Ludwigshafen. Der große Ansturm ist vorbei. Abertausende Menschen haben in den vergangenen zehn Monaten eine der Impfstraßen im ehemaligen Real-Markt in der Ludwigshafener Walzmühle durchlaufen. Seit 1. Oktober ruht der Betrieb dort nun, doch im Gegensatz zu den meisten anderen Impfzentren in Rheinland-Pfalz wurde das in der Chemiestadt noch nicht abgebaut. Wie acht weitere Einrichtungen wird es in den Standby-Modus versetzt. Das bedeutet, dass die Infrastruktur noch bis Jahresende erhalten bleibt - für den Fall, dass ein schnelles Wiederhochfahren notwendig werden sollte. Darüber, und über die vergangenen Monate, hat diese Redaktion mit dem Organisationsteam der Ludwigshafener Impfkampagne gesprochen: Ramona List, Patrick Weiß und Sabine Stadlthanner.
Tränen zum Abschluss
Für die beiden Impfkoordinatoren List und Weiß ist alles noch ein bisschen unwirklich. Nach gut einem Jahr intensiver Arbeit fühlt sich das Ende des Betriebs in der Walzmühle für sie noch merkwürdig an. Bei dem einen oder der anderen der 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien Tränen geflossen, berichtet List. „Es war eine absolut prägende Zeit. Wir haben hier Historisches geleistet“, bilanziert Weiß. So ganz hat der Büroleiter des Beigeordneten Andreas Schwarz aber noch nicht mit dem Impfzentrum abgeschlossen. „Im Hinterkopf ist schon noch, dass morgen der Anruf kommen kann und wir wieder hochfahren müssen“, sagt er.
Denn insgesamt neun Impfzentren hält das Land in einem Standby-Betrieb. Neben Ludwigshafen sind das noch Kaiserslautern, Mainz, Germersheim, Rhein-Lahr-Kreis, Koblenz, Trier, Mainz-Bingen und Neustadt. Diese Impfzentren könnten in wenigen Tagen wieder betriebsbereit sein, sollte die Pandemie-Lage das erforderlich machen. „Die Infrastruktur bleibt komplett bestehen. Um zu starten, bräuchten wir nur das Personal, dann könnten wir direkt loslegen“, sagt Weiß. Die städtischen Mitarbeiter würden dann wieder in die Walzmühle abgeordnet, und auch die vielen externen Helfer wie Ärzte, medizinisches oder pharmazeutisches Fachpersonal und Apotheker stünden bereit, erläutert Stadlthanner.
Mehr als 100 000 Euro reine Mietkosten lässt sich das Land die schnelle Notfall-Reaktivierung des Impfzentrums für drei Monate kosten. Die bisherigen Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 2,5 Millionen Euro. Ob die Impfstraßen tatsächlich nochmals in Betrieb genommen werden, hängt laut List und Weiß maßgeblich von den politischen Entscheidungen ab. „Wenn irgendwann für alle Altersklassen eine Auffrisch-Impfung empfohlen wird, könnte es schon noch mal zu einem Ansturm kommen, dem die Arztpraxen nicht gewachsen sein könnten“, sagt List. Tendenziell gehen sie und Weiß aber davon aus, dass ein Neustart nicht erforderlich sein wird.
Zahlen und Fakten
- Im Impfzentrum in der Walzmühle sind seit dem 7. Januar insgesamt 95 000 Impfungen verabreicht worden. 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren dort insgesamt beschäftigt.
- Ende September wurde der Standort wie acht weitere im Land in einen Standby-Modus versetzt. Innerhalb weniger Tage könnte der Betrieb wieder starten.
- Kosten von 2,5 Millionen Euro hat das Impfzentrum insgesamt hervorgerufen. Das Land übernimmt diese zu 100 Prozent.
Für die Impfkoordinatoren waren die vergangenen Monate eine sehr herausfordernde Zeit. Im Oktober 2020 kam der Auftrag, Räume für ein Impfzentrum in der Stadt zu finden und einzurichten. Am 26. Dezember wurde der erste Impfstoff geliefert - unter Polizeischutz. Die ersten Immunisierungen erfolgten nach dem Jahreswechsel. „Diese schier unendliche Flut von Informationen - das bleibt hängen“, sagt List. Nahezu stündlich habe man sich auf neue Gegebenheiten und Vorgaben einstellen müssen. Das Hin und Her mit dem Impfstoff AstraZeneca etwa habe man vor Ort ausbaden müssen - und den Unmut der Impflinge ungefiltert abbekommen.
„Kampf um jede Spritze“
95 000 Impfungen wurden in den vergangenen zehn Monaten in der Walzmühle verabreicht, darunter 2500 an unter 18-Jährige und 619 Auffrisch-Impfungen. Während anfangs der Impfstoff knapp war, sei es irgendwann täglich „ein Kampf um jede Spritze“ geworden, damit nichts weggeworfen werden musste, so Weiß. Dabei geholfen hat auch das Angebot Impfbrücke, mit dem kurzfristig abgesagte Impftermine neu vergeben werden konnten. Insgesamt mussten laut List 80 aufgezogene Spritzen entsorgt werden.
Gegen Ende sei die Nachfrage jedoch noch mal deutlich angestiegen. „Als bekannt wurde, dass die Tests kostenpflichtig werden und es keine Lohnfortzahlung mehr gibt. Außerdem kam die Erkenntnis, dass wir wirklich schließen“, erläutert die Impfkoordinatorin. Dennoch hat sie das Gefühl, dass ihre „Mission“ noch unvollendet sei. Die Quote der vollständig Geimpften lag Anfang Oktober in Ludwigshafen bei 67,64 Prozent. „Das ist noch weit weg von einer Herdenimmunität“, sagt sie. Gleichwohl findet sie es richtig, dass die Impfungen nun ins Regelsystem der Ärzte übergehen.
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