Tötungsdelikt in Lampertheim

Tote Joggerin: Führt die DNA-Spur zum Täter von Lampertheim?

Zehn Monate nach dem gewaltsamen Tod einer Joggerin in Lampertheim dauern die Ermittlungen an. Aktuell werden noch immer DNA-Spuren ausgewertet. Wie blickt ein Forensiker auf die Möglichkeiten dieser Ermittlungsmethode?

Von 
Stephen Wolf
Lesedauer: 
DNA-Reihenuntersuchungen erfolgen nur bei klaren Hinweisen auf Täterspuren und benötigen eine richterliche Anordnung. © picture alliance/dpa

Lampertheim. Seit dem gewaltsamen Tod einer zweifachen Mutter im Lampertheimer Wald sind zehn Monate vergangen. Noch immer ist nicht geklärt, wer für die Bluttat verantwortlich ist. Die Leiche der 36 Jahre alten Lehrerin war am 16. September unweit der Grillhütte Heidetränke im Stadtteil Neuschloß entdeckt worden. Wie die Behörden damals mitteilten, starb die Frau aufgrund mehrerer Stichverletzungen.

Der Fall ist eine Herausforderung für die Beamten der Mordkommission. Weder gibt es Anhaltspunkte für eine Beziehungstat noch ist bisher ein mögliches Motiv zu erkennen, wie es heißt. Wurde die Frau zufällig ein Opfer tödlicher Gewalt?

Zentrale DNA-Datei beim Bundeskriminalamt

Die Ermittler hoffen, sie könnten dem Täter beziehungsweise den Tätern mit Hilfe einer DNA-Reihenuntersuchung auf die Spur kommen. Dazu wurden bereits vor Monaten Personen aus dem engeren und erweiterten Bekanntenkreis der Getöteten aufgesucht und um die freiwillige Abgabe von Speichelproben gebeten. Die bisher gesammelten Proben wurden mit Spuren abgeglichen, die man am Tatort und an persönlichen Gegenständen der Toten sichergestellt hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Darmstadt ging es bisher insgesamt um mehr als 1100 Männer. Bisher habe die Auswertung hunderter DNA-Proben jedoch nicht zu einem greifbaren Ergebnis geführt.

Mehr zum Thema

Kriminalität

Angriff im Wald - Erinnerungen an Lampertheimer Bluttat werden wach

Veröffentlicht
Von
Stephen Wolf
Mehr erfahren
Justiz

Vergewaltigungsverdacht bei Speyerer Party: Ermittlungen eingestellt

Veröffentlicht
Von
Wolfgang Jung
Mehr erfahren

Zuvor schon wurden Spuren vom Lampertheimer Tatort mit Daten aus der zentralen DNA-Analyse-Datei (DAD) des Bundeskriminalamts verglichen. Vergeblich, wie es von der Staatsanwaltschaft in Darmstadt heißt. Gespeichert sind in dieser Datei die Daten von Beschuldigten, verurteilten Straftätern und von an Tatorten gesicherten Spuren. Wird menschliches Erbgut etwa bei einem Tötungsdelikt entdeckt, werden die DNA-Spurenprofile zunächst mit den hinterlegten Daten beim BKA verglichen. Bleiben konkrete Hinweise aus, bietet sich die sogenannte DNA-Reihenuntersuchung wie im Fall der getöteten Frau in Lampertheim an. Diese ist noch nicht ganz abgeschlossen.

