Ludwigshafen. „Tena koutou katoa!“ Mit einem herzlichen „Hallo“ auf Maori begrüßt Alexandra Hineraa Hodge die Besucher am Ortsrand von Rheingönheim. Auch das folgende, einem Gedicht ähnelnde „Pepeha“ entstammt der Sprache der ersten Bewohner Neuseelands. Der Tradition entsprechend die Verbindung zu den Vorfahren herzustellen, darum geht es an diesem Samstag in besonderer Weise.
Der Onkel der Vortragenden heißt Adrian Douglas. Als Funker war er Teil einer Crew, die nie in die Heimat zurückkam. In der Nacht vom 5. zum 6. September 1943 befand sich Warrant Officer Douglas an Bord der britischen Stirling EE872 OJ-N. Das Ziel seines Flugs: Ludwigshafen und Mannheim. Mehr als 500 Bomber kamen bei dem schweren Angriff zum Einsatz, 35 Maschinen der 149. Staffel der Royal Air Force schoss die deutsche Luftabwehr ab. Auch EE872 zerschellte, sechs der sieben Besatzungsmitglieder fanden den Tod.
Dank Zeitzeugen konnten Ereignisse rekonstruiert werden
Um an Adrian und seine Kameraden zu erinnern, steht nun ein Gedenkstein am Rand eines Ackers. Zur feierlichen Einweihung reisten 20 Nachkommen in die Pfalz, 22 Stunden dauerte der Flug von Neuseeland. Auch Militärvertreter von Royal Air Force, Royal New Zealand Air Force und Luftwaffe erwiesen den Gefallenen die Ehre.
Initiator des Projekts ist Erik Wieman. Der Mitbegründer der IG Heimatforschung spürt vor allem dem Schicksal von Weltkriegsmaschinen nach. Acht Gedenksteine hat die 2016 gegründete Interessengemeinschaft schon enthüllt. „Geschichte vor dem Vergessen bewahren und für die Nachwelt erhalten“, so lautet die selbstgegebene Aufgabe.
Nur einer überlebte
- Mehr als 500 Kampfflugzeuge griffen in der Nacht vom 5. zum 6. September 1943 Ludwigshafen und Mannheim an. 128 Menschen starben in der Chemiestadt, 90 Prozent des Zentrums wurden zerstört.
- Zu den 35 abgeschossenen Bombern gehört auch die Stirling EE872 der 149. Staffel der Royal Air Force. Von den sieben Besatzungsmitgliedern überlebte nur eines.
- Im Sinne der Völkerverständigung hat die IG Heimatforschung in Rheingönheim ein Denkmal enthüllt. Zur Einweihung kamen auch Nachfahren aus England und Neuseeland.
Die Ereignisse vom September 1943 konnte Wieman gut rekonstruieren, auch dank eines Zeitzeugen. 2004 meldete sich ein Mann, der den Absturz gesehen hat. Trümmer wurden gefunden. 2017 intensivierte das Team von Wieman die Forschungsarbeit. Immer mit einbezogen: die Denkmalbehörde in Speyer. Gleichzeitig suchte und fand man Kontakt zu Nachfahren. Überreste der Besatzung waren schon gleich nach dem Abschuss geborgen und am 8. September 1943 auf dem Hauptfriedhof beigesetzt worden. Die Umbettung auf den Dürnbacher Militärfriedhof erfolgte nach Ende des Kriegs.
Douglas war eigentlich zu jung für den Dienst
Was sich wenige Meter vom heutigen Gedenkstein abgespielt hat, beschrieb Wayne Douglas, Neffe des verunglückten Funkers. Dieser habe den Heckschützen Harry Barnard noch dahingehend gewarnt, dass der Rest der Besatzung bereits „tot auf den Sitzen“ liege. Während Barnard mit dem Fallschirm der Absprung gelang, schaffte Douglas es nicht mehr.
Als „großer Krieger“, der seinem britischen Kameraden bis zuletzt half, sei er gestorben, heißt es in der E-Mail, die Erik Wieman 2019 an eine Reporterin der Rotorua Daily Post verschickte. Tragisches Detail: Warrant Officer Douglas, geboren 1920, galt als zu jung für den Dienst bei der Air Force. Die Zustimmung erteilten die Eltern nur widerwillig.
Als Sohn des einzigen Überlebenden sprach in Rheingönheim Steve Barnard. Vater Harry hatte den Rest des Krieges in Deutscher Gefangenschaft verbracht. Gesprochen über das Erlebte habe er nie. „Mein Vater“, so der Sohn, „war ein friedlicher Mann und lehnte jede Form von Strafe gegen Leib und Leben ab.“ Vollständig erholt hat sich der Veteran jedoch nicht. In seinen Fünfzigern starb Barnard an einer Herzerkrankung. Auch auf Kritik am Bomber Command ging der Nachkomme ein. Letztendlich sei der Konflikt verkürzt worden, und „die tapferen Flieger haben Befehle befolgt.“
Was auf dem Gedenkstein steht
Dass die Auswirkungen des Angriffs am Boden in der Tat drastisch waren, bezifferte Stadthistoriker Klaus Becker: „Mehrere Stunden lang warfen die Bomber zunächst 357 Sprengbomben und dann 77.250 Brandbomben auf Ludwigshafen, 5135 Gebäude wurden getroffen.“ 128 der insgesamt 1778 Luftkriegsopfer der Stadt waren allein in jener Nacht zu beklagen. Das Gedenken an die Toten beider Seiten hob auch Group Captain Mark Heffron hervor, Air Attaché an der britischen Botschaft in Berlin. Alle Betroffenen hätten am Ende das „höchste Opfer für ihr Land“ erbracht.
Auch auf dem Gedenkstein, an dessen Fuß Militärvertreter Kränze niederlegten, prangt eine völkerverbindende Botschaft: „Im Gedenken an alle militärischen und zivilen Opfer des 5./6. September 1943, im Namen der Völkerverständigung und als Mahnmal gegen den Krieg.“ Darüber stehen die Namen und Daten der Crew-Mitglieder. An Bord der Stirling EE872 flogen damals mit: Pilot Andrew Brown (Flight Sergeant, Royal Air Force), Navigator Alex Holms (Flight Sergeant, Royal New Zealand Air Force), Flugingenieur Douglas Guest (Sergeant, RAF), Funker Adrian Douglas (Warrant Officer, RNZAF), Bombenschütze David Badcock (Flight Sergeant, RNZAF), Turmschütze Henry Saunders (Sergeant, RAF) und Heckschütze Harry Barnard (Sergeant, RAF).
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