Franklin

Hier leben Mannheims flauschigste Mitbewohnerinnen

Entschleunigung pur in Mannheims neuem Stadtteil Franklin: Die Bewohner versorgen eine elfköpfige Schafsherde, die demnächst auf eine neue Sommerweide umzieht. Wie das gelingt

Von 
Emma-Luise Hartlieb
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Nadine Masch, Vorsitzende der „Franklin-Community für natürlich urbanes Leben e.V.“ mit jüngster Schafsdame Lilly. © Emma-Luise Hartlieb

Mannheim. Zwei Bauzäune klirren aneinander. Der hintere wird weggeschoben, dann auch der vordere. Die Zäune, die als Eingang in einen kleinen Waldabschnitt dienen, hinterlassen Spuren im schlammigen Boden. Rechts steht eine hölzerne Scheune. „Achtung! Grundstück wird videoüberwacht“ ist auf einem an die hölzerne Tür genageltem Schild zu lesen. Ein paar zusammen geschraubte Holzlatten bilden einen Zaun um die kleine Scheune herum.

Jetzt öffnet sich auch die Tür des Zauns aus Holzlatten. Schafe stürmen aus dem Gelände. Eine Frau kämpft sich an den Tieren vorbei, die ganz voller Freude ihren Besuch begrüßen. Pünktchen, Tussi, Lilly, Momo, Polly, Mina, Lola, Komma, Nil, Maya und Donkey. Darauf hören die elf wolligen Mannheimerinnen.„Da wo es aussieht, als würde es nicht mehr weiter gehen, da müssen Sie reinlaufen!“. So beschreibt Nadine Masch selbst den Weg zu ihren Schafen.

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50 Mitglieder kümmern sich um die Schafe

Dieser Weg benötigt wirklich eine Navigationsanleitung. Rechter Hand des alten Kasinos in den früheren Sullivan Barracks liegt die kleine Weide versteckt. Nadine Masch stellt sich vor, sie ist Vorsitzende des Vereins „Franklin-Community für natürlich urbanes Leben“. 50 Mitglieder kümmern sich um die Versorgung von elf Schafen im Stadtteil.

Enttäuschung macht sich nach der stürmischen Begrüßung in den Gesichtern der Tiere breit: Es gibt nichts zu Naschen. Auf die Frage, wie die Geschichte der Schafe auf Franklin begonnen hat, antwortet Nadine Masch: „Die meisten Schafe gibt es schon seit 2014“. Bereits 2012 waren die letzten US-Amerikaner aus dem früheren Benjamin-Franklin-Village ausgezogen. 10 000 Menschen haben dort seit Mitte der 1950er Jahre gelebt und gearbeitet. Nach Abzug der Amerikaner hat der Aufbau eines neuen Stadtteils am Käfertaler-Wald begonnen. Masch erinnert sich: „Sobald die Fläche hier umgebaut wurde, konnten die Schafe nicht mehr frei und wild herum laufen“.

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Jeder ist hier ehrenamtlich tätig

Sie selbst ist 2019 nach Franklin gezogen. „Zuerst habe ich mitgeholfen, dann irgendwann immer mehr gemacht.“ 2021 folgte schließlich die Vereinsgründung. „Jeder ist hier ehrenamtlich tätig. Morgens und abends wird gefüttert.“ Beim Wort „füttern“ rennen erneut einige Schafe zu Nadine Masch und schauen sie interessiert an. „Die sind alle sehr kuschelig drauf und hören auch“, ergänzt sie lachend. Jede Schafsdame trägt einen auserwählten Vornamen. „Tussi“, die Älteste oder schmeichelnder gesagt, die Betagteste, ist besonders fotogen“.

Sie sind einfach wie unsere Haustiere geworden“, sagt Nadine Masch. Tussi, Polly, Momo, Lilly und die übrigen flauschigen Mitbürgerinnen von Franklin wackeln in schnellem Schritt zu ihrer Bezugsperson. Ein Blick auf ihre kleine Weide lässt vermuten: Die Clique fühlt sich hier ganz schön wohl. Der weiche Waldboden ist mit Laub bedeckt. Ganz idyllisch ist es hier, zu Hause bei Tussi und Co.

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„Das sind keine Nutztiere“

Die Schafsdamen dienen nicht etwa als Lieferantinnen für Wolle, Milch oder gar Fleisch. „Das sind keine Nutztiere. Sie sind einfach da, jeder ist willkommen.“ Weiter berichtet Masch: „Wir haben auch eine Kooperation mit Altenheimen, da kommen die Besucher dann vorbei, setzten sich hin und kuscheln einfach mit den Schafen“. Stolz erzählt die 34-jährige auch, dass die Tiere bereits zwei Auftritte mit dem Nationaltheater gemeistert haben. Sie schmunzelt und fügt hinzu: „Ja, da war der Auftritt genau hier vor Ort und sie waren Statisten“.

Jeder kann bei der Franklin-Community mitanpacken, sie selbst ist pharmazeutisch-technische Assistentin. Ursprünglich, sagt sie, weit weg vom Vereinswesen oder von Tierhaltung. „Es ist ein Projekt von Allen für Alle.“ Auch die Kindertagesstätten auf und um Franklin sind bei Zeiten Gast.

Tussis Sommerresidenz

Durch den Sponsoringfonds der MVV erhielt die Franklin-Community neben vier weiteren Mannheimer Vereinen eine Finanzspritze in Höhe von 2 000 Euro. Damit soll, laut Masch, ein Anhänger gekauft werden. So können die elf Damen auf ihre Sommerresidenz von April bis September an der Wasserwerkstraße reisen. Denn durch Autos und Baustellen ist es nicht mehr möglich, die Schafe durch Franklin zu treiben. Die Stadt Mannheim sicherte den tierischen Mannheimerinnen diese neue Weidefläche ab April zu.

„Wo gibt es das heutzutage noch, dass man Schafe sieht, die einfach nur leben dürfen. Das entschleunigt auch total“, erzählt Nadine Masch. Sie berichtet von verschiedensten Vereinsmitgliedern. „Wir haben zum Beispiel auch Piloten dabei, die hier auch helfen.“ Wenn Tussi wüsste, dass auch mal ein fernreisender und vielbeschäftigter Pilot ihren Stall säubert, wäre sie sicherlich geschmeichelt. Vom schlammigen Boden geht es wieder auf festen Untergrund. Beim Schließen des Gatters klirren die Bauzäune erneut, jetzt aber zum Abschied.

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