„Ich mache das für das Instrument, um Aufmerksamkeit für die Knickhalslaute zu schaffen, um das richtige Publikum zu finden“, erklärte Saitenvirtuose Jozef van Wissem. „Ich möchte aus der Laute ein Popinstrument machen, vergleichbar mit Ravi Shankar und seiner Sitar“, fügte der holländische Lautenspieler an. Im Kulturzentrum Port25 im Stadtteil Jungbusch gab Jozef van Wissem, der für den modernen Vampirfilm „Only lovers left alive“ des Regisseurs Jim Jarmusch von 2013 die düster knarrende Filmmusik komponiert hat, ein Konzert vor 30 Zuhörern. Dabei vollbrachte der Künstler, dessen Töne in die Gehörgänge der Besucher tröpfelten, auf seinem Klangerzeuger wahre Wunder.
Tonal kühle Atmosphäre
Eine mystische Aura umgab Gastmusiker Jozef van Wissem, der schwarz gekleidet und mit unterstrichenen Kajal-Augen wie ein lichtscheuer Gothic-Hüne der schwarzen Szene wirkte. Drei gleißende Bodenscheinwerfer beleuchteten den 59-Jährigen von unten, so dass sich im Hintergrund eine riesige Schatten-Silhouette an der kalkweißen Wand abzeichnete, expressionistisch wie die stummen Figuren in dem frühen Horrorfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920.
Für gewöhnlich kommen die dunklen Melodien von Komponist Jozef van Wissem ohne Liedtext aus, dennoch erhob der Holländer, der von 1993 bis zur Amtseinführung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in New York City lebte, zwischendurch seine dröhnende Bass-Stimme. Es breitete sich eine tonal kühle Atmosphäre im oberen Saal des Hauses Port25 aus.
Manchmal setzen sich die Stücke von Klangzauberer Jozef van Wissem, der ideal ins Festival-Programm des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig passen würde, aus repetitiven und hypnotischen Mustern zusammen. „Ich habe die USA verlassen, da Trump etliche Bestimmungen für Künstler geändert hat“, schilderte Saitenhexer Jozef van Wissem. Sobald man die pechschwarze Knickhalslaute des Holländers hört, fühlt man sich ins vernebelte Mittelalter versetzt. Ein Ohrenschmaus für alle Zuhörer.
Verwurzelt in der Renaissance
In dem Post-Punk-Vampirfilm „Only lovers left alive“, in dem die Untoten gefrorenes Bluteis am Stiel verspeisen und für den van Wissem den klanglichen Rahmen schuf, spielt Hollywood-Schauspielerin Tilda Swinton, die mit dem Heidelberger Street-Art-Künstler Sandro Kopp liiert ist, eine tragende Hauptrolle. „Ich bin Jim Jarmusch in New York zufällig auf der Straße begegnet“, erinnerte sich Jozef van Wissem nach dem spirituellen Konzert. „Er kam mir auf dem Bürgersteig entgegen und ich habe ihm, nachdem ich ihn in ein Gespräch verwickelt hatte, eine CD von mir geschenkt“, erzählte der gebürtige Niederländer. Nach einigen Wochen habe ihm Jarmusch eine E-Mail geschickt mit dem Angebot, die Musik für sein nächstes Filmprojekt zu schreiben. „Jim wohnt in der Bowery in einem mondänen Loft“, verriet Jozef van Wissem, der seinen Stil als neoklassizistische Musik begreift, verwurzelt in Barock und Renaissance. Wer in New York avantgardistische Ausgeburten der Neuen Musik hören möchte, der müsse den dortigen Musikclub „Le Poisson Rouge“ besuchen.
Sein Konzert im Port25 war eine Veranstaltung der Reihe Elektrosmog der beiden Organisatoren Florian Huth und Volker Hartmann. „Wir machen auch Soundinstallationen und bespielen oft die Hafenkirche“, erklärte Veranstalter Florian Huth. „Wir wollen Barrieren abbauen, damit es kein Unten und Oben zwischen den Musikern gibt“, erläuterte der 41-Jährige. Besonders jene Künstler, die sich nicht kategorisieren lassen, hebt Huth bevorzugt auf den Spielplan von Elektrosmog.
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