Ludwigshafen. Am Morgen des 4. August sieht Mürside Karaca ihren Ehemann zum letzten Mal. Sie stehen auf, trinken gemeinsam einen Kaffee. Die ganz normale Routine. Gegen 10.30 Uhr geht er los, um Brötchen zu holen. Wie jeden Tag. Der Bäcker ist nicht weit von der Wohnung in Friesenheim entfernt. Mürside Karaca macht in der Zwischenzeit einen Spaziergang mit ihrer Tochter. Als die beiden nach Hause zurückkehren, liegen die Brötchen auf dem Tisch. Suat Karaca ist nicht da. Auch später taucht er nicht wieder auf. Seit drei Wochen wir der Mann von Mürside Karaca inzwischen vermisst.
Suat Karaca (Bild) ist an Demenz erkrankt. Ohne die Hilfe seiner Frau kann er seinen Alltag nicht mehr allein bestreiten. Auch deshalb hat die Polizei unmittelbar nach der Vermisstenmeldung am Abend des 4. August eine groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Bislang ohne Erfolg. „Wir machen uns große Sorgen und wissen nicht mehr, was wir tun sollen“, sagt die 54-jährige Ehefrau im Gespräch mit dieser Redaktion. „Das Warten macht uns extrem unruhig.“ Dabei ist die Familie alles andere als tatenlos. Täglich suchen Mürside Karaca und ihre Kinder bis zu 14 Stunden nach ihrem Ehemann und Vater. „Die Hoffnung ist noch da. Irgendwo muss er sein.“
Mehrere Hinweise eingegangen
Anfangs sei sie noch ganz entspannt gewesen, berichtet Karaca. Es komme häufiger vor, dass ihr Mann das Haus verlässt und zur nahe gelegenen Moschee geht. Diese kurzen, einfachen Wege im Wohnumfeld könne er trotz seiner Erkrankung noch problemlos zurücklegen. „Ich dachte, er kommt bald zurück.“ Gegen 14.30 Uhr am Tag des Verschwindens erhält sie dann aber einen Anruf ihrer Schwester. Die Nichten hätten Suat Karaca in der Notwende gesehen, wo Verwandte leben. Doch wenig später ist er vor Ort nicht mehr anzutreffen.
In den folgenden Tagen melden sich weitere Zeugen, die ihren Mann gesehen haben wollen, berichtet Mürside Karaca. Einmal an einem Supermarkt in der Industriestraße, dann am Hans-Warsch-Platz in Oggersheim. Doch auch der Einsatz von Spürhunden bringt keinen Durchbruch. Mit jedem weiteren Tag werden die Sorgen der Ehefrau größer. Denn Suat Karaca hat kein Handy, kein Bargeld und keine Medikamente bei sich. Schlimmste Befürchtungen machen sich inzwischen in ihren Gedanken breit. „Was, wenn er irgendwo hingefallen ist, wo ihn niemand sieht?“, so die gebürtige Türkin.
Auch am Mannheimer Hauptbahnhof soll der am 10. August 55 Jahre alt gewordene Karaca gesichtet worden sein. Bestätigt ist das aber nicht. Wie so viele Hinweise. Für die Familie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. „Jedes Mal, wenn ein neuer Hinweis kommt, kehrt die Hoffnung zurück“, sagt Sohn Ali Yasin Karaca. Die Ernüchterung, wenn sich die Information letztlich doch nicht bewahrheitet, sei dann umso größer.
Für Frust sorge bei der Familie auch, dass die an belebten Orten im Stadtgebiet aufgehängten Vermisstenanzeigen oft nach zwei Tagen schon wieder abgerissen oder entfernt wurden. „Das demotiviert uns sehr. Wir hoffen wirklich, dass er sich durch die Flugblätter selbst erkennt oder jemand anderes, der ihn gesehen hat, darauf aufmerksam wird“, berichtet der Sohn, der im Heimaturlaub in der Türkei von dem Verschwinden seines Vaters erfahren hatte und direkt nach Deutschland zurückkehrte.
„Ein außergewöhnlicher Fall“
Thorsten Mischler, Sprecher des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, spricht im Zusammenhang mit Suat Karaca von einem ungewöhnlichen Fall. Es komme häufiger vor, dass demenzkranke Menschen vermisst gemeldet werden. Doch in der Regel werden diese schon nach kurzer Zeit wieder gefunden, weil sie etwa im Stadtgebiet durch ihre Orientierungslosigkeit auffallen oder an der Bahn-Endhaltestelle nicht mehr wissen, wohin. „Insofern ist das schon außergewöhnlich“, sagt Mischler, der von einer „schwierigen Situation“ spricht. Die Mittel der Polizei seien inzwischen erschöpft.
Direkt am Abend der Vermisstenmeldung sei rund um den letzten bekannten Aufenthaltsort Karacas gesucht worden. Am nächsten Tag seien auch ein Hubschrauber und Personenspürhunde zum Einsatz gekommen, eine Woche später noch einmal. „Insgesamt waren inzwischen vier Rettungshundestaffeln an der Suche beteiligt. Trotzdem haben wir keinerlei konkrete Anhaltspunkte“, so Mischler. Hinweise auf eine Straftat haben sich nach Angaben des Polizeisprechers bislang auch noch nicht ergeben. „Wir ermitteln aber in alle Richtungen.“
Auch Sohn Ali Yasin Karaca kann den schlimmstmöglichen Fall nicht mehr ausschließen. „Er hat kein Geld, ist offenbar in einer schlechten Verfassung, dann die Hitzewelle. Wir haben seit drei Wochen kein handfestes Zeichen, dass er noch lebt“, sagt er. Dennoch gebe er die Hoffnung nicht auf. „Es geht schließlich um meinen Vater.“
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