Was tun mit den ganzen grauen Kolossen, die vom Zweiten Weltkrieg übrig geblieben sind? Viele stehen leer. Aber es gibt in Mannheim einen einzigen Bunker, der privat bewohnt wird – den in Feudenheim. Man hat hier eine herrliche Aussicht.
Ein Traum, wunderbar!“, schwärmt Klaus Greinert. Wer ihn besucht, versteht, warum er und seine Frau hier, in Mannheims wohl ungewöhnlichster Wohnung, „rundum glücklich sind“. „Sie hat sich damals sofort in diesen Ort verliebt“, sagt Greinert über seine Frau, und auch er will „nie wieder weg“ – vom Feudenheimer Bunker, auf und in dem sie jetzt im fünften Jahr leben.
Der weiß gestrichene Betonkoloss am Ortseingang von Feudenheim, von 1940 bis 1942 errichtet, war – mit dazugehörigem Tiefbunker – für 2119 Personen ausgelegt. Im Notfall drängten sich bis zu 7000 Personen in das Gebäude. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten amerikanische Soldaten das Objekt, richteten hier einen Stützpunkt ein. 1972 übernahm das in Seckenheim ansässige Territorialkommando Süd der Bundeswehr den Bunker, lagerte hier Ausrüstung für tausend Reservisten und simulierte hinter den dicken Mauern den Ernstfall mit – streng geheimen – Planspielen für den Schutz der „Heimatfront“ in einem Atomkrieg. Es gab unterirdisch einen Stabsraum, Büros, ein eigenes Zimmer für einen Generalmajor.
1990, nach dem Fall von Mauer und Stacheldraht, ist Schluss. Zunächst waren nach dem Abzug der Bundeswehr in den Verwaltungsgebäuden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien untergebracht. 2000/01 wurde es zum ersten großen Mannheimer Konversionsprojekt: Peter Gaul von der B.A.U. Bauträgergesellschaft überbaute das Areal mit sechs Stadtvillen und einem Bürohaus.
Stockwerk aufgesetzt
An den Bunker selbst mit seinen 1,50 Meter dicken Wänden wagte sich erst 2005 Architekt Felix Friedmann im Auftrag von einem Mannheimer Gastronomen, ergänzte eine penthouse-artige Wohnung auf dem Dach. Als der Eigentümer verkaufen will, erfährt Greinert davon „durch einen Riesenzufall“, so der ehemalige Hockey-Nationalspieler und Olympiateilnehmer. „Von hier habe ich mit dem Hund zu Fuß acht Minuten zum Verein“, sagt Greinert, lange Jahre an der Spitze der Röchling-Gruppe sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Rheinmetall AG, der größter Mäzen des Mannheimer Hockeyclubs (MHC) ist.
Ob Kunstrasenplätze, Traglufthalle, Irma-Röchling-Halle – was dank seinem Engagement möglich wurde, kann er beim Frühstück sehen. In jede Himmelsrichtung haben Greinert und seine Frau eine wunderbare, ja atemberaubende Aussicht auf Mannheim und die Region, „bei gutem Wetter bis zu den Kühltürmen vom Kernkraftwerk Biblis“, wie der 78-Jährige anmerkt.
Das aufgesetzte, fast rundum verglaste Stockwerk, das einstige Dachgeschoss und ein Bunkergeschoss bewohnt das Ehepaar, ein weiteres Stockwerk dient als Keller. Die drei anderen Bunker-Geschosse sind als Lager vermietet. Der Rest ist so hell, stilvoll, freundlich-wohnlich eingerichtet, dass man nicht merkt, dass man sich in einem Bunker befindet.
Freilich ist der Feudenheimer Schutzraum eine absolute Ausnahme, der einzige an Privatleute verkaufte Bunker. „Die lassen sich schwer vermarkten, denn da ein Fenster reinzumachen – das ist ein Riesenaufwand“, erklärt Klaus Handermann, Leiter der Abteilung Katastrophenschutz der Feuerwehr und oberster Bunker-Experte der Stadt.
Im „Kalten Krieg“ waren die Betonkolosse ab 1957 aufgerüstet worden. Bis in die 1990er Jahre kamen regelmäßig Ehrenamtliche der Freiwilligen Feuerwehr, spülten Leitungen durch, prüften Filter. Zudem hatte man Diesel für Stromaggregate eingelagert, zeitweise sogar Lebensmittel- und Trinkwasservorräte.
Doch das ist vorbei. „Kein einziger Bunker“ sei mehr als Schutzraum ausgelegt, so Handermann. Seit 2002 gebe es keine technische Wartung mehr, „es gibt ja auch gar keine Ersatzteile mehr“. Der Bund übernimmt nur noch Kosten zur reinen Verkehrssicherung, „eine kleine fünfstellige Summe pro Jahr“, heißt es. Einige der denkmalgeschützten Bauten dienen Vereinen als Lager, einige sind Parkhaus, fast alle aber leer. In Sandhofen und Schönau sind Heimatmuseen untergebracht, im Theaterbunker das Requisitenlager. Im Betonkoloss am Luisenring neben der MVV ist das Rechenzentrum der Stadt eingezogen, den Bunker Wohlgelegenschule nutzt das Marchivum als Außenlager.
Der im März bezogene Hauptsitz des Marchivum, der Ochsenpferchbunker, hat indes bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Dass der einst dunkle, imposante Stahlbetonbau um zwei gläserne Geschosse ergänzt und nun zum Haus der Stadtgeschichte mit derart freundlich-hellem Ambiente geworden ist, stufte die Bundesregierung gar als „Nationales Projekt des Städtebaus“ ein. Dass ein Schutzraum ganz abgerissen wird, wie für die Bebauung von Q 6/Q 7, kommt äußerst selten vor.
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