Ludwigshafen. Es hat ein bisschen was von David gegen Goliath. Auf der einen Seite eine kleine Gruppe von rund 15 Menschen, auf der anderen Seite der Weltkonzern BASF, der allein am Standort in Ludwigshafen rund 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Dass der Aufschrei daher eher wirkungslos verpuffen würde, das hatte sich Peter Runck schon gedacht. Dennoch wollten er und seine Mitstreiter am Dienstagvormittag ein Zeichen setzen.
Ein kleines Grüppchen von Ukrainerinnen und Ukrainern, darunter auch vor dem Krieg Geflüchtete, sowie von engagierten Ludwigshafenern versammelte der Vorsitzende des Internationalen Bauordens um 11 Uhr am Tor 2 des Werksgeländes, um gegen die Russlandgeschäfte des Chemieunternehmens zu protestieren.

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„Massenweise ermordete Zivilisten, zerstörte Städte und Dörfer, allgegenwärtige Plünderungen - das Bild, das sich nach dem Abzug russischer Einheiten aus der Region Kiew bietet, schnürt einem die Kehle zu“, sagte Runck, selbst verheiratet mit einer Ukrainerin, in einer Ansprache. „Dass die BASF trotzdem ihre Russlandgeschäfte weiterführt, ist ein Skandal. Mit Kriegsverbrechern macht man keine Geschäfte!“, betonte er. Die aktuellen Sanktionen würden bei Weitem nicht ausreichen, um Putin zu stoppen. Nur eine umfassende Sanktionierung des Energiesektors könne Russland wirklich treffen. „Deshalb fordern wir die BASF auf, ihre Russlandgeschäfte einzustellen!“ Nach etwa einer Dreiviertelstunde zogen die Demonstranten wieder ab.
Sprecher: Keine neuen Geschäfte
Ein Sprecher des Unternehmens sagte auf Anfrage, dass die BASF solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine stehe und hoffe, dass der Krieg schnellstmöglich beendet werde. „Seit dem 3. März tätigt BASF keine neuen Geschäfte mehr in Russland und Belarus. Eine Ausnahme bilden Produkte zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion, da der Krieg das Risiko birgt, eine weltweite Nahrungsmittelkrise auszulösen“, erklärte er. Das Unternehmen folge den politischen Entscheidungen und halte sich an geltende Gesetze, Vorschriften und internationale Richtlinien. „Wir übernehmen auch die Verantwortung für die Sicherheit unserer chemischen Produktionsstandorte in Russland und setzen deren Wartung fort.“
Die BASF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine würden weiterhin durch einen Krisenstab unterstützt. Dem Deutschen Roten Kreuz seien zur Soforthilfe in dem osteuropäischen Staat eine Million Euro zur Verfügung gestellt worden.
Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) warb auf Nachfrage bei einem Pressegespräch am Mittag um Verständnis für beide Seiten. „Ich kann nachvollziehen, dass Menschen oder Initiativen, die sich für Schutzsuchende aus der Ukraine einsetzen und emotional sehr nah dran sind, solche Forderungen stellen“, sagte sie. „Wir haben aber auch eine Verantwortung für die Menschen, die hier leben.“ Wer heute fordere, dass die BASF ihre Russlandgeschäfte einstellt, der müsse morgen auch den Menschen in die Augen sehen können, die deshalb ihren Job verlieren, so die Rathauschefin. „Vielleicht hätte die Wirtschaft insgesamt früher reagieren müssen, ich bin da nicht in einer verantwortlichen Position. Ich verstehe die Kritik, ich verstehe aber auch die Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick haben.“
55 Geflüchtete an Schulen
Auch in der Frage nach einem kompletten Energie-Embargo gebe es kein klares Ja und kein klares Nein für sie, führte Steinruck aus. „Wir befinden uns da in einem politischen und moralischen Dilemma“, konstatierte sie. Die Folgen eines Gas-Embargos würden gerade in Ludwigshafen mit seiner chemischen Industrie zu immensen Folgen führen, die alle zu spüren bekämen - auch in sozialer Hinsicht. „Deshalb halte ich das Vorgehen der Bundesregierung für richtig, sich mittelfristig aus der Abhängigkeit zu befreien“, so Steinruck. Bis dahin rufe sie die Bürgerinnen und Bürger auf, Energie zu sparen, wo es nur geht.
Unterdessen steigt die Zahl der offiziell in Ludwigshafen registrierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weiter an. Bis Dienstag haben sich an der Anlaufstelle in der Jaegerstraße 420 Menschen angemeldet. 310 Ukrainerinnen und Ukrainer beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. „Durch das Land Rheinland-Pfalz wurden uns inzwischen 21 Geflüchtete zugewiesen. Im Laufe der Woche rechnen wir mit weiteren fünf“, sagte Sozialdezernentin Beate Steeg (SPD). An den Ludwigshafener Schulen seien inzwischen 55 Jungen und Mädchen in den Unterricht aufgenommen worden, sagte Bürgermeisterin Cornelia Reifenberg (CDU).
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