Feudenheim. Er war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Medizin, ein Meister der Chirurgie und beliebter Hochschullehrer. Dass Michael Trede auch ein passionierter Maler war, hat er selten in den Vordergrund gestellt und schon gar nicht einen künstlerischen Anspruch erhoben. Ursula Trede-Boettcher, die weltweit konzertierende Ehefrau des 2019 verstorbenen Chirurgen und treue Organistin an der Feudenheimer Kulturkirche Epiphanias, hat mit Hilfe von Pfarrerin Dorothee Löhr eine Ausstellung von Michael Tredes Öl- und Aquarellwerken zusammengestellt, die nun mit einer Jazz-Vesper eröffnet wurde.
So vielgestaltig sich das neun Jahrzehnte dauernde Leben dieses international renommierten Chirurgen gestaltete, so zeigen sich auch seine Bilder. 1928 in Hamburg als Sohn eines Musikwissenschaftlers geboren, vor den Nazis 1939 mit seiner Mutter nach England geflohen, kam er 1956 als fertiger Arzt zurück nach Deutschland. Berlin, Heidelberg und schließlich Mannheim waren die Stätten seines Wirkens, wo er mit Ursula Trede-Boettcher die ersehnte Familie gründete (fünf Kinder und 13 Enkel), die er als Kind nie gehabt hatte.
Einen Gegenpol zu seiner verantwortungsvollen, hochkonzentrierten Chirurgentätigkeit fand der langjährige Mannheimer Klinikchef in der Kunst. Er schrieb (unter anderem seine Autobiografie „Der Rückkehrer“), spielte Geige und malte. Was in der Kulturkirche Epiphanias, Andreas-Hofer-Straße 38, noch bis zum 6. Januar ausgestellt ist, sind vor allem Eindrücke von seinen Reisen und Wanderungen: Kleine Orte, die sich mit ihren dominanten Kirchen und typischen Hütten in die friedliche von majestätischen Bergen überragte Landschaft der Schweizer Alpen fügen, oder Ausschnitte aus einst reichen britischen und spanischen Städten mit ihren filigranen Bauten.
Doch Michael Trede hat nicht nur liebliche Natur auf der Leinwand festgehalten. Vereinzelte Werke, die die Pfarrerin aus der Fülle seiner sorgsam geführten Mappen ausgesucht hat, zeigen einen zutiefst nachdenklichen, kritischen und zugleich mahnenden Menschen, der das vergangene und kommende Zeitgeschehen mit großer Besorgnis verfolgt. Düstere Grabsteine auf dem Prager jüdischen Friedhof, sowie Dresden und Auschwitz erinnern an den unsäglichen, menschenverachtenden Holocaust, ein Flüchtlingskind schaut mit großen hilflosen Augen durch das Blattwerk eines Feigenbaumes. Ebenso kantig und expressiv malte Trede Raskolnikow, die opportunistische Hauptfigur aus Dostojewskis „Schuld und Sühne“, mahnt den Betrachter mit stechendem Blick.
An die französische Revolution erinnert das Bild „Pariser Hausbesetzung“, die ihn im unverkennbaren Lodenmantel in der Haustür zeigt. Bemerkenswert aber ist Michael Tredes Interpretation des künstlerisch vielfach verarbeiteten Gedichtes von Matthias Claudius „Der Tod und das Mädchen“: Mit klarem, wissendem Blick schaut der Chirurg den Betrachter direkt an. Der Tod als Schädel in der einen und die Büste des Mädchens in der anderen Hand, weist er auf das unausweichliche Ende des Lebens hin.
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