Mannheim. Wallonenstraße, Ecke Flamländerstraße, nach 19 Uhr. Sukzessive trifft eine Flotte weißer Fahrzeuge ein. Sie rangieren, auch durch teilweise Einfahrt gegen die Einbahnstraße, platzieren sich auf den raren Stellplätzen. Ihre Fahrer in den charakteristischen Amazon-Uniformen begeben sich in das Haus, in dem sie wohnen und vor dem sich zwei Dutzend Friedrichsfelder Bürger und Kommunalpolitiker versammelt haben.
Die SPD hat diesen Ortstermin anberaumt - zu einem Thema, „das seit Jahren den Stadtteil bewegt“, wie Fraktionschef Thorsten Riehle weiß. Doch da sich nichts bessert, soll das Treffen Wege diskutieren, um die Situation zu entspannen.
„Was ich Ihnen sage, wird Ihnen nicht gefallen“, ahnt jedoch Harald Born vom Ordnungsamt gleich zu Beginn: „Denn wir sind an rechtliche Vorgaben gebunden.“
Worum geht es?
Seit Januar 2018 unterhält Amazon im Gewerbegebiet Friedrichsfeld ein 12 000 Quadratmeter großes Verteilzentrum. Die Zahl der zu verteilenden Pakete betrug zum Zeitpunkt der Eröffnung 30 000 pro Tag, transportiert von 200 Lieferfahrzeugen.
Die Fahrer sind bei Subunternehmen beschäftigt. Einige Fahrer wohnen im zweigeschossigen Wohnhaus aus der Gründerzeit im angrenzenden Ortsteil Friedrichsfeld, in der Wallonenstraße/Ecke Flamländerstraße.
Die Fahrer nehmen die von ihnen genutzten Fahrzeuge abends mit nach Hause. Zusammen mit ihren Privatwagen sorgt dies für einen starken Parkdruck im Quartier und außerdem morgens und abends für eine große Zahl von An- und Abfahrten
Keine Überbelegung des Hauses
Das beginnt schon mit der Anwohner-Klage über eine angebliche Überbelegung des Hauses: „Das ist nicht der Fall“, sagt Born. Die Überprüfung habe gerade mal 14 Bewohner ergeben - eine Mitteilung, die von den anwesenden Bürgern mit lautem Gelächter quittiert wird. Doch das ändert nichts an Borns Befund: „Die Bewohner sind mit Erstwohnsitz hier gemeldet, sie haben daher das Recht, hier zu wohnen.“ Und selbst wenn es mehr wären: „Im Gegensatz zu Hessen gibt es bei uns kein Überbelegungsgesetz“.
Wenig erfreulich auch Borns Antwort auf die Klage der Anwohner, dass die Autos der Fahrer den Parkraum im Quartier belegen. „Sie sind hier gemeldet, ihre Fahrzeuge ordentlich zugelassen, also haben sie auch das Recht, hier zu parken.“ Insofern würde auch die oft geforderte Vorschrift „Parken nur für Anwohner“ gar nichts bringen: „Sie würden eine solche Anwohner-Berechtigung problemlos bekommen.“
Die Forderung, Lkw-Parken an dieser Stelle zu verbieten, liefe ebenfalls ins Leere: „Der Lkw beginnt bei 7,5 Tonnen“, erläutert Born: „Das erreicht keiner der Transporter hier.“
Angesichts dieser Ausführungen können einige der anwesenden Bürger kaum an sich halten. „Man kann doch nicht einfach ein Zwei-Familien-Haus in ein Wohnheim umwandeln!“, erregt sich eine Frau. Doch, muss sie sich sagen lassen.
Und was sei mit der Stellplatzverpflichtung? „Jeder Hausbesitzer, der eine zusätzliche Wohnung einrichtet, muss Stellplätze ausweisen“, berichtet ein Mann. Stimmt, aber nur für die Vergangenheit. Seit 2019, so berichtet Tanja Koppenstein vom Fachbereich Baurecht, sei eine Novellierung der Landesbauordnung in Kraft. Demnach ist, wer zusätzlichen Wohnraum schafft, von dieser bisherigen Vorgabe befreit. Dadurch will die Politik die Bereitstellung von Wohnraum erleichtern. Die Folgen für die Parkplatzsituation erachte das Land nicht als Hindernis, „da ja ohnehin eine Mobilitätswende etwa zum Fahrradverkehr geplant ist.“
Ein Anwohner glaubt jedoch, einen Hebel entdeckt zu haben: die „Monteurswohnung“. Die liegt vor, wenn Wohnungen nur kurzzeitig von einer Person genutzt werden, und dies bedarf der Genehmigung. „Das hier sind keine Monteurswohnungen“, betont Koppenstein: „Die Bewohner wohnen hier länger als ein Jahr.“ Auch diese Information erntet nur Gelächter: „Alle drei Monate ziehen hier neue Leute ein.“
Fahren die Fahrzeuge zu schnell?
Doch Born kann den Anwohnern einfach nicht helfen: „Wir waren drin, das sieht nicht aus wie eine Problemimmobilie“, macht er ganz klar: „Dort ist alles ordentlich und sauber - wie bei Ihnen zu Hause.“
Und was ist mit dem Müll auf dem Grundstück? Auch da kann Born den Anwohnern keine Hoffnung machen: „Auch wenn es für die Nachbarn nicht schön aussieht: Das ist baurechtlich irrelevant“, betont er. Ausnahme: Wenn sich Ungeziefer verbreitet. Das ist aber nicht der Fall.
Bleibt das zu schnelle Fahren der Transporter. Bis zu 70 Stundenkilometer, schätzt ein Anwohner, was Born für unrealistisch hält: „So schnell kann man hier gar nicht fahren.“ Allerdings wird die Stadt nun ein Geschwindigkeitsmessgerät installieren, um Infos zu gewinnen.
Das ist eine der Maßnahmen, die der Abend bringt. Neben regelmäßigen Kontrollen der Belegung im Haus und des Parkens auf der Straße. Und noch einmal will Riehle mit Amazon reden: „Es kann doch auch nicht in deren Interesse sein, ein so schlechtes Image zu haben.“
Harald Born hat für sich längst eine grundsätzliche Lösung gewählt: „Ich bestelle nichts bei Amazon.“
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