Rheinau. Seit 1990 gibt es das Stadtteilfest auf der Rheinau. Und von Anfang an wird es jeweils vom Oberbürgermeister eröffnet. Gerhard Widder und Peter Kurz halten es so, auch Christian Specht nach seiner Wahl im vergangenen Jahr. Es braucht also einen gewichtigen Grund für einen Rathauschef, zu diesem Anlass auf der Rheinau zu fehlen. Den hat Specht diesmal aber: Am Tag der Fest-Eröffnung am Samstag feiert er Geburtstag. An seiner Stelle kommt Bürgermeister Ralf Eisenhauer. Und auch er findet die richtigen Worte.
Die werden erwartet. Nachdem der Bürgersaal im städtischen Nachbarschaftshaus mehrmals von der AfD als Veranstaltungsstätte genutzt wird, setzt der Gemeinnützige Verein Rheinau, die Dachorganisation des Vorortes, bei seinem Stadtteilfest ein Zeichen: „Rheinau ist ein lebendiger, lebhafter, vielfältiger und bunter Stadtteil“, macht der Vorstand bereits im Vorfeld deutlich.
Festzug steht ganz bewusst unter dem Motto „Gelebte Vielfalt“
Ganz bewusst etwa gibt er dem Höhepunkt seiner Veranstaltung, dem großen Festumzug am Sonntagmittag, daher das Motto „Gelebte Vielfalt“. „Nach den unsäglichen politischen Aktionen, denen die Rheinau in den letzten Monaten ausgesetzt war, möchten wir zum Umzug Rheinau bunt und vielfältig zeigen“, betont der Vorstand im Vorfeld.
Wie bunt und vielfältig die Rheinau ist, das zeigt sich bei der Eröffnungsfeier, an der trotz Hitzetemperaturen von gut 33 Grad zahlreiche hochrangige Vertreter der Politik teilnehmen, an der Spitze mit Isabel Cademartori (SPD) und Melis Sekmen (CDU) gleich zwei Abgeordnete des Bundestages. Kinder der Rheinau-Grundschule und der Konrad-Duden-Schule umrahmen nämlich die Eröffnungsfeier musikalisch.
Auch die Kirchen werben für das Motto des Stadtteilfestes
Im Ökumenischen Gottesdienst am Sonntag, geleitet von der katholischen Gemeindereferentin Melanie Gutjahr und dem evangelischen Pfarrer Hansjörg Jörger, stellen sich auch die Kirchen hinter das Ziel „Buntheit“: „Buntheit ist besser als Einfarbigkeit“ formuliert Pfarrer Jörger: „Alle Versuche, Menschen einzuteilen und zu trennen, sind künstlich und nicht richtig. Vielfältigkeit ist von Gott so gewollt.“
Vom Repräsentanten der Stadt gibt es für die Veranstalter des Festes ein dickes Lob für dieses Bekenntnis zur „bunten Rheinau“: „Rheinau und Mannheim sind geprägt von ganz verschiedenen Menschen“, sagt Ralf Eisenhauer: „Das macht den Reichtum Rheinaus und Mannheims aus.“ Gleichzeitig stellt er fest, „dass Rassismus und Ausgrenzung nicht auszurotten sind“, so der Bürgermeister: „Ihr Fest ist dagegen ein ganz tolles Zeichen“, lobt er.
Auch die Stadt Mannheim tue viel, um die Lebensqualität in Rheinau weiter zu verbessern. Als Beispiel nennt Eisenhauer den jüngst eingeweihten Mehregenerationenspielplatz, in den 2,1 Millionen Euro investiert wurden: „Eine gute Investition.“ Ebenso wie die mehr als zwei Millionen Euro für die energetische Sanierung des Parkschwimmbades, für die es einen Bundeszuschuss von 1,6 Millionen Euro gibt: „Um die Urkunde über diesen Zuschuss abzuholen, bin ich gerne kurzfristig nach Berlin gefahren“, schmunzelt er.
Schließlich die angedachte Verbesserung des Schulweges vor der Rheinauschule, die vor kurzem ihren 120. Geburtstag feierte. Den Diskussionsprozess über dieses Thema würdigt der Bürgermeister als „tollen Ablauf“. Insofern hofft er, Baumaßnahmen umsetzen zu können, „die den Schulweg noch sicherer machen.“ Allerdings setzen bundesweit geltende Vorschriften dem gewisse Grenzen. Auch in die Gerhart-Hauptmann-Schule wird investiert.
Die Rheinauer hören das gerne, doch völlig wunschlos glücklich sind sie damit nicht. Andreas Schäfer, Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins, und Christiane Rudic, die Leiterin des Quartiermanagements, überreichen Eisenhauer einen Turnbeutel – „mit Hausaufgaben, die im neuen Schuljahr zu erledigen sind.“
Und da gibt es einige. „Wir brauchen eine Toilette auf dem Mehrgenerationenspielplatz“, sagt Rudic unter heftigem Beifall des Publikums: „Sie muss ja nicht so teuer sein wie geplant.“ Schäfer nennt die Ruine des Alten Relaishauses: „Würde sie auf den Planken stehen, würde seit fünf Jahren niemand mehr darüber sprechen müssen“, sagt er.
„Ich habe selten Aufgaben so freundlich und humorvoll aufgegeben bekommen“, pariert Eisenhauer konziliant. Zumal er beim letzten Thema, dem Relaishaus, nicht anders denkt als die Rheinauer: „Sie glauben gar nicht, wie mich das nervt“, bekennt er. Die Stadt habe jedoch bereits „alles, was sie an Werkzeugen hat, ausgepackt“, betont der Baudezernent. Doch nun stößt sie an die Grenzen des Eigentumsrechtes, das in Deutschland einen hohen Stellenwert genießt: „Wir brauchen eine andere Rechtsprechung“, fordert er. Etwas Hoffnung macht ihm ein Gesetzesentwurf der SPD im Bundestag, der einen Zugriff auf Eigentum vorsieht, sofern der Eigentümer es bewusst verrotten lässt. „Allerdings ist derzeit keine Mehrheit im Bundestag erkennbar.“
Welche Dynamik derzeit dennoch durch die Rheinau geht, das zeigt sich bereits am Abend zuvor bei der kleinen Eröffnung in Anwesenheit von Kultur- und Wirtschaftsbürgermeister Thorsten Riehle. Rudic und ihr Kollege Paul Wenzel vom Quartierbüro stellen die Akteure des Projektes StadtWandKunst vor, die erstmals auch auf der Rheinau aktiv sind. Die Seitenfront des nahen Volksbank-Gebäudes zeigt bereits ein erstes Gemälde unter dem Motto „Fest“ (siehe Artikel im Kultur-Teil).
Info: Drei Fotostrecken unter mannheimer-morgen.de/rheinau
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/rheinau-hochstaett_artikel,-rheinau-hochstaett-wie-der-zweite-tag-des-stadtteilfestes-mannheim-rheinau-lief-_arid,2227234.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html