Ludwigshafen. Die Abschiebung einer jesidischen Familie nach Armenien hat in Ludwigshafen eine Welle der Entrüstung aufbranden lassen. Am Freitag demonstrierten auf dem Rathausplatz nach Polizeiangaben mehr als 100 Menschen, die das Vorgehen der Ausländerbehörde kritisieren. „Mitten in einer weltweiten Pandemie hat die Ausländerbehörde die Familie Ende März nach Armenien abgeschoben. Die Abschiebung wurde durchgeführt, obwohl ein 16-jähriger Sohn nicht dabei war und sich die Mutter in einem desolaten Gesundheitszustand befand“, äußert sich Aktivistin Dolly El-Ghandour entrüstet. Gemeinsam mit dem Musiker Sebastian Hochwarth hat die SPD-Politikerin die Kundgebung organisiert.
Es sei ein Skandal, dass in einer tödlichen Pandemie überhaupt Menschen abgeschoben werden. Dass die Eltern, die mit ihren beiden jüngeren Kindern nach Armenien gebracht wurden, von ihrem minderjährigen Sohn getrennt wurden, sei nicht tolerierbar. In einer Kurzschlussreaktion sei dieser vor der Polizei weggerannt und gelte seither als vermisst. „Das Verfassungsrecht gilt für alle Menschen und darin genießen Familien einen besonderen Schutz. Wir fordern, die Abschiebung rückgängig zu machen und die Familie wieder zusammenzuführen“, so El-Ghandour.
Keinen Eilantrag gestellt
Die Stadtverwaltung weist auf Anfrage darauf hin, dass die Abschiebung „aufgrund eines rechtskräftig gewordenen ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rechtmäßig erfolgte“. Ein Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid habe nicht vorgelegen. „Es lag ein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis vor, der von den hiesigen Behörden abgelehnt worden war. Dagegen wurde ein Widerspruch eingelegt, der aber keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dafür ist ein entsprechender Eilantrag bei Gericht zu stellen“, sagte ein Sprecher. Die Ausländerbehörde habe die gesetzliche Aufgabe, die Rückführungen durchzuführen, wenn die Betroffenen der Pflicht zur freiwilligen Ausreise nicht nachkommen würden. „Die Verwaltung betont, dass die Stadt Ludwigshafen immer eine freiwillige Ausreise gegenüber einer Abschiebung favorisiert, um etwaige Härten zu vermeiden“, so der Sprecher.
Aufarbeitung angekündigt
Nach den Handlungsanweisungen des Integrationsministeriums könne in Ausnahmefällen auch dann eine Abschiebung durchgeführt werden, wenn es dabei zu einer Trennung einer minderjährigen Person komme, so die Stadt. In einem solchen Fall erfolge unverzüglich eine Information an das Jugendamt.
Wie am Freitag bekannt wurde, will das Ministerium die Umstände der Abschiebung nun überprüfen. Der Fall werde gemeinsam mit den Behörden aufgearbeitet. „Das ist schon mal ein sehr gutes Zeichen“, sagt Dolly El-Ghandour dazu. „Wir hoffen nur das Beste für die Familie.“
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