Manche Männer haben sich erst im Nachhinein gemeldet

Mittlerweile habe man auch Männern Speichelproben entnommen, die zunächst gar nicht zu erreichen waren. Man schließe nicht aus, dass künftig Proben noch weiterer Personen genommen und ausgewertet werden. „Aktuell ist nicht absehbar, wie lange der Vorgang noch andauern wird“, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Doch wie geht eine solche Untersuchung konkret vor sich? Und welche gesetzlichen Vorgaben müssen Ermittler beachten? In Deutschland sind solche Untersuchungen aufgrund hoher rechtlicher Anforderungen selten: „DNA-Reihenuntersuchungen erfolgen nur bei klaren Hinweisen auf Täterspuren und benötigen eine richterliche Anordnung“, stellt Harald Schneider vom Hessischen Landeskriminalamt in Wiesbaden klar. Er ist Experte für DNA-Analysen, vor allem wenn es um „Cold Cases“ geht, also Fälle, die nach längerer Zeit nicht gelöst wurden und möglicherweise später erneut untersucht werden. Schneider leitet die Fachabteilung DNA-Analytik und hat mit seinem Team eine größere Anzahl solcher Fälle gelöst.

Juristische Hürden für Massen-Gentests sind hoch

Die DNA ist Träger der menschlichen Erbsubstanz. Für eine Analyse reichen Spuren wie Hautschuppen, Haare, Sperma oder Speichelreste. „Damit kann die Identität eines Menschen nahezu sicher festgestellt werden“, sagt Schneider. Doch sind nicht nur die juristischen Hürden für Massen-Gentests hoch. Die Zuordnung von Tätern kommt an ihre Grenzen, wenn es gar keine Beziehung zwischen Täter und Opfer gab.

DNA als Werkzeug

  • Mit der Untersuchung von DNA-Spuren kann die Identität eines Menschen nahezu sicher festgestellt werden. Wie beim herkömmlichen Fingerabdruck wird die am Tatort gefundene Erbsubstanz mit der eines Verdächtigen verglichen.
  • Das Verfahren ist aufwendig, DNA-Reste müssen erst vervielfältigt werden, bevor sie analysiert werden können. Der DNA-Beweis ist das erfolgreichste kriminalistische Instrument bei der Identifizierung von Tätern.

Schneider will sich aus rechtlichen Gründen nicht konkret zum Lampertheimer Fall äußern. Er lässt aber durchblicken, dass alleine die Nähe des südhessischen Tatorts zu den Ballungsräumen Rhein-Neckar und Rhein-Main den Kreis möglicher Tatverdächtiger enorm erweitert. Daher seien DNA-Untersuchungen nicht per se aussichtsreich. „Aber man sollte es probieren, wenn man sonst keine andere Chance hat.“

Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Hessen fordern aktuell eine Ausweitung der DNA-Analyse bei schweren Straftaten und Sexualverbrechen. So sollen Ermittler künftig auch die „biogeografische Herkunft“ der DNA-Spurenverursacher überprüfen können. Damit ließen sich Hinweise auf die Herkunftsregion erhalten, aus der ein mutmaßlicher Täter stammt. Derzeit dürfen in Deutschland bereits das Geschlecht, die Haut-, Haar- und Augenfarbe sowie das Alter analysiert werden.

Erweiterte DNA-Analyse wird aktuell diskutiert

Die Diskussion über die Erweiterung der DNA-Analyse stößt jedoch auch auf Vorbehalte wegen möglicher Diskriminierung und Stigmatisierung von Minderheiten. Gleichwohl ermögliche die zusätzliche Bestimmung der biogeografischen Herkunft deutlich präzisere Angaben zu den körperlichen Merkmalen eines unbekannten Täters, der seine Spuren hinterlassen hat, argumentieren Befürworter.

Forensiker wie Schneider werben deshalb dafür, zusätzlich auch die genetische Herkunft zu ermitteln, um das Aussehen deutlich präziser schätzen zu können. Auf diese Weise ließe sich der Kreis der Verdächtigen eingrenzen. „Umgekehrt könnte man im Idealfall zu Unrecht verdächtigte Personen schneller aus dem Kreis Verdächtiger ausschließen“, ist Schneider überzeugt. Er plädiert dafür, zeitnah die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine erweiterte DNA-Analyse zu schaffen.

Redaktion

Copyright © 2025 Südhessen Morgen

VG WORT Zählmarke