nazistisch entpuppt hatte. „Literatur kann gefährlich sein“, war das Fazit. Sehr unterhaltsam dagegen war die Einleitung zu einer von mehreren Quizrunden. In Florian Illies‘ „Liebe in Zeiten des Hasses“, in denen dieser von den berühmtesten Liebespaaren der europäischen Kulturgeschichte erzählt, geht es um die Szene in einem Pariser Café, in dem ein Student auf sein erstes Date wartet. Es erscheint aber die Schwester der Ersehnten. Auf seine erstaunte Frage, wie sie ihn unter den vielen Menschen ausfindig gemacht habe, antwortet sie: „Meine Schwester sagte mir, Sie seien von kleiner Statur, trügen eine Brille und seien hässlich.“ Eine Zuhörerin im Publikum erriet, um wen es sich handelte: Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre bei ihrer ersten Begegnung.

Als literarische Perle aus insgesamt neun Ländern entpuppte sich unter anderem „Faule Kredite“, der erste Roman von Petros Markaris, der Wellhöfer zu weiteren Ausführungen über den Autor und Griechenland animierte. Anhand von Tijan Sila, „Radio Sarajevo“ (Bosnien und Herzegowina), erfuhr der Zuhörer, wie groß die Sprache eines Romans werden kann. Er beschreibt den Beginn eines Krieges mit den Sätzen: „Alle Alarmanlagen der Straße waren in Panik, ich aber nicht. Noch nicht.“

Diemut Kreschel, die neue Leiterin der Bibliothek, dankte Rathgeber und Wellhöfer für den unterhaltsamen Abend. Das Publikum applaudierte herzlich und anhaltend. Nach manch ernstem Thema endete der Abend mit heiteren irischen Segenswünschen. Rathgeber antwortete mit einer perlenden irischen Melodie auf der Tin Whistle.

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