Flashmob - Flashmob-Aktivisten von Zeitraumexit und Ludwigshafener Hochschule rütteln Feiernde der Jungbusch-Amüsiermeile wach

Mit Schlafdecken gegen Partylärm im Mannheimer Szeneviertel Jungbusch

Von 
Christian Hoffmann
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Performance-Gruppe in der Beilstraße auf, neben der Bar „Taproom“ im Jungbusch. © Christian Hoffmann

Mannheim. Als die Dämmerung hereinbrach und sich Dunkelheit über das Viertel legte, tauchte plötzlich eine vielköpfige Performance-Gruppe unter Leitung von Zeitraumexit-Mitarbeiterin Nina Lenz in der Beilstraße auf, neben der Bar „Taproom“ im Jungbusch.

In diesem Augenblick reckten die Gäste, die an Bier- und Cafétischen der umliegenden Kneipen saßen, die Hälse im Hinblick auf die soeben erschienenen Aktivisten, die Pyjamas, Nachthemden und Schlafmasken mit Comic-Augen trugen. Anschließend rollten die Flashmob-Teilnehmer mitten auf der Straße farbenfrohe Schlafdecken aus, um sich darauf zu betten - und den erstaunten Nachtschwärmern ein scharfes „Pssst!“ entgegen zu zischen, mit dem Zeigefinger an die Lippen gelegt.

Ein lauter Smartphone-Wecker schrillte los. „Wir bekamen von den Anwohnern zu hören, dass Glasscherben auf den Kinderspielplätzen liegen und die Anwohner ihre Ruhe wollen“, erklärte Organisatorin Nina Lenz den Grund für diese Performance. Es handelte sich um einen Flashmob gegen Partylärm und Müll von Feiernden rund um die Ausgehmeile in der Jungbuschstraße, wo sich etliche Kneipen Tür an Tür aneinanderreihen. Initiiert wurde der Flashmob namens „Wake-up Call“ von Kunstzentrum Zeitraumexit und der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen.

Manche Kneipenbesucher, die an Tischen vor den Cafés in der Beilstraße saßen, zeigten Verständnis für das Anliegen der Flashmob-Aktivisten. Andere Nachtschwärmer ließen sich in ihrer Feierlaune nicht beirren - und wieder andere zeigten den aufmarschierten künstlerischen „Schlafwandlern“ lediglich die kalte Schulter.

„Das scheint ein stiller Protest zu sein“, kommentierte eine Dame inmitten des speisenden und trinkenden Partyvolks. Seit Jahren schwelt ein Konflikt zwischen den Anwohnern im Jungbusch und jenen Feierwütigen, die besonders am Wochenende den multikulturellen Stadtteil stürmen und dort leere Glasflaschen in den Gassen zerbrechen, in die Ecken urinieren oder sich auf die Straße übergeben - und gelegentlich sogar Geschlechtsverkehr praktizieren in unerkannten Winkeln. Danach lassen die jungen Erwachsenen benutzte Kondome liegen.

„Wir wollen die Gegend sensibilisieren, die Leute irritieren, dass die Bewohner schlafen wollen. Sie sollen sich Gedanken machen“, erläuterte die Flashmob-Teilnehmerin Daline Raphael. „Ich empfinde den Jungbusch als offen und zugänglich, die Menschen reden miteinander, es gibt viele Familien mit Kindern und unterschiedliche Esskulturen“, zählte die 26-Jährige, die haitianische Wurzeln besitzt und in Heidelberg wohnt, positive Seiten des Jungbuschs auf.

In Bezug auf den Konflikt mit Partylärm haben zugezogene Studenten einen schlechten Ruf bei alteingesessenen Bürgern. In deren Augen stellen nicht wenige Studierende eine vergnügungssüchtige Generation dar, die vorübergehend in der Quadratestadt lebt, bis die Adoleszenten nach drei Jahren einen akademischen Abschluss erreicht haben, um anschließend die Stadt Mannheim wieder zu verlassen, ohne etwas für das Gemeinwohl getan zu haben.

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Veröffentlicht
Von
Julia Giertz
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„Die meisten Partytouristen, die ins Nachtleben im Jungbusch einkehren, wohnen selbst gar nicht im Stadtteil“, verdeutlichte Zeitraumexit-Mitarbeiterin Nina Lenz, die mit ihrem Verein die aktive Nachbarschaftshilfe stärken möchte. Am Donnerstag, 14. Juli, findet im Verein Zeitraumexit (Hafenstraße 68) um 20 Uhr eine Finissage zur Fotoausstellung „Wem gehört eine Stadt?“ der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen statt.

Auf den Fotografien, die teilweise großformatig an der Außenfassade der Kauffmannmühle hängen, sind kommentierte Begegnungen der sozial eingestellten Studenten mit Jungbusch-Bewohnern abgebildet.

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