Fotoprojekt

Mannheim-Herzogenried in grobkörnigem Schwarz-Weiß

Riesige Wohnblocks, wuchernde Grünanlagen, gesehen durch durch analoge Einweg-Kameras: So funktioniert das Kulturprojekt Art Walks, Art Talks, bei dem Jugendliche den Mannheimer Stadtteil Herzogenried porträtieren

Von 
Katja Geiler
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Art Walks, Art Talks: Kunstspaziergang mit Gespräch durchs Herzogenried. © Katja Geiler

Herzogenried. Einmal quer durch den Stadtteil und dabei immer darauf achten, ob es Eindrücke gibt, die man mit der Einwegkamera festhalten möchte - so lautet die kurze Zusammenfassung für das Projekt Art Walks, Art Talks von den Brüdern Emre und Yasin Yazar und Aliyah Omar. Auf mehreren Fotowalks konnten Jugendliche den Stadtteil aus ganz neuen Perspektiven kennenlernen. Die Ergebnisse der Walks sind nun in einer Ausstellung im Kulturpoint Herzogenried zu sehen.

Unterstützt wurde das Projekt vom Quartiermanagement und der GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft. Vor der Vernissage hatte das Künstlerkollektiv Anwohner zu einem Walk eingeladen, im Herzogenried waren die auffälligen „Art Walks“-Plakate an vielen Stellen zu sehen. Treffpunkt war der Bücherschrank am Brunnengarten, wo sich außer den Künstlern, den Vertretern der GBG, des Bürgervereins und des Quartiermanagements auch Interessierte einfanden.

Auch die Jugendlichen Emre Saribas und Hüseyin Güner, die bei den vorherigen Fotowalks mitgewirkt hatten, waren mit dabei und zeigten die Stellen, die sie inspiriert hatten, Bilder zu knipsen - ja, genau, knipsen, alles analog. Doch auch Leute, die schon etwas älter waren als die Jugendlichen, kamen zum Walk. „Das Projekt ist generationsübergreifend, außerdem kamen zu den vorherigen Walks auch Jugendliche aus anderen Stadtteilen und aus Ludwigshafen“, sagte Emre Yazar. Werbung für die Walks haben die Künstler gemacht, indem sie die Jugendliche in der Integrierten Gesamtschule Herzogenried (IGMH) ansprachen. „Die Schule spielt eine große Rolle wegen der Mundpropaganda“, meinte Yasin Yazar.

Ausstellungen

  • Die Ausstellung Art Walks, Art Talks ist noch bis zum 7. November im Kulturpoint am Haupteingang des Herzogenriedparks zu sehen, geöffnet nach Absprache unter 0178/3 14 69 56.
  • Die Ausstellung Notizen und Linien von Emre und Yasin Yazar ist ab sofort während der Lichmeile und bis Samstag, 26. Oktober zu sehen im Alten Volksbad, Mittelstraße 42, siehe Öffnungszeiten der Einrichtung. 

 

Der Weg führte die Gruppe eine Treppe zu Maisonette-Häusern hinauf, deren Hinterseite unscheinbar und abweisend wirkt, während sie sich nach vorne in Terrassen hin ins Grüne öffnen. Überhaupt ist der Herzogenried voller Gegensätze, riesige Wohnblocks werden unterbrochen von wuchernden Grünflächen, Parkanlagen, Schrebergärten und natürlich dem Herzogenriedpark. Manche der Graffitis, die die Jugendlichen fotografiert haben, sind inzwischen überstrichen - doch sie existieren noch als Foto an der Wand im Kulturpoint. „Graffitis sind Teil der Jugendkultur. Wir haben durch die Jugendlichen gelernt, was die Zeichen bedeuten“, so Emre Yazar. Beliebt ist zum Beispiel die Postleitzahl als Identifikation mit dem Stadtteil, im Herzogenried wäre das die Nummer 169.

Die Jugendlichen Emre und Hüseyin schilderten, an welchen Orten sie sich gerne aufhalten. Aus dem Jugendhaus sind sie herausgewachsen: „Es wird auf Dauer langweilig.“ Dafür wurde ein ehemaliger Spielplatz zu einem beliebten Treffpunkt bei Jugendlichen: „Die Spielgeräte wurden entfernt, jetzt hängen die Kids dort ab.“

Auch der Kulturpoint ist sehr beleibt bei Jugendlichen. „Emre und Yasin Yazar standen vor einem Jahr vor der Tür des Quartiermanagements, sie würden gerne ein Kunstprojekt machen. Wir haben den Bürgerverein mit an Bord geholt“, sagte Steffen Gassenferth, Quartiermanager Herzogenried, als die Gruppe den Kulturpoint erreicht hatte. „Wir haben das Projekt bei der GBG eingereicht und den zweiten Platz beim Förderpreis belegt, auch vom Bezirksbeirat Neckarstadt Ost kam Unterstützung. Im Herzogenried leben 7500 Menschen, davon 1300 Jugendliche und Kinder. Uns war es wichtig, zu erfahren: Wie ist der Stadtteil für euch?“

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Die Bilder der Ausstellung sind komplett in Schwarzweiß gehalten. Die analoge Fotografie gibt ihnen eine grobkörnige Struktur, was sie fast nostalgisch aussehen lässt, wie aus einer alten Zeitung. Die Bilder schaffen eine spannende Distanz zur modernen, digitalen Fotografie, an die sich das Auge schon lange gewöhnt hat. Auf den Bildern ist genau der Weg wiederzuerkennen, den die Gruppe vor der Vernissage gelaufen ist. Oft sind die Jugendlichen selbst auf den Bildern zu sehen, doch niemals für ein Gruppenbild aufgestellt, sondern aus ungewohnten Perspektiven. Ein Bild, das Emre Saribas gemacht hat, zeigt den Teil eines Autoschildes mit „TR“ für die Türkei und der Zahl 42. „Das ist die Postleitzahl meiner Heimatstadt Konya. Ich mag die Zahl, ich habe immer was mit 42“, so Emre.

Freie Autorin Ich schreibe für alle Mannheimer Stadtteile und für Viernheim

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