Mannheim. Solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, tritt langsam, aber sicher aus einem Nischendasein heraus und wird vor allem für umweltbewusste Verbraucher immer interessanter. Allein in der Rhein-Neckar-Pfalz-Region gibt es mittlerweile acht solcher Betriebe, die sich auch untereinander vernetzen wollen. Jetzt bekam die Solawi Rheinau-Süd, ein kleinbäuerlicher Betrieb im Landschaftsschutzgebiet Dossenwald, zum ersten Mal Besuch von ihrem französischen Pendant, in diesem Fall von zehn Mitgliedern der AMAP Saint-Vit, am Talrand des Doubs 18 Kilometer entfernt von Besancon gelegen.
AMAP heißt „Association pour le maintien d’une agriculture Paysanne“ (Verbrauchervereinigung zur Beibehaltung der bäuerlichen Landwirtschaft). Im Prinzip ist das also eine Partnerschaft zwischen einer Verbrauchergruppe und einem Bauernhof. Die Verbraucher nehmen in Körben mit Gemüse, Obst und Eiern das ab, was auf dem Bauernhof hergestellt wird. In einem Vertrag verpflichten sich die Verbraucher, finanziell einen Teil der Produktion über einen bestimmten Zeitraum, der gemeinsam mit dem Erzeuger definiert wird, im Voraus zu bezahlen. So ähnlich funktioniert das auch bei der Solawi, wie Michael Scherer von der Solawi Rheinau-Süd erläuterte. Die Abnehmer tragen die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion und erhalten im Gegenzug die erzeugten Produkte, jeder seinen individuellen Anteil an der Ernte. Erzeuger und Verbraucher sichern sich so die Vorteile einer marktunabhängigeren Landwirtschaft und einer nachhaltigen regionalen Produktion ohne dazwischen geschalteten Handel.
Lebensmittel, die saisonal, regional, unverpackt und fair erzeugt wurden
Michael Scherer hat zusammen mit seiner Frau Kerstin die Solawi Rheinau-Süd 2022 ins Leben gerufen hat. Schon zuvor hatten die beiden sich an der Solawi Ma-Lu beteiligt. „Wir waren von der Idee überzeugt“, erzählt Scherer. Der Landwirt kann unabhängig von Marktzwängen produzieren, die Mitglieder der Solawi erhalten Lebensmittel, die nach ökologischen Gesichtspunkten saisonal, regional, unverpackt und fair erzeugt wurden.
Dass der Besuch aus Frankreich zunächst über den Hof, den die beiden 1993 übernommen haben und zu dem auch eine Pferdepension gehört, geführt wurde, steht außer Zweifel. Mittlerweile gibt es 70 Mitglieder, die sich mit etwa 110 Euro pro Monat beteiligen. Je nach Saison gibt es Obst, Eier, Gemüse oder Honig, wie die Besucher erfuhren. Manchmal liegt dem Korb auch etwas Eingemachtes oder Gebackenes - wie Brot oder Kuchen - bei. Zitrusfrüchte, Kaffee oder Getreideprodukte stammen von ähnlich strukturierten Initiativen in Italien, Mexiko oder Spanien. Inzwischen helfen in Rheinau zwei Gärtner mit. So manches kann nicht selbst angebaut werden. „Da helfen uns andere Solawis aus der Region aus“, so Scherer.
Die Eierschalen werden wieder zurückgenommen
Zweimal in der Woche ist übrigens Erntetag: „Da dürfen Mitglieder je nach ihren Fähigkeiten bei der Ernte mithelfen“, berichtet Scherer. Besonders bei der Beerenernte sei viel Handarbeit gefragt. Dienstags werde für Selbstabholer geerntet, donnerstags werden die Depots, die es in Neckarau, Friedrichsfeld, Wallstadt, Oftersheim und auf Turley gibt, beliefert. Ziel sei es immer, so wenig wie möglich zu fahren und dennoch frisch zu liefern, so Scherer. Manchmal sei es für die Mitglieder auch eine kleine Überraschung, was in den Körben geliefert wird, frei nach dem Motto: „Gegessen wird, was auf den Tisch kommt“. „Die Kunden wissen, woher die Produkte kommen und wie sie angebaut wurden“, meint Scherer. Daher brauche es für den Anbau keine Ökosiegel oder Ähnliches, weil jeder wisse, wie die Produkte entstanden sind.
Übrigens werden auch die Eierschalen wieder zurückgenommen. „Die füttern wir wieder an die Hühner, damit die ihren Kalkbedarf decken können“, erzählt Kerstin Scherer. Für die 25 Bienenvölker ist dagegen Michael zuständig. Natürlich müsse er die Varroa-Milbe und neuerdings auch die asiatische Hornisse im Auge behalten, die schweren Schaden unter den Bienen anrichten können. Gegen die Milbe gebe es ein Mittel. Die organischen Säuren Ameisensäure und Oxalsäure sind als Bekämpfungsmittel gegen die Varroa-Milbe bekannt. Die Bienen vertragen diese Säuren in geringen Konzentrationen. „Aber mit diesen Bedrohungen werden wir wohl leben müssen“, so Scherer.
Beim nächsten Besuch soll ein Freundschaftsgarten angelegt werden
Auch in der Region Kurpfalz hat die Zahl an Solawis in den letzten zehn Jahren zugenommen. Bei Aufrechterhaltung der individuellen Eigenständigkeit jedes Hofes werde aber untereinander kooperiert. „Wir stehen alle für dieselbe Idee“, so Monika Hundelt von der Solawi Rhein-Neckar. „Insofern ist es naheliegend gewesen, dass wir uns vernetzen und gegenseitig unterstützen. Wie weit wir miteinander kooperieren können, wird die Zukunft zeigen, den Willen dazu bringen wir bereits mit.“
Die Gäste aus der Nähe von Besancon erfreuten sich unterdessen unter schattigen Apfelbäumen an einem Mittagessen mit Produkten vom Hof. Am nächsten Tag stand ein Besuch des Heidelberger Schlosses auf dem Programm. Beim Besuch im nächsten Jahr ist geplant, einen Freundschaftsgarten anzulegen.
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