Worms. Odysseus muss bei seiner Heimkehr ausgesehen haben wie Rüdiger Oppermann. Der Harfenist mit seiner grauen Lockenmähne hat die keltische Harfe in Deutschland populär gemacht. Als Teil des Festivals "wunderhoeren" im Wormser Theater seine "Brendan Voyage" erstmals auf. Oppermann präsentierte vor ausverkauftem Saal eine sehr hörbare, klanglich durchdachte Vertonung der mythischen Reise des irischen Abtes Brendan.
Sprachspezialist Peadar Ó'Ceannábhain begann das Epos in gälischer Originalsprache, dann "überblendete" Schauspieler Berth Wesselmann dessen Vortrag mit seiner fesselnden Deklamation in deutscher Übersetzung. Musikalisches Rückgrat des Werks ist neben dem virtuosen Harfenspiel Oppermanns irische Folkmusik. Fiddlerin Franziska Urton, Sängerin und Flötistin Siobhán Kennedy, aber auch Gitarre und Percussion (Bodhran-Trio) ließen den Funken aufs Publikum überspringen. Die literarische Basis, ein gälisches Manuskript aus dem 9. Jahrhundert, beschreibt die Reise des Abtes und seiner zwölf "Söhnchen" (Mönche) in die Anderwelt. Dies ist die keltische Welt, in der die Toten leben, die sie aber auch verlassen können und die auch Lebende unter bestimmten Voraussetzungen betreten dürfen.
Das irische Epos wurde 1980 von Shaun Davey symphonisch vertont. Oppermann verlieh seinem Werk, zu dem ihn Festivalleiter Volker Gallé ermutigt hatte, eine persönlich-biografische Note, indem er Traditionen der Weltmusik darin Raum gab. Die äthiopische Leier erklingt ebenso wie mongolischer Obertongesang und Pferdegeigenspiel, indonesische Gamelan-Xylofone und asiatische Gongs. Historische Instrumente wie eine bronzezeitliche Lure und ein Muschelhorn sorgten ebenso für urige Klänge wie ein riesiges Alphorn, schräge Bläserakkorde des Posaunenchors Worms-Hochheim oder mit Wasser gefüllte Gläser.
Die Reise der Mönche, die im 6. Jahrhundert statt gefunden haben soll, schildert odysseenhaft die sieben Jahre dauernden Abenteuer, die der Abt in einem kleinen Segelboot aus Holz, Leder und Korkeiche erlebte. Vertont wurden ein Sturm, ein Vulkanausbruch, Kämpfe mit Ungeheuern zu Lande und zu Wasser, Inseln voller apfelgroßer Trauben, Berge aus Glas (Eis?) oder die von den Mönchen durch tagelanges Fasten, Beten und Singen erfahrene Anderwelt. Meisterhaft unheimlich wirkten die Glasberge durch klingende Gläser, mongolische Obertöne von Nasaa Nasanjargal und bläuliche Beleuchtung. Das Publikum feierte die Uraufführung mit stehendem Applaus.
Brendans Reise wurde, wie Festivalleiter Volker Gallé einleitend erklärte, vielfältig rezipiert. Spekulativ erscheint die Annahme, die Mönche hätten in ihrem Lederboot bereits Amerika entdeckt, dann schon eher Island. Gallé lenkte den Blick auf kulturhistorische Aspekte. So findet sich die Zahl Zwölf (Gefährten, Stationen) nicht nur in der Bibel, sondern auch in keltischen und altgermanischen Traditionen und dem alten Duodezimalsystem.
Am Ende kehrt Brendan auf seine Geburtsinsel zurück und stirbt dort kurze Zeit später, nachdem ihn sein Schöpfer all seine Wunder hat schauen und hören lassen.
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