Ludwigshafen. Wer die einschlägigen Internetseiten mit Immobilienangeboten in Ludwigshafen aufmerksam durchsucht, wird schnell fündig: Neben Quadratmeter- und Zimmeranzahl steht dort manchmal noch eine weitere Information, die auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen mag. „Geeignet für Monteure“ oder „Unterbringung von Monteuren möglich“, heißt es dann in der Beschreibung. Es sind nur wenige Worte, doch sie offenbaren den Blick auf eines der derzeit pikantesten Themen in der Stadt: illegale Beherbergungsbetriebe. Die unerlaubte Unterbringung von Monteuren, meist Wanderarbeitern aus Osteuropa, die wegen Aufträgen bei der BASF, bei Amazon oder bei anderen Firmen in der Stadt sind.
„Das sind Leute, die bewusst Objekte kaufen, um damit in einem kurzen Zeitraum viel Geld zu verdienen.“
Auf die Agenda gekommen sind die problematisch genutzten Immobilien durch Anwohnerproteste in Oppau. Vor allem Lärm und Müll wurden dort im Umfeld der Monteurunterkünfte beklagt. 300 Unterschriften gingen bei der Stadt ein. Doch die illegale Unterbringung von Wanderarbeitern ist nicht nur ein für Anwohner weitgehend ungefährliches Ärgernis. Es steckt viel mehr dahinter: Profitgier, Ausbeutung, Existenzen. Und jede Menge kriminelle Energie.
Wir treffen einen Mitarbeiter der Ludwigshafener Stadtverwaltung. Er kennt die Machenschaften der Betreiber von illegalen Pensionen, ihre Motive, ihr Vorgehen. Aus ermittlungstaktischen Gründen möchte er unerkannt bleiben. Zumal es hier zuweilen um hohe Geldbeträge geht. Teilweise habe man es bei den Kontrollen auch mit dubiosen Strukturen zu tun. Meist dann, wenn neben unerlaubter Unterbringung auch illegale Prostitution eine Rolle spielt.
Bei den Eigentümern oder Betreibern von illegalen Pensionen handelt es sich jedoch in der Regel nicht um kriminelle Netzwerke, berichtet der Mann. „Das sind Leute, die bewusst Objekte kaufen, um damit in einem kurzen Zeitraum viel Geld zu verdienen“, sagt er. „Sie gehen mit einer unglaublichen Energie vor, und sie nehmen keine Rücksicht auf die Menschen, die sie in ihren Räumen unterbringen.“ Die Ausstattung sei oft sehr einfach bis menschenunwürdig, nicht selten werde gegen Brandschutz- oder andere Auflagen verstoßen.
Zweckentfremdungssatzung wird geprüft
Seit Anfang Oktober geht in Ludwigshafen eine sogenannte Taskforce gegen illegale Monteurunterkünfte vor. Eine Einsatzgruppe, für welche die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion drei zusätzliche Stellen bei der Verwaltung genehmigt hat. Zweieinhalb sind bei der Bauaufsicht angesiedelt, eine halbe beim Bereich Öffentliche Ordnung. Bislang sind nach Angaben einer Sprecherin zwei volle Stellen bei der Bauaufsicht besetzt. Sie gehen Hinweisen aus der Bevölkerung nach und sind bei gemeinsamen Kontrollen mit Gewerbeaufsicht und Polizei in den Unterkünften im Einsatz.
Generell bestehe die Bekämpfung illegaler Pensionen aus drei Säulen, schildert der Verwaltungsmitarbeiter: Die Bauaufsicht befasse sich mit baurechtlichen Verstößen, der Bereich Öffentliche Ordnung mit gewerberechtlichen und die Polizei mit strafrechtlichen - etwa gefälschten Urkunden oder Meldebescheinigungen. Untereinander stimmen die betroffenen städtischen Dienststellen und die Polizei die Einsätze ab. „Es gibt immer eine Gefahreneinschätzung im Vorfeld. Dabei wird die personelle Präsenz bezogen auf den Einsatz festgelegt.“ Dies hänge auch von der Anzahl der in einer Unterkunft untergebrachten Menschen ab.
