Ludwigshafen. Die Stimmung ist etwas angespannt an diesem heißen Vormittag im Erfurter Ring in Ruchheim. Eine Gruppe von rund 25 Personen hat sich vor dem Bauzaun versammelt und tut teils lautstark ihren Unmut darüber kund, was sich innerhalb des eingezäunten Bereichs abspielt. Dort ist an diesem Mittwoch der Spatenstich für ein Bauprojekt der Immobiliengesellschaft GAG angesetzt, die auf dem 15 000 Quadratmeter großen Areal im Nordosten des Stadtteils bis voraussichtlich Ende 2024 insgesamt 146 Wohnungen errichten wird.
Das Vorhaben ist seit Jahren umstritten, eine Bürgerinitiative (BI), zu der auch die Gruppe vor der Baustelle gehört, hat einige Forderungen gestellt und fühlt sich von GAG und Verwaltung übergangen. Aus der Gruppe heraus wird Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck am Mittwoch von einer Frau beleidigt, ein Sicherheitsdienst ist vor Ort, und auch ein Streifenwagen fährt vor.
Zweite Zufahrt zugesagt
Hinterm Bauzaun erklärt GAG-Vorstand Wolfgang van Vliet auf Nachfrage, dass der Sicherheitsdienst nicht im Zusammenhang mit dem erwarteten Erscheinen der Bürgerinitiative stehe. „Das ist ein ganz normaler Vorgang bei solchen Veranstaltungen. Wir haben Werte hier stehen, auf die aufgepasst werden muss“, sagt van Vliet mit Blick auf die Sicherheitsmitarbeiter, die auch schon in der Nacht auf Mittwoch das Gelände bewacht hatten. „Ab morgen sind die wieder weg.“
Schon vor ihrem Grußwort erklärt Steinruck, Aufsichtsratsvorsitzende der GAG, wie das Immobilienunternehmen und die Verwaltung den Forderungen der BI entgegengekommen seien. So werde es eine zweite Zufahrt zu dem Gelände über die Oggersheimer Straße geben, um die Verkehrssituation zu entschärfen, versicherte die OB. „Außerdem läuft derzeit eine Standortprüfung für eine viergruppige Kindertagesstätte im Stadtteil“, sagt sie. Auch weitere Querungshilfen für Fußgänger seien in Planung. Durch neue Beleuchtung im Bereich der nahe gelegenen Bahnhaltestelle und Rückschnitt von Hecken seien zudem Angsträume beseitigt worden.
Vor dem Bauzaun sorgen diese Aussagen für wenig Begeisterung. Die Beleuchtung an der Haltestelle sei eine begrüßenswerte Idee des Baudezernenten Alexander Thewalt gewesen, aber keine Forderung der BI, heißt es. „Wir brauchen die zweite Zufahrt sofort“, betont Marie-Luise Krämer, eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative. Sobald Lkw zur Anlieferung anrollen, komme es zu chaotischen Szenen. Zuletzt sei ein Kind angefahren worden, weil es in den Straßen so eng zugeht. Und auch die Prüfung eines Kita-Standorts dauert den Anwohnerinnen und Anwohnern zu lange. „Wir brauchen die Kita, wenn die Kinder hier einziehen, nicht Jahre später.“
Das Projekt
- Auf dem 15 000 Quadratmeter großen Areal am Erfurter Ring entstehen bis Ende 2024 146 Wohnungen, davon 20 barrierefrei.
- Insgesamt investiert die Immobiliengesellschaft GAG 46,2 Millionen Euro.
- Die öffentlich geförderten Wohnungen sind zwischen 47 und 106 Quadratmeter groß.
- Eine Bürgerinitiative kritisiert die Dimensionen des Vorhabens, fürchtet ein Verkehrschaos und fehlende Kitaplätze.
Drinnen wirbt Jutta Steinruck weiter für Verständnis. „Man kann es nie allen recht machen. Es ist verständlich, dass sich Menschen in ihren Gewohnheiten gestört fühlen. Wir können aber nicht nur die Einzelinteressen vor Ort berücksichtigen, sondern müssen das Gesamtbild betrachten. Wenn wir immer auf Einzelinteressen eingehen würden, wäre die BASF schon lange weg, und es würden nirgendwo Straßenbahnen fahren“, so die OB.
30 Jahre alter Bebauungsplan
Ludwigshafen sei eine wachsende Stadt, und der Wohnraum werde dringend benötigt. Das bestätigt auch van Vliet, der von aktuell 500 Wohnungsanfragen allein bei der GAG spricht. „Das sind hochgerechnet mindestens 1000 Personen und Einzelschicksale“, sagt er. Neben einem Projekt in Oggersheim sei die Fläche im Erfurter Ring das letzte große Grundstück, auf dem sozialer Wohnungsbau möglich sei. „Wir sind mit die Einzigen in Ludwigshafen, die geförderten Wohnungsbau betreiben. Deshalb bin ich stolz auf dieses Projekt“, betont er. Der jetzt realisierte Bebauungsplan existiert im Übrigen bereits seit 30 Jahren.
Umgesetzt wird das Projekt mit acht Gebäuden von Diringer & Scheidel. Der energetische Standard der Häuser sei sehr hoch. Beheizt werden sollen sie mit Geothermie. Dafür werden 100 Bohrungen in 90 Meter Tiefe getätigt.
Die BI werde das Projekt weiter kritisch begleiten, versichert Krämer. „Und dabei freuen wir uns über jeden Dialog.“ Die Fronten, so der Eindruck am Mittwoch, sind jedoch ziemlich verhärtet.
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