Ukraine-Krieg - Vorstandschef Martin Brudermüller warnt eindringlich vor Lieferstopp / Extreme Folgen für Werk Ludwigshafen

BASF-Werk Ludwigshafen bereitet sich auf russisches Gasembargo vor

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Bettina Eschbacher
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BASF-Chef Martin Brudermüller (rechts) während seiner Rede bei der virtuellen Hauptversammlung mit den übrigen Vorstandsmitgliedern im Hintergrund. © BASF

„Sonderalarmplan Erdgas“ - hinter diesem sperrigen Wort verbergen sich alle Aktivitäten, mit denen sich BASF am Standort Ludwigshafen auf gekürzte Gaslieferungen vorbereitet. Bei der virtuellen Hauptversammlung des Dax-Konzerns am Freitag ließ Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel anklingen, welch riesiger Aufwand unter hohem Zeitdruck betrieben wird, um den Standort für ein mögliches russisches Gasembargo zu rüsten. Es gehe um „erhebliche Aufwendungen und technische Maßnahmen“.

Schließlich müssen die Anlagen des riesigen Chemiekomplexes in Ludwigshafen auf alle möglichen Szenarien vorbereitet werden. Bei weniger starken Lieferausfällen würde die Produktion gedrosselt - vorrangig in den Anlagen, die besonders energieintensiv sind oder eine große Menge Gas als Rohstoff brauchen. Eine hochkomplexe Aufgabe in einem Verbundsystem, in dem die Produktionen eng miteinander verzahnt sind. Derzeit deckt russisches Gas rund die Hälfte des Bedarfs im Stammwerk.

Europaweit wird als Folge des Ukraine-Kriegs über ein Embargo für russisches Gas diskutiert. Immer näher rückt gleichzeitig ein Lieferstopp vonseiten Russlands. Im Ernstfall entscheidet dann die Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas bekommt. Private Verbraucher und die kritische Infrastruktur, etwa Kliniken, haben - grob gesagt - Vorrang. Besonders im Fokus steht im Werk Ludwigshafen Ammoniak, ein wichtiger Ausgangsstoff für viele Produkte, der aber viel Gas bei der Herstellung braucht. Das erklärte Vorstandschef Martin Brudermüller am Morgen vor Analysten. Die Ammoniak-Produktion wurde bereits im Herbst wegen der hohen Energiepreise gedrosselt. Brudermüller sagte, dass man Ammoniak schlimmstenfalls zukaufen müsste.

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„Kurzfristige Lösung gibt es nicht“

Vor den Anteilseignern wiederholte Engel die mehrfach geäußerte Warnung: Wird weniger als die Hälfte des normalerweise benötigten Erdgases geliefert, müsse die Produktion am Standort komplett heruntergefahren werden. Rund 60 Prozent des Gases werden für die Erzeugung von Strom und Dampf benötigt. Derzeit könnten rund 20 Prozent dieses Bedarfs etwa durch Öl ersetzt werden.

Langfristig, so erklärt Brudermüller den Aktionären, will BASF fossile Energien durch Erneuerbare ersetzen. Sie hat deshalb bereits massiv in Windparks an der Nordsee investiert. Der Chemiekonzern hat sich ehrgeizige Ziele Richtung CO2-Neutralität gesteckt und braucht dafür den Windstrom. Bei einem Gasembargo aus Russland hilft das der BASF aber noch nicht: „Um es klar zu sagen: Eine kurzfristige Lösung, Erdgas aus Russland zu ersetzen, gibt es nicht“, so Brudermüller. Der BASF-Chef warnte zum wiederholten Male vor „einer irreversiblen Schädigung der Volkswirtschaft“.

Für 2022 rechnet das Unternehmen mit einem Rückgang beim Umsatz auf 74 Milliarden bis 77 Milliarden Euro und beim operativen Ergebnis auf 6,6 Milliarden bis 7,2 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2022 gelangen der BASF Zuwächse bei Umsatz und Betriebsergebnis. Auch weil sie die hohen Energiekosten an die Kunden weitergeben konnte. Der Nettogewinn im ersten Quartal sank jedoch von 1,7 Milliarden Euro im Vorjahresquartal auf 1,2 Milliarden Euro. Dies sei zurückzuführen auf Wertberichtigungen der Wintershall Dea, an der BASF gut 70 Prozent hält, hieß es. Wintershall Dea war mit rund einer Milliarde Euro an der Finanzierung der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 beteiligt.

Börsengang schwierig

BASF wolle Wintershall Dea weiterhin an die Börse bringen, betonte Brudermüller. Man bleibe bei dem Entschluss, sich aus dem Öl- und Gasprojekt zurückzuziehen. Wintershall Dea sei zwar nicht von Sanktionen im Zuge des Krieges betroffen, besitze in Russland aber Beteiligungen an Produktionsanlagen. „Damit wird ein Börsengang derzeit schwierig.“ Bei den Anlagen handelt es sich um drei Joint-Venture-Projekte in Sibirien. Mit diesen wird Erdgas gefördert, das der russische Energiekonzern Gazprom dann abnimmt und exportiert.

Finanzvorstand Engel verteidigte nach kritischen Fragen von Aktionärsvertretern die Entscheidung von Wintershall Dea, die Förderanlagen weiter zu betreiben. Genau dort liege „die Quelle der europäischen Gasversorgung“. Das Unternehmen liege damit auf der Linie der Bundesregierung, die ein russisches Gasembargo ablehnt.

Die Hauptversammlung wählte Alessandra Genco, Finanzvorständin der Leonardo SpA (Rom), und Stefan Asenkerschbaumer, Aufsichtsratschef der Robert Bosch GmbH, neu in den Aufsichtsrat. Sie folgen auf Anke Schäferkordt und Franz Fehrenbach. (mit dpa)

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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