Zutritt zu Gebäuden dürfen sich die Einsatzkräfte nur verschaffen, wenn „gefahrdrohende Zustände“ herrschen. Das bedeutet, dass erhebliche bauliche Mängel bestehen, die für die Bewohner eine Gefahr darstellen. Solche Dinge würden meist im Vorfeld ermittelt. „Bei gefahrdrohenden Zuständen werden die Objekte abgesperrt, geräumt und geleert“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter. Bei den Kontrollen setzen die Beamten dann auf den Überraschungseffekt, um möglichst viele betroffene Personen mit den baurechtswidrigen Zuständen zu konfrontieren. Die Wanderarbeiter seien zwar nicht die Übeltäter, doch nur wenn sie anwesend sind, könne nachgewiesen werden, dass Wohnungen entgegen der genehmigten Nutzung belegt werden. „Meistens handelt es sich um Männer aus Osteuropa. Die sind dann total überrascht. Sie wurden ja einfach nur von ihrer Firma dort eingemietet. Die zeigen sich verständnisvoll, mit denen kann man reden.“
„Wenn wir sie auf ihre Rechtsvergehen ansprechen, schieben sie sich gegenseitig die Verantwortung zu.“
Abgesehen haben es die Beamten aber auf die eigentlichen Verantwortlichen. Die Hauseigentümer, die Vermieter. Meist handelt es sich dabei nicht um ein und dieselbe Person. Eigentümer stellen ihre Immobilien Vermietern zur Verfügung, die dann wiederum an die Monteure beziehungsweise deren Firmen untervermieten. „Wenn wir sie dann auf ihre Rechtsvergehen ansprechen, schieben sie sich die Verantwortung gegenseitig zu“, berichtet der Experte. Wegen Straftaten können die Verantwortlichen aus baurechtlicher Hinsicht nicht belangt werden. Es geht entweder um Ordnungswidrigkeiten oder ordnungsbehördliche Verstöße. Gleichwohl können die Betreiber Bußgelder bis zu 50 000 Euro erwarten, je nach illegal erworbenen Einnahmen sogar noch höhere. Das ist auch abhängig davon, ob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde. „Der gesetzliche Rahmen wird ausgeschöpft“, sagt der Mitarbeiter der Stadt. Wie hoch das bislang saftigste Bußgeld ausgefallen ist, will er jedoch nicht sagen.
Zum Gesprächstermin hat er einige ausgedruckte Fotos mitgebracht. Sie zeigen einen Balkon ohne jegliches Geländer, einen Kellerabgang ohne Brüstung oder bodentiefe Fenster, ebenfalls ungesichert, hinter denen es fünf Meter in die Tiefe geht. „Die wurden sofort versiegelt“, erläutert der Fachmann. Auch Matratzenlager in Kellern oder auf Dachböden sind oft kritisch. „Wir haben schon erlebt, dass einige Menschen auf einem Spitzboden ohne zweiten Rettungsweg untergebracht waren.“ Für den Verwaltungsmitarbeiter ist das verantwortungslos. „So etwas kann im Fall eines Brandes zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen führen“, sagt er. „Wir haben es hier nicht mit einem Kavaliersdelikt zu tun. Hier wird unter Ausbeutung von Menschen schnelles Geld gemacht.“
Betreiber von illegalen Pensionen suchen sich meist Mehrfamilienhäuser für ihre Zwecke aus. Zwei bis drei Geschosse, wenn möglich noch mit Keller und Dachgeschoss. „Die Häuser werden in der Regel auf dem ganz normalen Weg gekauft, etwa wenn eine Eigentümerin oder ein Eigentümer verstorben ist“, so der Experte. „Für die Betreiber ist das eine Kapitalanlage.“ Erfahrungsgemäß werden bis zu 25 Euro pro Bett und Nacht gezahlt, das sind 600 bis 800 Euro pro Bett im Monat. „Durch diese horrenden Summen besteht eine enorme Lukrativität“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter.
Aus diesem Grund sind Mehrfamilienhäuser auch besonders gefragt, weil gleich mehrere Etagen an Monteure vermietet werden können. Erlaubt ist das nicht. „Wohnnutzung ist immer übergeordnet“, so der Fachmann. Bedeutet im Klartext: In einem Gebäude mit zum Beispiel drei Etagen kann lediglich ein Stockwerk genehmigungsfähig als Unterkunft für Arbeiter genutzt werden. Zwei Etagen werden den reinen Wohnzwecken vorbehalten. In der Realität sehe das dann aber doch häufig anders aus.
„Sie sehen die Probleme und wollen sie gelöst haben. Aber wir sind an Recht und Gesetz gebunden.“
Gleichwohl betont der Vertreter der Stadt, dass es in Ludwigshafen auch viele völlig legale Pensionen für Monteure gibt. Dagegen habe die Verwaltung auch keine Handhabe, solange alles genehmigungsfähig ist. „Da müsste man dann schon über den Bebauungsplan festlegen, dass solche Nutzungen ausgeschlossen werden, wenn man diese bauplanungsrechtlich nicht möchte“, sagt er. Für viele Bürger sei nicht ersichtlich, wann eine Unterkunft erlaubt ist und wann nicht. „Die sehen eben die Probleme und wollen sie gelöst haben. Aber wir sind nun mal an Recht und Gesetz gebunden.“
Das rigorose Vorgehen gegen illegale Nutzungen seitens der Stadt in den vergangenen Wochen ist für den Verwaltungsfachmann der richtige Weg. „Es ist ein wichtiges Zeichen an die Bürger - aber auch an die Betreiber. Da geht die Angst um, wann die nächste unangekündigte Kontrolle stattfindet.“ Dafür seien die Mitarbeiter mehrfach in der Woche, anlassbezogen teilweise auch täglich, in der Stadt unterwegs. „Man kommt sich ein bisschen vor wie Sherlock Holmes“, sagt der Mann. Immer auf der Suche nach einem Balkon ohne Brüstung oder einem anderen Detail, das auf die ausbeuterischen Machenschaften der Betreiber illegaler Monteurunterkünfte hindeutet.
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