Innenstadt-Belebung

Wie die Stadt Ludwigshafen über Handyverträge an Passanten-Daten kommen will

Alter, Geschlecht, Herkunft: Wer künftig mit Handy in der Ludwigshafener Innenstadt unterwegs ist, dessen Daten könnten abgegriffen werden. Das steckt dahinter

Von 
Julian Eistetter
Lesedauer: 
Die recht triste Innenstadt Ludwigshafens soll aufgewertet werden. Dazu werden bald allerlei Daten über die Passanten erfasst. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Die Ludwigshafener Innenstadt muss dringend attraktiver werden. Diese Erkenntnis ist inzwischen ein alter Hut. Seit 2019 fließen dafür Fördergelder aus dem Bund-Länder-Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ in die Chemiestadt. Einige Aufwertungsversuche sind in der City bereits unternommen worden, etwa durch Pflanzkübel, Sitzgelegenheiten oder Wandbilder, bis 2030 sollen aber noch einige weitere folgen, um das Image der Innenstadt zu verbessern.

Da die Wirksamkeit dieser Anstrengungen gegenüber den Fördergebern ausgewertet und nachgewiesen werden muss, soll es in Ludwigshafen bald eine ganz neue Form der Passantenzählung geben. Dabei werden Daten über die Mobiltelefone der Besucherinnen und Besucher in der Stadt erfasst.

Bislang werden Passanten in der Ludwigshafener Innenstadt noch händisch erfasst

Damit geht die Verwaltung völlig neue Wege, denn bislang werden die Passantenzahlen in der City noch händisch erhoben. „Das heißt, Fußgänger werden per Strichliste oder mit Handzählgeräten erfasst“, heißt es in einer Informationsvorlage der Stadt zur Sitzung des Hauptausschusses am vergangenen Montag. Das sei nicht mehr zeitgemäß und lasse nicht genügend Auswertungsmöglichkeiten zu. Deshalb strebe die Verwaltung nun eine Erhebung durch die Auswertung mobiler Daten an, die nach Angaben von Volker Spangenberger-Kerle, Leiter des Bereichs Stadtentwicklung, von verschiedenen Anbietern bereits in Kommunen wie Weimar (Thüringen) oder Deggendorf (Bayern) umgesetzt werde.

Eine von vielen Baustellen in der Ludwigshafener City: die eher trostlose Bismarckstraße. © Christian Schall

In der Praxis soll das Ganze dann so funktionieren, dass ein Anbieter - namentlich wurde etwa das Marktforschungsunternehmen GfK aus Österreich genannt - mit der Passantenzählung beauftragt wird. Dieser Anbieter arbeitet laut Spangenberger-Kerle wiederum mit einem großen Mobilfunkanbieter zusammen, beispielsweise mit O2. Über die mobilen Daten können dadurch Informationen über die Menschen abgegriffen werden, die sich mit ihrem Mobiltelefon in der Innenstadt bewegen. „Der Anbieter erhält die anonymisierten Daten über die Handyverträge der Personen“, erläutert Spangenberger-Kerle.

Diese Informationen erhält die Stadt Ludwigshafen mit der neuen Methode über die Passanten

Mit dieser Form der Erfassung könnten Erkenntnisse über Alter, Geschlecht, Bewegungsprofile, An- und Abreisezeiten, Verweildauer oder Herkunftsort und Nationalität der Passanten gewonnen werden. Diese Daten werden der Stadt Ludwigshafen dann zur Verfügung gestellt. Die Methode sei datenschutzkonform, versichert Spangenberger-Kerle auf kritische Nachfragen von FDP-Fraktionschef Thomas Schell und Stadtrat Heinz Zell (Forum und Piraten). „Wir haben das im Vorfeld mit unserem Datenschutz abgestimmt. Es wird zudem Auflagen für den Betreiber geben.“ Allein die Stadt Ludwigshafen werde die Daten - in anonymisierter Form - erhalten, könne diese dann aber in sämtlichen Dezernaten und Bereichen nutzen.

Auf die kritische Nachfrage von Liborio Ciccarello (Vernunft & Gerechtigkeit), ob die Auswertung mit Kunden nur eines einzigen Mobilfunkanbieters überhaupt repräsentativ sein könne, antwortet der Leiter des Bereichs Stadtentwicklung: „Der Anbieter sollte eine möglichst große Marktabdeckung haben. O2 hat etwa eine Abdeckung von 35 Prozent, was schon sehr gut wäre. Es gibt dann nämlich Möglichkeiten der Hochrechnung.“

Wie verhindert werden soll, dass Bewohner der Innenstadt die Erhebung verfälschen

Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt sollen die Datenerhebung über das Passantenaufkommen nicht verfälschen. Wie Spangenberger-Kerle erläutert, werde anhand der Aufenthaltszeit ermittelt, ob es sich bei einer erfassten Person um einen Besucher der City oder eben um einen Anwohner handle. „Der klassische Passant hält sich eine bis vier Stunden in der Innenstadt auf“, so der Bereichsleiter. Alles darunter seien Personen, die vielleicht einfach nur kurz ihre Kinder in die Kita bringen oder ähnliches. Alles darüber werde als Anwohner kategorisiert.

Die Passantenzählung soll nach Angaben der Stadt über den gesamten Förderzeitraum bis mindestens 2030 laufen. Erfasst werden Fußgängerinnen und Fußgänger im gesamten Innenstadtbereich zwischen den beiden Hochstraßen im Norden und im Süden. Im Westen bildet die Heinigstraße die Grenze des Untersuchungsraums. Die Stadt verspricht sich von der Datenerhebung Rückschlüsse auf die Erfolge oder Misserfolge von konkreten Aufwertungsprojekten, insbesondere im Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Raums.

Nach dem positiven Beschluss im Hauptausschuss des Stadtrats am Montag - lediglich Heinz Zell enthielt sich - soll die Datenerhebung nun ausgeschrieben werden. Die Verwaltung rechnet mit Kosten von 15 000 Euro jährlich über den gesamten Zeitraum hinweg. Dabei sei von einer 90-prozentigen Förderung auszugehen. Die Fördergeber hätten dem Vorgehen bereits zugestimmt.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke