Lampertheim. Wenn sie sich auf den Weg zur Arbeit machen, ernten sie schnell neugierige Blicke. Denn Rudi Bauer und sein Kaltblüter Torry sind schon besondere Kollegen. Ihr Einsatz führt sie an diesem Morgen in den Lampertheimer Stadtwald. Der Geländewagen samt Pferdeanhänger parkt am Rande eines Weges. Dahinter wartet Torry seelenruhig mit angelegtem Kummetgeschirr, bis sein Besitzer das Auto abgeschlossen hat. „Der ist aber brav“, sagt ein gerade vorbeikommender Spaziergänger staunend.
„Ausgeglichen, nervenstark und robust: Genau diese Eigenschaften muss das Tier eines Pferderückers mitbringen“, sagt Rudi Bauer anerkennend und klopft den Süddeutschen Kaltblüter an der Flanke. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Seit zwölf Jahren. Doch was genau macht ein Pferderücker?
Mit Hilfe seines Arbeitstiers zieht er gefällte Bäume im Forst aus dem Unterholz auf einen Waldweg, die sogenannte Rückegasse. Dort werden die Stämme später aufgeschichtet und schließlich abtransportiert.
Das Lampertheimer Forstamt
- Pferderücker Rudi Bauer arbeitet mit seinen beiden Pferden Torry und Varus im gesamten Zuständigkeitsbereich des Forstamts Lampertheim.
- Dieser Bereich erstreckt sich über die Rheinebene und bis in den Odenwald.
- Das Forstamt bewirtschaftet rund 15 500 Hektar Wald mit neun Revierförstereien - dazu gehören auch die Reviere Viernheim, Lampertheim und Bürstadt/Lorsch.
- Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Forstamtes in dem gesamten Gebiet 45000 Festmeter Holz geerntet.
- Neben der Holzproduktion spielt der Wald in der Region eine wichtige Rolle für den Natur- und Klimaschutz sowie für die Grundwasserversorgung in der Rheinebene. off
Was zunächst so romatisch scheint, ist für Mensch und Pferd ein echter Knochenjob. „Und ein wichtiger Beitrag zur naturnahen Forstwirtschaft“, betont Jana Lichtblau vom Fachdienst Umwelt bei der Lampertheimer Stadtverwaltung.
Die Kommune und das Forstamt Lampertheim setzen seit 40 Jahren auf Pferderücker. „Als Ergänzung zu den Forstmaschinen“, erklärt die Verwaltungsfachangestellte, die für den Lampertheimer Stadtwald zuständig ist.
Denn wo Fahrzeuge wie Schlepper und Forwarder nur schwer hinkommen, zieht Torry die Stämme geschickt zwischen den umherstehenden Bäumen durch. Dabei verdichtet das Pferd den Waldboden weniger als ein schweres Fahrzeug, Pflanzen werden weniger in Mitleidenschaft gezogen und Tiere nicht so stark gestört, erklärt die Fachfrau.
„Hot! Jo! Komm!“ Mit solchen Kommandos navigiert Rudi Bauer den 15-jährigen Hengst durch das Unterholz. Das Einfache bis Anderthalbfache seines Körpergewichts kann er dabei transportieren. 800 Kilo bringt das Pferd auf die Waage.
Job als Pferderücker anfangs nur ein Nebenerwerb
Unaufgeregt trottet Torry weiter vor sich hin, scheint sich von nichts ablenken zu lassen. Neben seinem spezifischen Charakter, macht das auch seine Ausbildung. „Etwa ein Jahr muss man mit einem Pferd trainieren“, erklärt Rudi Bauer. Einen normalen Sieben-Stunden-Arbeitstag schafft so ein Tier mit Pausen dann. Wenn Torry frei hat, übernimmt sein Pferdekollege Varus.
Den Job als Pferderücker macht Rudi Bauer seit 1983. Zunächst war er Kaufmann, die Tätigkeit im Forst Neben-Erwerb. Nach den großen Stürmen Wibke und Lothar, die in den 1990er Jahren auch in der Region gewütet hatten, räumte er im Wald auf, stellte dafür in seinem Betrieb zusätzlich Mitarbeiter ein. „Die Arbeit lief auch an den Wochenenden und in der Urlaubszeit“, erinnert sich der Mann aus Heppenheim. Inzwischen ist er 68 Jahre alt. „Und noch immer macht es mir Spaß, bei Wind und Wetter draußen zu sein. Das hält fit“, meint er augenzwinkernd.
Pferd und Technik gehen beim Holzmachen mitunter Hand in Hand
Mit Nostalgie habe die Arbeit im Wald aber wenig zu tun, so Bauer. „Und: Die Zeiten haben sich geändert.“ Früher sei in der Region viel mehr Holzwirtschaft betrieben worden. Außerdem habe die Maschinisierung zugenommen. Auch beim Holzrücken.
Die Spezialfahrzeuge, die inzwischen zumeist dabei benutzt werden, lehnt der Pferderücker trotzdem nicht ab. „Ich habe ja auch Maschine und Seilwinde“, räumt er ein.
Pferd und Technik gehen beim Holzmachen mitunter Hand in Hand. Das Aufstapeln - genannt Poldern - und den Abtransport übernimmt an diesem Tag beispielsweise Klaus Ehret, Maschinenführer beim Lampertheimer Forstamt, der mit einem Schlepper samt angebautem Kran und einem großen Rückewagen gerade angefahren kommt. Auf letzteren werden die Stämme aufgeladen.
„Gefällte Bäume werden inzwischen größten Teils natürlich mit Spezialwerkzeugen und Winden auf die Rückegassen gezogen“, erläutert der Lampertheimer Revierleiter Matthias Beißwanger. Trotzdem sei das Rücken mit Pferd eine sinnvolle Nische.
Doch obwohl die derzeitige Bundesregierung die Förderung des Einsatzes von Rückepferden in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, wird die traditionelle Arbeit wohl weiter rückläufig. „In dieser Region bin ich seit Langem der einzige, der das macht“, sagt Rudi Bauer und sein Blick wirkt ein bisschen wehmütig.
Torry bereitet mit seinen Hufen den Boden für Neupflanzungen auf
Die Einsätze jetzt während der Brut- und Setzzeit sind eh auf ein Mindestmaß reduziert, um die Waldtiere und ihre Jungen möglichst nicht zu stören, betont Beißwanger. Da werde jeder Einzelfall zuvor geprüft.
Vielmehr steht derzeit die Waldverjüngung auf dem Programm. Auch dabei kommen Rudi Bauer und Torry bisweilen zum Einsatz. Sie bereiten den Boden auf, bevor die neuen jungen Bäume eingepflanzt werden.
Wie lange Bauer die Forstarbeit noch weiterbetreiben möchte, weiß er momentan noch nicht. „Torry und ich werden wohl zusammen in Rente gehen“, seufzt er und streicht dem stattlichen Kaltblüter durch die Mähne.
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