Es brodelt in der Kulturszene der Metropolregion. Enjoy-Jazz-Chef Rainer Kern formuliert es so: Es sei völlig unverständlich, dass es keine nennenswerte politische Strömung gebe, die sich dem skandalösen Zustand der Kulturlandschaft in Deutschland annehme – „und das durch alle Parteien hindurch“. Kern: „Dieser Zustand muss geändert werden, hier muss Kulturpolitik handeln – von den Kommunen, über die Länder bis zum Bund.“
Wenn Kern von Kommune spricht, meint er zunächst in erster Linie Ludwigshafen. Die Stadt am Rhein mit ihren Sparplänen ist nämlich Ausgangspunkt einer Art Petition oder offenem Brief der Kulturregion Rhein-Neckar. Kern als einer von sechs Sprechern hat das Schriftstück unterzeichnet, Kernbotschaft: „Wir warnen dringend vor kurzfristigen, pauschalen Sparmaßnahmen, die eine langfristige Existenzbedrohung von Kultureinrichtungen, Projekten oder Festivals bedeuten würden. Der langfristige kulturelle, gesellschaftliche aber auch wirtschaftliche Verlust für Ludwigshafen und die Metropolregion Rhein-Neckar wäre deutlich größer als die kurzfristig eingesparten Finanzmittel.“
Hintergrund ist der Haushalt 2023. Die Stadt hat aufgrund der prekären Haushaltslage umfangreiche Kürzungen im gesamten Etat der Stadt geplant – allerdings nicht ganz freiwillig. Noch vor der Diskussion im Stadtrat beanstandete die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion des Landes Rheinland-Pfalz (ADD), ohne deren Zustimmung der Haushalt nicht beschlossen werden kann, die Haushaltsplanung der Stadt Ludwigshafen. Das Defizit von knapp 98 Millionen Euro für das Jahr 2023 sei für die ADD nicht akzeptabel und müsse reduziert werden, teilte die Direktion dieser Redaktion im November mit. Der nun bereits von der ADD abgelehnte Haushaltsplan würde zu sehr zulasten der zukünftigen Generationen erwirtschaftet werden müssen.
Folgen im Blick behalten
Ähnliche Bedenken bezüglich langfristiger Verluste haben nun die Sprecherinnen und Sprecher der Kulturregion Rhein-Neckar, die den Brief stellvertretend auch für die Netzwerke der Museen und Schlösser sowie Festivals unterzeichnet haben. „Die Initiative zum offenen Brief ging von den Sprechern der Kulturregion Rhein-Neckar aus“, sagt Robert Montoto, Leiter des Kulturbüros. In ihrem Schreiben appellieren sie, den „ohnehin bereits sehr belasteten und im Gesamthaushalt sehr kleinen Kulturbereich, wenn irgend möglich, von Haushaltskürzungen auszunehmen“.
Adressiert ist der Brief an niemand Bestimmten – Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) fühlt sich aber schon mal nicht angesprochen und antwortet Informationen dieser Redaktion nach den Verfassern mit folgenden Worten: „Ich bin die falsche Adressatin für Ihren Appell. Wenden Sie sich bitte an die Landesregierung und die Aufsichtsbehörde ADD. Ich muss meinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen.“
Diese gesetzlichen Verpflichtungen umfassen unter anderem, zu entscheiden, an welchen Stellen gespart werden soll – demnach liegt die Verantwortung im Endeffekt bei der Stadt, auch wenn die Forderung zum Sparen vonseiten der ADD kommt. Wo es nun Kürzungen geben soll, darüber bewahrt die Stadt derzeit Stillschweigen. „Die Stadtverwaltung wird am 30. Januar 2023 im Stadtrat ihre Vorschläge für einen überarbeiteten Haushalt einbringen“, teilt eine Sprecherin von Kulturbürgermeisterin Cornelia Reifenberg mit. Vorher werde sich die Verwaltung nicht zu konkreten Einsparvorschlägen äußern.
„Falsch, an Kultur zu sparen“
An welchen Stellen und wie viel am Ende eingespart wird, bleibt also vorerst unklar. Enjoy-Jazz-Chef Rainer Kern hat jedoch einige Gedanken dazu, wie vorgegangen werden sollte: „Es braucht jetzt einen langfristigen Plan, der mit allen an einem Tisch entwickelt wird und keine undifferenzierte Ad-hoc-Axt.“ Es sollte nicht mehr „State of the Art“ sein, bei finanziellen Engpässen zuerst in der Kultur als „freiwilliger Leistung“ Geld zu streichen. „Diese Regelung ist ein Relikt, das falsch ist und in keinster Weise den Funktionsweisen einer demokratischen Gesellschaft entspricht“, erklärt er weiter.
Weitere Argumente gegen eine Kürzung der Haushaltsplanung im Kulturbereich liefert Christian Holtzhauer, Mannheims Schauspielintendant: „Die in allen Bereichen steigenden Kosten setzen die Kulturinstitutionen ohnehin schon sehr unter Druck. Sollten die öffentlichen Zuschüsse noch zusätzlich gekürzt werden, wird das einige Institutionen schlichtweg an den Rand der Handlungsfähigkeit bringen.“ Auch ohne Kürzungen werde es wahrscheinlich Einsparungen beim Personal und Programm geben.
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