Ludwigshafen. Die beiden riesigen Tölpel zeichnen sich in einem hellen Grauton schon deutlich ab. Kopfüber scheinen sie aus einem dichten Pflanzengewirr auf ein Wasserloch zuzustürzen. Verworrene Wurzeln ranken in den blauen Kreis, der von einem hellgrünen überlagert wird. Julia Heinisch, Künstlerinnenname Video, steht mit Sonnenbrille, Atemschutzmaske und Spraydose in der Hand auf einem Hubsteiger und verstärkt die Linien am Kopf eines der Seevögel. „Wir haben hier eine Überwasser- und eine Unterwasseransicht“, sagt die junge Frau aus Österreich. Mit ihrem Partner Frederic Sontag bildet sie das Duo Video Sckre. Gemeinsam schaffen sie großflächige Wandgemälde, auch Murals genannt.
Ihr neustes Werk führt die beiden nach Ludwigshafen. Beim Street-Art-Projekt MURALU des Wilhelm-Hack-Museums gestalten sie die Wand eines Wohnhauses in der Hochfeldstraße 155 in der Gartenstadt. Es ist eines von vier Murals, das verschiedene Künstler bis August in der Chemiestadt schaffen werden. Video Sckre sind erstmals in Ludwigshafen, in Augsburg und Stuttgart haben sie etwa schon ihre Spuren hinterlassen. Die Wand in der Gartenstadt kommt dem Stil der beiden voll entgegen. Sie ist grün, und Heinisch und Sontag lassen sich bei ihren Werken vor allem von der Natur inspirieren. „Wir reisen wahnsinnig gerne, vor allem in der Natur“, sagt die 1990 in Linz geborene Künstlerin.
Das Projekt
- MURALU ist ein Projekt des Wilhelm-Hack-Museums. Es setzt sich zusammen aus den Wörtern Mural (Wandgemälde) und LU (Ludwigshafen) und ging 2018 an den Start.
- Den Auftakt machte der US-Amerikaner Augustine Kofie, der eine Fläche im Luitpoldhafen gestaltete.
- 2020 verwandelten Parisko und das Kollektiv Blaqk die Rückseite der Sparkasse in der Rheinuferstraße, LIMOW gestaltete eine Wand in der Karlsbader Straße, im Ebertpark wurden mehrere Flächen verschönert.
Der Stil des Duos wird zuweilen als „Urban Jungle“ beschrieben, mit dynamischen Tierfiguren und fantastischen Landschaften. Doch Heinisch möchte die Kunstwerke eigentlich gar nicht in eine solche Kategorie pressen. „Wir machen, wonach uns der Sinn steht. Und die Betrachter sollen sehen, was sie sehen wollen“, sagt sie mit einem Lächeln. In diesem Fall fügen sich Pflanzen und Tiere allemal gut in die Umgebung mit hohen Bäumen ein.
„Arbeiten sehr intuitiv“
14 Meter hoch und zehn Meter breit ist die Wand. Begonnen hat alles mit einer Skizze. Doch diese wird während der Arbeiten noch deutlich ausgeschmückt. „Wir arbeiten sehr intuitiv, viel passiert im Schaffensprozess“, sagt Heinisch. Dabei gibt es zwischen ihr und ihrem Partner eine relativ klare Arbeitsaufteilung. „Ich mache die Tiere und er die Landschaften“, berichtet sie. Am Ende fügt sich alles zusammen.
Gearbeitet wird in einer Mischtechnik - also mit Pinsel und mit Sprühdose. Die Farbe ist auf Mineralbasis und hat eine 20-jährige Garantie, so die Künstlerin. „Wenn man bedenkt, dass sie Wind und Wetter ausgesetzt ist, ist das schon eine Ansage.“ Apropos Wetter: Der Regen Ende vergangener Woche hat Teile der noch frischen Farbe weggespült. „Wenn man da nicht schnell reagiert, ist das Kunstwerk versaut.“
Etwa 200 Meter weiter, Hochfeldstraße 135, hat Agostino Iacurci seinen Hubsteiger abgestellt. Vor ihm liegt eine noch unbemalte knallorangefarbene Wand. Auch der italienische Künstler ist beim Street-Art-Projekt MURALU dabei. Im Laufe der Woche will er eine große Palme in einem Topf auf die Fassade malen. „Es ist ein ganz simples Kunstwerk. Inspiriert vom Klimawandel und davon, dass mittlerweile schon Palmen am Rhein wachsen“, sagt der 35-Jährige. Tropische Pflanzen und Früchte sind ein Steckenpferd für den Mann aus Foggia in Apulien, sie will er nach Deutschland bringen. Auch den in Berlin lebenden Künstler führt das Projekt erstmals nach Ludwigshafen.
Große Projekte stehen bevor
René Zechlin, Direktor des Wilhelm-Hack-Museums, ist ebenfalls vor Ort, um sich die Entstehung der Wandkunst anzusehen. „Das Motto für das Projekt lautet gewissermaßen fantastische Märchenlandschaften. Danach haben wir die Künstler ausgewählt“, berichtet er. Wichtig sei vor allem, dass sich die Werke in die Umgebung einfügen.
Bis Ende Juli werden insgesamt vier Wände im Stadtgebiet gestaltet. Eine dritte Fläche in der Gartenstadt bemalt ab 1. Juli die polnische Künstlerin Natalia Rak, ab 24. Juli ist zudem die Spanierin Lula Goce am Goerdelerplatz im Hemshof zugange. Während es sich dort um die Wand einer Privatperson handelt, sind die drei in der Gartenstadt von der Immobiliengesellschaft GAG zur Verfügung gestellt worden. „Das ist für uns super, denn Privatpersonen zögern erfahrungsgemäß noch oft.“
Nachdem die Wandkunst in Ludwigshafen in den vergangenen Jahren eher langsam angelaufen ist, soll das Projekt jetzt Fahrt aufnehmen. „In diesem Jahr werden auch noch weitere Werke folgen“, verspricht Zechlin. „Auch noch sehr große.“