Ludwigshafen. Man kann ein Orchester hanseatisch kühl dirigieren, ohne dass es von lähmender Routine befallen wird. Und so gerät das Neujahrskonzert der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der smarten Leitung Gregor Bühls im Ludwigshafener Pfalzbau mit seiner feucht-fröhlichen Anmutung zum launigen Jahresauftakt. Immer wieder schäumt leichtsinniger Übermut auf, doch werden die Etikette dank der distinguierten Ironie am Dirigentenpult gewahrt.
Nicht nur Intendant Beat Fehlmann und Dirigent Bühl, sondern mehrere Orchestermusikerinnen und -musiker moderieren diesen Abend. Vermittlungsarbeit auf der Bühne baut Distanzen ab, wo einst hochkultureller Dünkel waltete.
Bereits die romantische Melodiösität in von Rezniceks Ouvertüre zur Oper „Donna Diana“ mit ihren spritzigen Holzbläsern, der knackigen Trompete und den spielfreudigen Streichern erfährt im beherzten Zugriff der Staatsphilharmonie einige satirisch wirkende Brechungen, die das gesamte Programm apostrophieren. Dagegen lässt sich Carl Maria von Webers zweites Klarinettenkonzert im Spiel von Sharon Kam als Dokument der Empfindsamkeit erleben, das in der israelischen Solistin eine Interpretin gefunden hat, die den Ausdrucksgehalt dieser Musik mit vielfältigen Klangnuancen modelliert.
Von erschütternder Expressivität der Binnensatz, während sich die Keckheit des dritten mit seiner federnden Eleganz durchaus noch in versonnener Abgeklärtheit auf die Sprünge macht und das Finale einige technische Kabinettstückchen aufbietet, die nur zu offensichtlich auf Beifall aus sind. Mit George Gershwins „It ain’t necessarily so“ aus „Porgy and Bess“ kann Sharon Kam ihr ausgeprägtes technisches Können auch improvisatorisch nutzen.
„Der Nussknacker“ verirrt sich auf eine Wodka-Party
Die drei Sätze aus Tschaikowskys „Nussknacker“-Suite wirken im Spiel der Staatsphilharmonie wie auf der Spitze getanzt. Die Ouvertüre zur „Fledermaus“-Operette wird mit seriösem Ausdruck musiziert, wenn auch das knatternde Schlagwerk und die militärische Grandezza der Blechbläser durchaus eine leicht karikierende Tönung aufweisen.
Astor Piazzollas „Libertango“ bringt die Bratschengruppe effektvoll in Stellung, ist rhythmisch präzise, wirkt aber etwas germanisch-hölzern. Schostakowitschs Tanz und Galopp aus „Moskau Tscherjomuschki“ schlittert in kakophonische Auflösung – als hätte sich Tschaikowskys Nussknacker auf einer Wodkaparty verirrt.
Straussens Walzer „An der schönen blauen Donau“ mit seinen rhythmischen Finessen wird durch das dänische Pendant Hans Christian Lumbye gekontert, bei dessen „Champagner-Galopp“ der Korken dank Schlagwerker Simon Bernstein süffig aus der Flasche springt und das Glockenspiel wie frischer Schampus perlt. Mit der „Tritsch-Tratsch-Polka“, der Polonaise aus „Eugen Onegin“ und dem Radetzky-Marsch erreicht das Glücksempfinden im Saal, an den Beifallsgraden des Publikums gemessen, seinen Siedepunkt. Wann hat man hierzu überhaupt noch Gelegenheit.
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