Asyl abgelehnt

Kurdischstämmiger Türke trotz Folter in der Heimat in Ludwigshafen nur geduldet

Hakan Ogur spricht gut Deutsch, hält sich ans Gesetz und hätte sogar einen Arbeitsvertrag. Behörden drohen ihm und seiner Familie aber mit Abschiebung aus Ludwigshafen

Von 
Stephan Alfter
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Sittiye (vom Deutschen Roten Kreuz für ihr Engagement gelobt) und Hakan Ogur wollen gerne in Ludwigshafen leben. Asyl bekommen sie aber nicht. © Stephan Alfter

Ludwigshafen. Hakan Ogur (44) würde gerne beweisen können, was ihm in der Türkei vor etwas mehr als vier Jahren widerfahren ist. Aber welcher Staat stellt schon eine Quittung über eine Folter aus? Seit 2018 kämpft der Mann mit seiner kleinen Familie darum, in Deutschland bleiben zu dürfen. Vom Asylbewerberheim in der Wattstraße aus zieht er fast alle Register, wie er an diesem Montag im Café Korkmaz in der Ludwigshafener Bahnhofstraße glaubhaft schildert. Inzwischen ist klar: Asyl wird der kurdischstämmige Mann hier nicht bekommen. Politisch verfolgt ist nach den Richtlinien des Bundesamts für Flüchtlinge und Migration (BAMF) schließlich nur derjenige, der das auch beweisen kann. „Wegen Teilnahme an einer Anti-Erdogan-Demonstration misshandelt“ – diesen Satz wird ihm in der Türkei wohl kaum jemand beglaubigen.

Bis zum Oberverwaltungsgericht in Koblenz sind Hakan Ogur, seine Frau und die zwei Kinder gegangen – ohne Erfolg. Und das, obwohl bei seiner Tochter eine Epilepsie diagnostiziert ist und bei seiner Frau eine posttraumatische Belastungsstörung existiert, die womöglich mit der Verhaftung ihres Ehemanns im Haus der Familie im türkischen Izmir zu tun hat. In Deutschland waren die Ogurs zuletzt nur noch geduldet, und in diesen Tagen wächst die Angst, dass dieser Status kommenden Woche, am 11. August, beendet sein könnte und dann eine schnelle Abschiebung folgt. Eine Arbeitserlaubnis hat der gelernte Bäcker und Konditor derzeit nicht. Dabei lag ihm ein Arbeitsvertrag der Großbäckerei Görtz mit Sitz in Ludwigshafen unterschriftsreif vor. Einstellungstermin 21. Juli, 15 Uhr, stand drauf. Vom Lohn hätte er seine Familie besser ernähren können als von der staatlichen Unterstützung, die ihm und seiner Familie seit geraumer Zeit zufließt. Arbeitstechnisch liegt die Sache nun auf Eis, weil unklar ist, was mit Ogur geschieht.

Aktivist gegen Erdogan-Partei

Der 44-Jährige war in der Türkei nach eigenen Worten Aktivist der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, als ihn die Polizei vor den Augen seiner Familie festnahm und für Tage ins Gefängnis steckte, um ihm unter Ausschluss der Öffentlichkeit eindringlich zu signalisieren, dass seine Einstellung gegenüber der AKP, der Regierungspartei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, mindestens ein Dorn im Auge ist. „Ich weiß nicht genau, was passiert, wenn ich ausreise, aber wahrscheinlich muss ich in der Türkei wieder ins Gefängnis“, sagt der Familienvater und schluckt.

Die Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein, ob das BAMF der Verfolgungsrealität von Oppositionellen in der Türkei gerecht wird? Hakan Ogurs Geschichte klingt ähnlich wie die vieler anderer Erdogan-Kritiker, die gehofft haben, in Deutschland Zuflucht zu finden. Hier will er niemandem auf der Tasche liegen. Er will arbeiten und sich eine Existenz aufbauen. Politisch steht er nach eigenen Worten auf der Seite von Demokratie, Gleichberechtigung, Pluralität. Die HDP, die Partei, die er unterstützt, kämpft in der Türkei für eine grünere Politik und die Rechte von Minderheiten.

Dass Hakan Ogur selbst eine soziale Ader hat und eine Gruppe bereichern kann, bestätigt Carmen Arnold, die er gewissermaßen als Mentorin mit ins Café Korkmaz gebracht hat. Arnold ist seine Deutschlehrerin an der Volkshochschule. Sie verliert selbstverständlich kein schlechtes Wort über ihren Schützling. Er sei der fleißigste und beste Schüler in der Klasse und engagiere sich sehr in der Gruppe, sagt sie und fragt sich, warum man solche Menschen abschieben möchte. Sie wisse nicht zuletzt von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD), dass Erwerbstätigkeit, Sprachkenntnisse und Akzeptanz der Rechtsordnung entscheidende Kriterien für eine erfolgreiche Integration seien. All dies erfülle Hakan Ogur nach ihrer Beobachtung.

In der Tat spricht der Mann ganz gut Deutsch – wenn er nicht gerade sehr aufgeregt ist. Und das ist er in diesen Tagen, denn die Ausländerbehörde der Stadt Ludwigshafen will am 11. August die Schulzeugnisse der Kinder sehen, alle Ausweispapiere und vor allem auch aktuelle Lohnabrechnungen nebst Bearbeitungsgebühr von 33 Euro. Lohnabrechnungen, obwohl er keine Arbeitserlaubnis hat? Für eine weitere Duldung könnte der Gesundheitszustand der Familienmitglieder überdies von Relevanz sein. Insofern hat der Familienvater einige Atteste aus den vergangenen drei Jahren gesammelt. Ein Ludwigshafener Mediziner, dessen Name auf eine türkische Herkunft hindeutet, hat immer wieder Medikamente für Ogurs Frau verschrieben – gegen Angststörung, Depression und Bluthochdruck zum Beispiel.

Deutschlehrerin hat Fragen

Unterdessen haben Fragen dieser Redaktion zu einer Antwort der Stadtverwaltung geführt. „Familie Ogur ist vollziehbar ausreisepflichtig“, heißt es da. Einen Ausweg aus der akuten Situation könnte nun die am 6. Juli beschlossene Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts bringen. Ob die Familie Ogur diese Voraussetzungen erfüllt, werde zur Zeit geprüft, so die Verwaltung. Die derzeit geltende Duldung werde insofern am 11. August verlängert. „Wir haben in der Nacht seit langer Zeit ruhig geschlafen“, kommentierte der Familienvater die neueste Entwicklung am Montag.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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