Sicherheit - 200 Fachkräfte beschäftigen sich bei Notfallkonferenz mit dem Schutz von Krankenhäusern bei Anschlägen

Klinik probt für Terrorfall

Von 
Christine Brehm
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Der Übungspatient hat radioaktive Strahlung abbekommen und muss gereinigt werden. © Keiper

Ludwigshafen. Hell surren die Luftfilter, ununterbrochen rascheln die Überdruckanzüge. Nur mit wenigen Gesten verständigen sich die Notfallpfleger, eine Frau, zwei Männer, und heben den Patienten vorsichtig von der Trage auf eine spezielle Liege. Nachdem sie ihn ausgezogen haben, duschen sie ihn, um ihn zu dekontaminieren. Der 80 Kilogramm schwere Dummy soll ein möglichst realistisches Szenario einer Strahlenverletzung darstellen. Auf der dritten Notfallkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), die am Freitag in der BG Klinik Ludwigshafen stattgefunden hat, haben rund 200 Fachkräfte und Experten geübt und diskutiert, wie Krankenhäuser in lebensbedrohlichen Einsatzlagen geschützt werden können.

Ein Terrorschanschlag mit chemischen oder atomaren Waffen, ein Amoklauf – das sind Szenarien, mit denen auch ein Krankenhaus rechnen muss. „So etwas kann jeden Tag zu jeder Zeit passieren“, erklärt Professor Paul Grützner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen. Schwerverletzte versorge seine Klinik täglich, aber auf eine größere Masse an Verletzten müsse sich ein Krankenhaus dennoch vorbereiten. „Das ist allein gar nicht zu schaffen, daher müssen die Schnittstellen und Abläufe mit anderen Kliniken und in einem solchen Fall beteiligten Institutionen geklärt sein. Das geht nur mit üben.“

Staatliche Vorsorgepflicht

Unterstützt werden die Experten der Unfallchirurgie von der Bundeswehr. „Die Wunden nach Schussverletzungen oder Verletzungen durch Explosionen sind andere als die nach Unfällen, daher schulen wir die zivilen Ärzte, damit sie im Notfall schneller handeln können“, betont Ulrich Baumgärtner, Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Deren Krankenhäuser sind auch Teil der Versorgung der Zivilbevölkerung, die der Staat im Rahmen seiner Vorsorgepflicht schützen müsse. Krankenhäuser seien vor Anschlägen kaum zu schützen, da sie immer zugänglich und damit ein potenzielles Ziel seien, ergänzt Professor Benedikt Friemert, Oberarzt vom Bundeswehrkrankenhaus in Ulm. Dennoch gebe es Maßnahmen, um im Attentatsfall ein Krankenhaus sicherer zu machen, wie etwa die Aufnahme der Patienten außerhalb der Klinik, um so weitere Attentäter aussortieren zu können.

Gemeinsam Notfallpläne für alle Bereiche – auch die Datenverarbeitung – zu entwickeln und diese zu üben, sei genauso wichtig wie Brandschutzübungen, so Professor Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGU. Kliniken hätten kaum noch Kapazitäten frei und eine Übung wie die Notfallkonferenz auszurichten, koste 100 000 Euro. Pennig sieht die Krankenhausträger und die Politik in der Pflicht, mehr Geld für den Katastrophenschutz zur Verfügung zu stellen. Reinhard Nieper, Vorsitzender der Geschäftsführung der BG Kliniken, schätzt die Gefahr eines Anschlags auf eine öffentliche Einrichtung wie ein Krankenhaus als nicht gering ein.

Auch die Feuerwehren der Stadt Ludwigshafen und der BASF beteiligen sich an der Übung, etwa mit einem Dekontaminationsfahrzeug und einem Rüstwagen. Traditionell arbeiten die BASF-Feuerwehr und die Unfallklinik eng zusammen, schließlich ist sie erste Anlaufstelle für schwerer verletzte Mitarbeiter des Chemieriesen und eine Chemiefabrik ebenfalls ein potentielles Ziel.

In der Strahlenklinik haben die Pfleger unterdessen den Dummy gewaschen und abgetrocknet. Mit einem Geigerzähler kontrollieren sie die Radioaktivität des Patienten. Seine Kleidung wandert in eine geschlossene Box. Dann schieben sie ihn aus dem Dekontaminationsbereich in die Patientenstation und die Strahlenklinik ist wieder leer.

Notfallkonferenzen

  • Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie und der Sanitätsdienst der Bundeswehr möchten mit den Notfallkonferenzen die medizinische Kompetenz für die Versorgung von Terroropfern weiterentwickeln.
  • In rund 600 Traumazentren werden in Deutschland Verletzte versorgt.
  • Über 200 Teilnehmer diskutierten in Vorträgen zeitgemäße Maßnahmen, stellten Schwachstellen in Kliniken fest und erörterten Lösungsmöglichkeiten.
  • Bislang wurden mehr als 350 Ärzte aus zehn regionalen Traumanetzwerken für den Ernstfall trainiert.
BG Klinik

Ludwigshafen: Ärzte proben für den Ernstfall

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