Offener Brief - Freischaffende aus der Branche verfassen offenen Brief an die Aufsichtsbehörde / Nicht genehmigter Etat führt zu Unsicherheit

Wegen prekärer Haushaltslage in Ludwigshafen - freie Kulturszene ruft nach Hilfe

Von 
Julian Eistetter
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Alternative Kulturangebote wie die Open Summer Stage – hier mit Olaf Schönborn (r.), Unterschreiber des offenen Briefs – waren in der Pandemie gefragt. © Achim Keiper

Ludwigshafen. Kulturschaffende in Ludwigshafen schlagen Alarm. Der bislang nicht genehmigte städtische Haushalt und der damit verbundene Auszahlungsstopp der sogenannten freiwilligen Leistungen sorgt für massive Verunsicherung in der Szene. Die Stadt darf aktuell keine Gelder an Vereine, Einrichtungen, Künstler oder Musikerinnen auszahlen. Sämtliche getätigten Förderzusagen des Kulturbüros stehen nur unter Vorbehalt. Für die von der Corona-Pandemie bereits stark gebeutelte Kulturszene ein unhaltbarer Zustand, der Existenzen bedroht. In einem offenen Brief unter anderem an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und die Kulturbürgermeisterin Cornelia Reifenberg fordern viele Kulturschaffende aus der Chemiestadt, das Budget wie geplant freizugeben.

„Nach zwei Jahren der Pandemie, die schon viele Künstlerinnen und Künstler, Kulturvereine und -institutionen in Existenznot gebracht haben, folgt nun der nächste Schlag“, heißt es in dem Schreiben mit Blick auf den nicht genehmigten Etat für 2022. „Das bedeutet, dass eigentlich gar keine Kulturveranstaltungen unter freier Trägerschaft geplant werden können, da die Förderung angesichts der aktuellen Sparauflagen auch wieder zurückgenommen werden kann“, schreiben die Freischaffenden, darunter der Schlagzeuger und Komponist Erwin Ditzner, der Intendant des Prinzregententheaters, Bernhard Dropmann, Musiker Olaf Schönborn oder Künstlerin Sonja Scherer. „Keiner kann es sich nach zwei Jahren Pandemie leisten, eine Veranstaltung zu planen, finanziell in Vorleistung zu gehen und dabei zu riskieren, dass die unter Vorbehalt gewährten Zuschüsse letztlich nicht ausgezahlt werden“, schildern sie das Dilemma.

Offener Brief

  • Der offene Brief der freien Kulturszene richtet sich an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, Kämmerer Andreas Schwarz, Kulturbürgermeisterin Cornelia Reifenberg und die Landtagsfraktionen von SPD, Grüne und FDP.
  • Unterzeichnet haben namentlich: Angelika Baumgartner, Erwin Ditzner, Bernhard Dropmann, Jana Franze-Feldmann, Margarete Gauckler, Thomas Groß, Thorsten Heger, Klaus Kern, Bernd Kühn, Klaus Kufeld, Armin Liebscher, Sue Mandewirth, Sonja Scherer, Olaf Schönborn, Robert Skrobich, Gabi Twardawa, Wolfgang Vogel, Bernhard Wadle-Rohe und Gisela Witt.

Förderprogramme ausgelaufen

Die Kulturschaffenden können nicht nachvollziehen, weshalb die Stadt ihren Haushalt nun auch im Bereich Kultur einkürzen soll, wo gerade jetzt wichtige Landes-Förderprogramme für die Szene ausgelaufen seien. Kürzungen würden auch das städtische Kulturbüro treffen, mit dessen Hilfe in der Corona-Zeit zumindest Alternativveranstaltungen hätten organisiert werden können. „Das würde dazu führen, dass Veranstaltungen des Kulturbüros in Kooperation mit der freien Szene finanziell nicht mehr gesichert sind“, fürchten die Betroffenen.

Damit würde die letzte Unterstützung der Künstlerinnen und Künstler wegfallen, die in der Pandemie selbst aktiv geworden seien, um neue Formate auf die Beine zu stellen und zumindest ein gewisses Maß an Kultur in der Stadt zu ermöglichen. „Somit würde sich nicht nur die Auftragslage der einzelnen Künstler weiter verschärfen, sondern auch viele Veranstaltungen wegfallen“, heißt es in dem Brief. „Die gerade in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Kulturbüros mühsam aufgebaute Vernetzung und Aktivierung der lokalen Kulturszene ist genauso in Gefahr wie traditionsreiche und erfolgreiche Veranstaltungsformate. Daher fordern wir die ADD und die Stadt Ludwigshafen eindringlich auf, das Kulturbudget 2022 wie vorgelegt zu genehmigen und freizugeben, um Ludwigshafen vor einem weiteren schweren Schaden an seiner Kulturlandschaft zu bewahren.“

„Unaufschiebbare“ Zahlungen?

Auf Anfrage dieser Redaktion äußert die ADD „vollstes Verständnis“ für die Befürchtungen der freien Kulturszene. Eine Sprecherin weist darauf hin, dass keine Haushaltssperre verfügt worden sei, wie fälschlicherweise oft behauptet werde. „Vielmehr wurde der vorgelegte Haushalt nicht genehmigt. Das Verfahren ist daher aktuell in der Schwebe“, so die Sprecherin. Es liege nun in der Verantwortung der Stadt, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. „Hierdurch könnte die aktuelle Situation aufgelöst werden.“

In der Zwischenzeit befinde sich die Stadt in der vorläufigen Haushaltsführung, einer Übergangslösung, in der nur Auszahlungen geleistet werden dürfen, zu denen die Verwaltung rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben „unaufschiebbar“ seien. In diesem Zusammenhang sei es laut ADD durchaus möglich zu prüfen, ob Zahlungen an Akteure der freien Kulturszene wegen deren „Unaufschiebbarkeit“ bereits jetzt getätigt werden müssen - trotz eines noch nicht genehmigten Etats.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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