Klassik

Ein Ende ohne finalen Jubel

Tarmo Peltokoski und die Staatsphilharmonie

Von 
Alfred Huber
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Sich mit Rachmaninow zu beschäftigen sei nur „vertane Zeit“, befand einst der Pianist Alfred Brendel. Da ist sein jüngerer Kollege Joseph Moog, 1987 in Ludwigshafen geboren, gewiss anderer Meinung. Zwar wird Rachmaninows drittes Klavierkonzert, das er im Feierabendhaus der BASF hinreißend emphatisch spielte, häufig noch immer als harmlos und missglückt eingestuft. Doch wer wie Moog, bravourös begleitet von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter dem finnischen Dirigenten Tarmo Peltokoski, ihm derart konsequent form- und stilsicher begegnet, beweist nicht nur dessen Modernität, sondern auch Rachmaninows kompositorische Qualitäten. Und da Moog, untadelig genau und sensibel in der Tongebung, sich nicht scheut, gelegentlich auch das Plakative dieser Musik zur Schau zu stellen, all die ästhetisch fein verwobenen Oberflächenmuster, regt er beides an: Intellekt und Gefühl.

Dass Tarmo Peltokoski schon in jungen Jahren zu jenen einfühlsamen Dirigenten gehört, die den Partituren subtile Klangfarben und kontrastreiche Beleuchtungswechsel entlocken können, unterstreicht er bereits zu Beginn mit Modest Mussorgskis fast impressionistisch wirkender „Morgendämmerung über der Moskwa“. Geleitet von Peltokoskis sparsamer Gestik entfalten sich auf kleinstem Raum feinste Tonbewegungen, um allmählich zu einem orchestralen Kollektiv zu verschmelzen. Prägende Zeichen einer Dirigenten-Handschrift sind das, die sich auch in der dramatisch aufgeladenen „Pathétique-Sinfonie“ von Peter Tschaikowski finden. Peltokoskis weitsichtige, transparent angelegte Perspektiven erzeugen eine Sphäre des sinnlich Wahrnehmbaren, das sich bisweilen jedoch dem begrifflich Fassbaren entzieht.

Bevor Tschaikowskis Werk im Adagio lamentoso schmerzlich ohne finalen Jubel erlischt, ist man Peltokoski und der fabelhaft agierenden Staatsphilharmonie durch kunstvoll ausbalancierte musikalische Architekturen gefolgt zu existenziellen Abgründen und brutal heftigen Ausbrüchen. Dirigent und Orchester zeigen, dass es neben beglückend lyrisch inspirierten Stellen bei Tschaikowski auch Momente gibt, deren dröhnende Zumutung die ganze Unbehaustheit menschlichen Lebens hörbar werden lässt.

Freier Autor Geboren 1941, Studium Musikheorie/Musikwissenschaft, Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte in Mannheim und Heidelberg Volontariat Mannheimer Morgen, Redakteur, anschließend freier Journalist und Dozent in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenbildung. Ab 1993 stellvertretender Ressortleiter Kultur, ab 2004 bis zur Pensionierung Kultur-Ressortleiter.

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