Abschlussfest (mit Fotostrecke)

Alte Brauerei in Mannheim zeigt sich in neuem Glanz

Saniert, restauriert und modernisiert: 40 Firmen mit 200 Menschen waren an dem Bauprojekt beteiligt. Das 140 Jahre alte Gebäude verbindet heute Wohnen und Arbeiten. Seine Vergangenheit offenbart sich unterirdisch

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Alte Brauerei in Mannheim-Wohlgelegen zeigt sich in ihrem 140. Bestehensjahr in neuem Glanz. © Hermann/www.brauerei162.de

Mannheim. Sandsteine samt Klinker vermögen zu funkeln, wenn sie Teil eines Juwels sind. Und ein solches ist die im Wohlgelegen angesiedelte Alte Brauerei. Im 140. Jahr ihres Bestehens präsentiert sie sich in neuem Glanz : saniert, restauriert und modernisiert mit zukunftsweisender Technik, aber im Einklang mit der Geschichte. Und von oben strahlt die Sonne, als am Samstag in dem nach historischem Vorbild rekonstruierten Innenhof, der sich schon bald in eine grüne Oase verwandeln soll, gefeiert wird.

Wer von der gegenüberliegenden Klinikum-Seite aus den Blick entlang des funktional und dennoch künstlerisch gestalteten Industrie-Ensembles mit seiner klar gegliederten Fassade und der nachempfundenen einstigen Direktorenvilla samt Ecktürmchen schweifen lässt, kann sich nicht vorstellen, dass hier in den 1980ern Bagger anrollen sollten – zur Erweiterung der Röntgenstraße. Glücklicherweise fasste Jürgen Herrmann den Entschluss, die von seinem Großvater, einem Tabakfabrikanten, für die Produktion von Zigarren erworbene Brauerei zu restaurieren und dabei den Denkmalschutz an Bord zu holen. Ein mutige wie visionäre Entscheidung, schließlich waren die durch Bomben beschädigten Gebäude nach dem Krieg nur behelfsmäßig repariert worden.

Abschlussfest

Saniert, restauriert, modernisiert - die Alte Brauerei in Mannheim

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Der jetzt abgeschlossene zweite Bauabschnitt sollte so manche Überraschung offenbaren, wie Andreas Schmucker und Matthias Schönfeld vom Architekturbüro Schmucker und Partner berichten. Eigentlich ging man davon aus, in den mittels sensibler Wasser -und Sandstrahlung von Farbanstrichen befreiten Fassaden einige tausend Kliniker- und Sandsteine austauschen zu müssen - letztlich waren es um die 30 000. Und die stammten größtenteils aus Polen von historischem Abbruchmaterial. „Jede Fuge wurde mit der Hand ausgekratzt“, so Schönfeld. Nach der Devise „außen alt, innen neu“ erfolgten Schaumglasdämmungen sowie dreifache Verglasung der Sprossenfenster.

In dem von der Mannheimer Medizin-Fakultät genutzten Hörsaal mit alten gusseisernen Stützen - dieser ist der bereits Anfang des Jahrtausends in der aufwändig sanierten ehemaligen Mälzerei entstanden - zeichnet Bauherr Jürgen Herrmann „den langen Weg“ von ramponierten Bau-Dauerprovisorien zu einem Ensemble auf, das Wohnen und Arbeiten verknüpft: Dort wo einst Bier gebraut, später Zigarren produziert und nach dem Krieg die unterschiedlichsten Mieter, beispielswiese Teppich-Frick, Zeugen Jehova, die Physiotherapeutenschule der Stadt und ein Judo-Club ihren Standort hatten, gibt es jetzt Appartements für Studierende, bis zu vier Zimmer große Wohnungen, außerdem Arztpraxen und Räumlichkeiten für Organisationen wie den NABU und das Umweltforum. Insgesamt sind 33 Wohnungen und sieben Gewerbebereiche auf 2400 Quadratmetern entstanden.

Ein Blick in die Kellerräume. © Christoph Blüthner

Videofilme geben einen Eindruck von den Herausforderungen eines Bauprojektes, an dem 40 Firmen mit 200 Menschen beteiligt waren - viele nicht nur mit Hand und Hirn, sondern auch mit Herz, wie Jürgen Herrmann zurückblickt. Und Herzblut hat vor allem der Bauherr in das Wiedererstrahlen des Familienbesitzes investiert. Das Kleinod mit großem Ausmaß würdigt Oberbürgermeister Peter Kurz als einen für die Stadtgesellschaft „wichtigen Ort der Identifikation“ . Die Verzahnung von Wohnen und Arbeiten in einem multifunktional umgewerteten Altbestand deutet er als „Fingerzeig in die Zukunft“.

Unterirdisch liegt die Vergangenheit

Während das Morgen vor uns liegt, offenbart sich Vergangenheit unterirdisch: Die eindrucksvollen alten Gewölbe-Bierkeller aus jener Zeit, als es in Mannheim noch 14 Brauereien gab, mögen zwar einige der Gäste schon besichtigt haben – aber diesmal lotsen vier Saxofon-Spielerinnen, das Quartett Famdüsax, durch die Katakomben.

Ob Schwungrad-Gruben der Dampfmaschinen, freigelegter Terrazzo-Boden mit Mosaikeinlage, eine genietete Haustür des Sudhauses, die „Kampfstoff-Schleuse" in einem Luftschutzkeller oder der 1883 im neuen Bierkeller der späteren Badischen Brauerei von Christoph Hofmann gesetzte Schlussstein - solcherart Relikte dienen als stumme und doch beredte Zeitzeugen. Aber nicht nur Denkmalschutz wird großgeschrieben – auch Naturschutz. Und so sind die Nistplätze der Mauersegler, beispielsweise hinter Dachrinnen, erhalten geblieben und mit Brutkästen am Sudhaus ergänzt worden.

Freie Autorin

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