Kindertheater

KiTZ Theaterkumpanei Ludwigshafen will mehr Rücksicht auf vielfältige Gesellschaft nehmen

Wird Kindertheater in Europa zu sehr aus der Perspektive von Weißen erzählt, obwohl die Gesellschaft immer vielfältiger wird? Die KiTZ Theaterkumpanei will sich verändern und auch dieser Frage auf den Grund gehen

Von 
Julian Eistetter
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Bärbel Maier (3.v.l.) und Peer Damminger (4.v.l.) von der KiTZ Theaterkumpanei bei einer früheren Reise in den Iran. © KiTZ Theaterkumpanei

Ludwigshafen. Bärbel Maier und Peer Damminger haben sich mit ihrer KiTZ Theaterkumpanei in Ludwigshafen und darüber hinaus einen Namen gemacht. Ihre Stücke spielen sie auf ihrer kleinen Bühne in Mundenheim, bei Festivals oder direkt an Schulen. Ihr Kindertheater und ihr Programm haben sich stets bewährt, kommen beim meist jungen Publikum gut an. Und dennoch wollen sich die Schöpfer jetzt noch einmal komplett neu erfinden. „Wir wollen und müssen uns als Theaterschaffende verändern“, sagt Maier im Gespräch mit dieser Redaktion. Dabei gehe es sowohl um die zu behandelnden Themen als auch um die Form der künstlerischen Präsentation in einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft.

Bis zu 20 000 Euro über drei Jahre

Um dies erreichen zu können, hat sich die KiTZ Theaterkumpanei um eine Landesförderung beworben - und war erfolgreich. Vom rheinland-pfälzischen Kulturministerium gibt es in den Jahren 2022 bis 2024 jeweils bis zu 20 000 Euro. Maier und Damminger wollen diese insbesondere dafür nutzen, ihre Netzwerke im Ausland zu stärken, zu reisen und eine neue Perspektive auf Kindertheater generell und die eigene Arbeit im Speziellen zu erhalten. Im September geht es für zehn Tage in den Iran, weitere Reisen sind nach Ruanda und Portugal geplant. Daneben sollen bereits bestehende Stücke in andere Sprachen übersetzt werden. „Wir wollen uns öffnen. Wir gehen in die Welt, um unser Zuhause zu verstehen, das sich in den vergangenen Jahren stark verändert hat“, erklärt Damminger. „Dazu wollen wir Künstlerinnen und Künstler finden, die ihre Erfahrungen mit uns teilen. Wir machen uns leer, um uns neu aufzuladen.“

Das Kindertheater

  • Das Ensemble der KiTZ Theaterkumpanei ist eines der ältesten professionellen freien Theater in der Region.
  • Es ging im Jahr 1995 aus dem Theater Montage hervor, das Bärbel Maier und Peer Damminger 1989 mit vier weiteren Künstlern gegründet hatten.
  • Alle Stücke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind mobil und werden im süddeutschen Raum gezeigt.
  • Es gibt Gastspiele in Schulen, Kindergärten, Jugendhäusern und bei Festivals. Der Theaterladen befindet sich in der Rheingönheimer Straße 110 in Mundenheim.

Auslöser für den Impuls, die eigene Arbeit reflektieren und umkrempeln zu wollen, seien gleich mehrere Faktoren gewesen. Zum einen habe sich in der Pandemie beim Spielen vor deutlich kleineren Gruppen eine Entwicklung hin zum Dialogischen vollzogen. „Der Dialog mit den Kindern ist Teil der Performance geworden“, sagt Damminger. Dabei gehe es aber nicht um ein Mitmachtheater, sondern darum, die Handlung anzuhalten und gemeinsam mit dem jungen Publikum Handlungsoptionen für die Figuren zu erörtern und so auch Themen anzusprechen, die auch die Jungen und Mädchen selbst beschäftigen könnten.

Der zweite Impuls sei aus dem Weltkongress für Kinder und Jugendtheater in Tokio gekommen, wo eine dunkelhäutige Theaterwissenschaftlerin weiße Kolleginnen dafür kritisiert habe, dass die Geschichten in Europa fast ausschließlich aus der weißen Perspektive erzählt werden, was die vielfältige Zusammensetzung der Gesellschaft nicht widerspiegele. Diese Aussage habe sich laut Damminger mit Eindrücken aus einer Rassismusfortbildung gedeckt, die Maier und er vor längerer Zeit besucht hatten. Eine bleibende Erkenntnis daraus sei gewesen, dass Geschichtenerzähler die Welt nicht nur beschreiben, sondern vielmehr gestalten. „Wir haben also eine starke Verantwortung - erst recht bei jungem Publikum, denn da gibt es noch keine geschlossenen Weltbilder“, so Damminger.

Und so begibt sich das Paar, das gemeinsam drei Kinder hat, auf mehrere große Recherchereisen. Um neue Perspektiven einzunehmen, Informationen zu sammeln und Filmmaterial zu erstellen. Und auch, um die eigene Arbeit einer Betrachtung durch andere Kulturen zu unterziehen. In den Zeiten dazwischen laufe aber das bewährte Programm weiter, versichern die beiden. „Wir legen jetzt nicht plötzlich einen Schalter um, sondern spielen unsere alten Stücke noch weiter“, sagt Damminger.

In Ludwigshafen sehr wichtig

Perspektivisch sollen die eigenen Stücke dann aber kürzer und dialogischer werden. Teilweise nonverbal, damit sie hier und anderswo zeigbar sind, faktenbasiert und dokumentarisch. „Die Ästhetik der Geschichten wird sich total verändern“, sagt Maier. Im Grunde mache man sich aber auf eine Suche, ohne das Ergebnis bereits im Vorfeld zu kennen. „Das ermöglicht uns die Landesförderung, über die wir extrem happy sind.“ Die bis zu 20 000 Euro jährlich werden dafür jedoch nicht ausreichen, kündigen die beiden an. „Wir werden noch eigene Rücklagen reinstecken.“

Maier und Damminger sind 59 und 57 Jahre alt. „Natürlich könnten wir jetzt noch die nächsten zehn Jahre bis zum Ruhestand einfach so weiter machen. Aber das reicht uns nicht“, betont Damminger. Gerade in Ludwigshafen, einer Stadt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kulturen, sei es wichtig, diesen neuen Weg zu gehen und neue Perspektiven einzunehmen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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