Ludwigshafen. Er hat den Aufruf auf Flyer und auf ein T-Shirt drucken lassen. Vor allem aber prangt er auf dem großen Plakat im Hemshof, an einer Hauswand in der Hartmannstraße: „Impfen rettet Leben!“ Burkhard Tomm-Bub ist das Thema sehr ernst, 224 Euro hat er ausgegeben, damit das Plakat aufgehängt wird. Er will erreichen, dass sich möglichst viele Menschen in seiner Nachbarschaft gegen das Coronavirus impfen lassen.
Burkhard Tomm-Bub weißes T-Shirt, schwarze Mütze, lange graue Haare, lila Maske – steht am Sonntagabend zufrieden vor der Häuserwand. Am Tag zuvor ist das Plakat angebracht worden. Zehn Tage soll es hängen bleiben und Passanten auf die Impfung hinweisen: auch die vielen Menschen im Hemshof, die nicht oder nur wenig Deutsch sprechen. „Ich will anregen, dass man darüber nachdenkt“, sagt er. „Und ich will Wertschätzung ausdrücken, indem ich die Menschen in ihrer Muttersprache anspreche.“
In zehn Sprachen
Der Impfaufruf ist in zehn Sprachen verfasst, unter anderem auf Englisch, Arabisch und Türkisch, sogar auf Albanisch. Die Übersetzungen hat Tomm-Bub selbst über „Google Translate“ angefertigt – einmal in die Fremdsprache und zur Sicherheit noch einmal zurück ins Deutsche. In der griechischen Version stecke zwar ein Grammatikfehler, hat er später erfahren. Aber das findet er nicht schlimm. Hauptsache, der Inhalt ist verständlich.
Sozialarbeiter und Buchautor
- Burkhard Tomm-Bub ist gelernter Erzieher, Diplom-Sozialarbeiter und hat ein Studium in Erziehungswissenschaften absolviert. Der 63-Jährige ist zudem Autor mehrerer Bücher, unter anderem vom „Handbuch Widerstand gegen Hartz IV“.
- Seit 2007 wohnt er im Ludwigshafener Hemshof, engagiert sich ehrenamtlich im Verein „Respekt: Menschen!“ für Geflüchtete sowie in der Hilfe für Suchtkranke.
- In der Nähe der Kreuzung Hartmannstraße/Von der Tann-Straße in Ludwigshafen hat Tomm-Bub ein Plakat anbringen lassen, das in zehn Sprachen für die Corona-Impfung wirbt. Es soll voraussichtlich bis zum 22. Juni hängen bleiben.
Die Corona-Pandemie treibt den gelernten Sozialarbeiter um – und das hat gleich mehrere Gründe. 2010 lag Tomm-Bub wegen einer Krebserkrankung selbst auf der Intensivstation. Er weiß noch, was das für ein beängstigendes Gefühl war. „Wenn ich höre, dass die Intensivstationen wegen Corona überlastet sind, dann kommen die Bilder wieder hoch.“ Er hat aber auch in seinem Umfeld erleben müssen, dass Covid-19 nicht nur eine harmlose Grippe ist. Eine Bekannte lag mit schwerem Verlauf auf der Intensivstation. Ein Geflüchteter, den Tomm-Bub über sein Engagement im Verein „Respekt: Menschen!“ kannte, ist vor wenigen Monaten an der Krankheit gestorben. „Und der war noch keine 60.“
Natürlich habe sein Engagement auch etwas Egoistisches, sagt er. Tomm-Bub ist über 60, vorerkrankt, gehört damit zur Risikogruppe. „Ich hätte gute Voraussetzungen für einen schweren Verlauf.“ Die eigene Impfung hat er zwar schon bekommen. Doch er hofft, dass möglichst viele Menschen es ihm gleichtun und damit nicht nur sich selbst schützen, sondern auch Familie, Freunde und Bekannte. Und besonders die Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht impfen lassen können.
Die Gründe für mangelnden Impfwillen sind aus der Sicht des Ludwigshafeners vielfältig: mangelndes Wissen, Verschwörungstheorien, aber auch schlechte Kommunikation der Politik zum Beispiel zum AstraZeneca-Impfstoff. Dass es bei dem Thema Überzeugungsarbeit zu leisten gibt, weiß der gelernte Sozialarbeiter auch aus den sozialen Netzwerken. „Ich bin da nicht nur, um Katzenbilder zu teilen.“ Auf Facebook und Youtube ist er aktiv, spricht sich für Corona-Impfungen und für Geflüchtete aus.
Corona in der Region
Ausgerechnet dort, wo einem bei diesen Themen sehr schnell sehr viel Hass entgegenschlagen kann. Im vergangenen Jahr hat Tomm-Bub eine kleine Broschüre zusammengestellt. Er schildert darin Erlebnisse aus seinem Pandemie-Alltag, in dem er als konsequenter Maskenträger oft ausgelacht und beschimpft wurde. Er setzt sich aber auch mit Verschwörungstheorien auseinander, die die Pandemie als Hirngespinst oder als Werk dunkler Mächte darstellen.
Solidarität mit Ilka Sobottke
Zwei Zettel hat Burkhard Tomm-Bub noch an die Plakatwand geklebt: „Solidarität mit Pfarrerin Ilka Sobottke“ steht darauf: Die Mannheimerin hatte die Corona-Impfung in ihrem „Wort zum Sonntag“ in der ARD als Akt der christlichen Nächstenliebe bezeichnet und damit den ungefilterten Hass von Impfgegnern auf sich gezogen.
Zermürben ihn die verbissenen Diskussionen in den sozialen Netzwerken nicht? Nein, sagt Burkhard Tomm-Bub. Sich von Facebook abzumelden, wäre für ihn keine Option. „Wem würde ich denn dann das Feld überlassen?“ Er wird weitermachen – in der virtuellen Welt, aber auch im „echten“ Leben: In einem Karton stecken Hunderte Flyer mit dem Impfaufruf in vielen Sprachen. Die will er noch in den Briefkästen der Nachbarschaft verteilen.
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