Gesellschaft - Migranten erzählen in der BBS Technik 1 von ihren Lebenswegen / Online-Museum vorgestellt

Integration macht Schule

Von 
Martin Geiger
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Jannis Stefanakis (M.), Silva Burrini (3.v.r.) und Ercan Demirel (2.v.r.) mit Schülern der Berufsbildenden Schule Technik 1.

© Tröster

Wer sich immer mal wieder mit dem Thema Migration beschäftigt, hat oft genug den Eindruck, dass es bei der Integration wenig bis keine Fortschritte gibt. Das ist aber falsch. Das beweisen Silva Burrini und Ercan Demirel gestern eindrucksvoll in der Berufsbildenden Schule (BBS) Technik 1, wo das Online-Migrationsmuseum "Lebenswege" einen Tag im Mittelpunkt des Unterrichts der zwölften Klassen stand.

Beide sitzen nebeneinander auf dem Podium und berichten von ihren Erfahrungen. Silva Burrini, graue Haare, rote Weste, Goldkette, ist 1957 als 17-Jährige aus Italien nach Deutschland gekommen. Sie erzählt, dass den Italienern damals immer vorgeworfen wurde, sie seien zu laut; dass die Kinder nicht mit denen der Deutschen spielen durften; und dass eine Lehrerin einem Viertklässler sagte, sie würde ihm eine Empfehlung fürs Gymnasium geben, "wenn er kein Ausländer wäre".

"Gibt keinen Rassismus im Alltag"

Ercan Demirel, graue Sneakers, weiße Jeans, glänzender Ohrring, ist 1984 in Mainz geboren, als Enkel eines ausgewanderten Türken. Er sagt: "Wenn ich auf die Straße gehe, denke ich nicht: Pass auf, du bist jemand, der eine andere Kultur hat. Das ist für mich gar kein Thema mehr. Für mich gibt's keinen Rassismus im Alltag." Es muss sich also etwas verändert haben.

Dennoch bleibt Integration ein wichtiges Thema: für Rheinland-Pfalz, wo laut Integrationsministerin Irene Alt rund 20 Prozent der Menschen Wurzeln in einem anderen Land haben; für Ludwigshafen, wo diese Zahl laut der städtischen Integrationsbeauftragten Hannele Jalonen bei etwa 40 Prozent liegt; und für die BBS Technik 1, wo in einigen Bereichen mehr als 40 Prozent der Jugendlichen einen sogenannten Migrationshintergrund haben, wie Schulleiter Albert Schweigert sagt.

Das ist einer der Gründe, weshalb das Migrationsmuseum hier vorgestellt wird, erklärt Lehrerin Magret Gerdes-Pfeiffer: "Wir haben da eine gewisse Sensibilität und versuchen gemeinsam, das Miteinander der Schüler zu stärken." So erzählen Migranten verschiedener Generationen wie Burrini, Demirel und Jannis Stefanakis von ihren Ängsten, Hoffnungen und Erlebnissen. Von ihren Lebenswegen eben.

Silva Burrini erklärt etwa, wie sie den Zwiespalt, Wurzeln in zwei Ländern zu haben, für sich aufgelöst hat: "Ich bin an zwei Orten zu Hause." Ercan Demirel betont: "Es ist wichtig, wie man es selbst sieht. Wenn man ein selbstbewusstes Bild hat, kommt man super klar. Und die Sprache ist echt wichtig." Stefanakis fügt hinzu, was für ihn Voraussetzung ist: "Man darf nicht provozieren in einem fremden Land. Man muss sich den Gewohnheiten anpassen."

"Ein immer präsentes Thema"

Die Jugendlichen hören interessiert zu, "weil es uns selbst betrifft", sagt Yasim Par. Seine Eltern sind Türken, er wurde in Hamburg geboren, kam vor ein paar Jahren nach Ludwigshafen und "fand's gut, die Perspektive von alten Menschen gehört zu haben. Die wissen, wie es abgeht." Auch seinen Kumpel Tolunay Celik, Enkel türkischer Auswanderer, interessiert es, "wie es denen früher ging". Heute, sagt er, haben Migranten zwar mehr Möglichkeiten. Diskriminiert würden sie teilweise aber weiterhin: "Wenn eine Gruppe von Ausländern Mist baut, werden alle in den gleichen Sack gesteckt."

"Integration ist ein immer präsentes Thema", findet auch Shila Bli, die als Zweijährige aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist, "weil es eine Differenz ist, die einen prägt." Ein bisschen wird die Zwölftklässlerin vielleicht auch dieser Tag prägen. Denn aus der Diskussion hat sie etwas mitgenommen, verrät sie: "Es gibt einem Zuversicht, weil man sieht, dass Menschen, die Ausländer sind, auch was werden können."

Migrationsmuseum "Lebenswege"

Das Museum dokumentiert die Geschichte der Arbeitsmigration in Rheinland-Pfalz von 1955 bis heute.

Es ist ein virtuelles Museum, das also nur im Internet existiert.

Als es 2009 von der rheinland-pfälzischen Landesregierung initiiert wurde, war es deren Angaben nach eines der ersten Online-Museen in Deutschland.

In der Dauerausstellung werden Anfänge, Hintergründe sowie Daten und Fakten der Arbeitsmigration dargestellt.

Zudem werden exemplarisch die Lebensgeschichten von Migranten erzählt. Das geschieht multimedial, also mit Texten, Bildern, Interviews und Videos.

In einer Sonderausstellung werden zudem einzelne Ereignisse vertieft dargestellt.

Zu finden ist das Museum unter: www.lebenswege.rlp.de

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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