Lampertheim. Im Haushalt Lampertheims gähnt ein finanzielles Loch, das mehrere Millionen Euro umfasst. Deshalb greift seit Oktober eine Haushaltssperre. Fraglich ist, wie der Etat 2025 aussehen soll. Aus Sicht mancher Politiker soll beispielsweise die Verwaltung in Lampertheim effizienter werden. Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) und Kämmerer Gregor Ruh erwidern im Interview, dass die Stadt gestiegene Ausgaben für Personal sowie Sach- und Dienstleistungen zu tragen hat. Außerdem gebe es von der Schul- bis zur Kreisumlage Verpflichtungen, denen die Stadt nachkommen müsse. Der Ruf nach mehr Effizienz greife deutlich zu kurz.
Herr Störmer, Herr Ruh, SPD-Fraktionschef Klingler sieht nach eigenen Worten den schwierigsten Haushaltsberatungen entgegen, an denen er teilgenommen hat. Was erwarten Sie mit Blick auf das kommende Jahr?
Gottfried Störmer: Wir nehmen zur Kenntnis, wie unsere Politiker die schwierige Haushaltslage betrachten. Die Dinge sind allerdings nicht so einfach, wie sie dargestellt werden. Dass die Haushaltssperre vor allem Symbolpolitik sei, wie es etwa Stefan Nickel von den Grünen und Alexander Scholl von der CDU suggerieren, spricht für sich. Wir wissen nicht, was wir noch tun sollen, um unsere tatsächlich schwierige Situation verständlich darzustellen.
Hier haben Sie die Gelegenheit.
Störmer: Wir sind in einer Situation, in der ein privates Unternehmen tatsächlich Insolvenz anmelden müsste, weil es nicht mehr zahlungsfähig wäre. Das liegt etwa daran, dass wir vom Land zugesagte Mittel aus dem Programm Stadtumbau nicht schnell genug überwiesen bekommen. Dabei geht es immerhin um 1,9 Millionen Euro, die wir vorgestreckt haben. Hinzu kommt, dass zahlreiche Immobilien der Stadt aufgrund ihres Alters zu Sanierungsfällen geworden sind. Um allen gesetzlichen Grundlagen gerecht zu werden, etwa die energetische oder elektrische Instandsetzung, müssen wir viel Geld in die Hand nehmen. Erschwert hat die Sachlage zusätzlich, dass wir in der Planung vorgesehene Grundstücksveräußerungen auf Grund fehlender Zustimmung der Gremien nicht tätigen konnten.
Gernot Diehlmann von der FDP moniert, die Stadt lebe über ihre Verhältnisse. Was sagen Sie dazu?
Störmer: Das geht an der Sache vorbei. Denken Sie etwa an die sanierungsbedürftige Turnhalle in Hofheim. In der Ursprungsplanung lagen die Kosten bei 530 000 Euro. Nachdem das Gebäude genau in Augenschein genommen wurde, stellte sich aber heraus, dass am Ende 1,5 Millionen Euro fällig werden.
Dafür werden Rücklagen gebildet.
Störmer: Ja, aber das ist längst noch nicht alles. Ein anderes Beispiel für zusätzlich anfallende Kosten zeigt sich beim Klärwerk, wo es im vergangenen Jahr einen Störfall am Regenüberlaufbecken gab. Die Klappen zur Entlastung haben nicht mehr funktioniert, da stehen nun Kosten von etwa 1,7 Millionen Euro an. Auch diese Ausgabe war nicht geplant. Ein anderes Problem, das sich jüngst aufgetan hat, ist ein Riss in der Betonwand des Faulturms der Kläranlage. Allein diese dringend nötige Reparatur dürfte 450 000 Euro kosten. Dann müssen wir noch zwei Millionen Euro Gewerbesteuer an Unternehmen zurücküberweisen, die in den vergangenen Jahren zu viel gezahlt wurden. Das alles sind Entwicklungen, die dazu führen, dass ein Minus von mehreren Millionen Euro droht. Eine Bildung von Rücklagen für unterlassene Instandhaltungen kann sich die Stadt aus den genannten Gründen nicht erlauben. Das Geld wird für laufende Sanierungstätigkeit benötigt.
Wie sieht es in Lampertheim auf der Einkommensseite aus?
Gregor Ruh: Der Anteil der Einkommenssteuer liegt 1,5 Millionen Euro unter der Planung. Die wirtschaftlich schwierige Situation im Land macht sich auch in den Kommunen bemerkbar. Wir unterhalten uns über einige Millionen Euro, die schlicht fehlen. Deshalb haben wir die Haushaltssperre verhängt. In der Hessischen Gemeindeordnung heißt es dazu konkret, wenn die Entwicklung der Einnahmen oder Ausgaben es erfordert, „kann der Gemeindevorstand es von seiner Einwilligung abhängig machen, ob Verpflichtungen eingegangen oder Ausgaben geleistet werden“. Diese Situation ist eingetreten und daher hat die Haushaltssperre auch nichts mit Symbolpolitik zu tun, wie es manche Kommunalpolitiker suggerieren.
Welche Folgen drohen?
Ruh: Wenn wir das fehlende Geld nicht erwirtschaften oder einsparen können, belastet uns das in kommenden Jahren zusätzlich. Ein Minus, das von Jahr zu Jahr weitergegeben wird, ist kaum erstrebenswert.
Um noch einmal auf die Vorschläge der Fraktionsvorsitzenden zurückzukommen, wäre mehr Effizienz nicht wünschenswert?
Ruh: Grundsätzlich ja. Aber die Forderung suggeriert, wir könnten den Haushalt retten, wenn wir effizienter wären. Aber das ist definitiv nicht der Fall. Von den 92 Millionen Euro im Haushalt sind etwa 80 bis 85 Millionen Euro gebunden, etwa für Schul- und Kreisumlagen, für Personalkosten, Instandhaltungen und so weiter. Da gibt es kaum Spielraum, selbst wenn wir von heute auf morgen alle Prozesse digitalisieren würden. Das System kann so nicht funktionieren, unser finanzieller Spielraum ist schlicht zu klein. Wir müssen doch einmal zur Kenntnis nehmen, was für Aufgaben die Kommunen heute zusätzlich leisten müssen.
Haushaltssperre
- Bis Jahresende dürfen in der Stadt nur noch finanzielle Leistungen erbracht werden, zu denen die Stadt verpflichtet ist oder zur Fortsetzung begonnener Aufgaben, wenn dies zum Abschluss erforderlich ist.
- Prognosen für 2025 sehen nur geringe Steigerungen bei Schlüsselzuweisungen gegenüber den ursprünglichen Planungsdaten des Landes vor. Davon ist auch der Kreis Bergstraße betroffen, was sich negativ auf Kommunen auswirken dürfte. Wie sich die Kreisumlage entwickelt, ist noch nicht absehbar. wol
Gibt es überhaupt eine realistische Chance, den Haushalt zu entlasten? Der Anteil der Pflichtaufgaben und die dafür fehlende finanzielle Ausstattung von Land und Bund sei so groß, dass die Streichung freiwilliger Leistungen den Haushalt nicht rette, sagt selbst CDU-Fraktionschef Scholl.
Störmer: Es stimmt, die Aufgabe ist schwierig. Klar ist, wir müssen unsere Ausgaben verringern, da muss jeder seinen Beitrag leisten. Und sicher, wir bieten freiwillige Leistungen, mit denen wir beispielsweise Vereine fördern. Das wollen wir auch. Leider sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Kasse das eben nicht mehr hergibt. Insofern dürfte der Diskussionsbedarf in den kommenden Jahren steigen.
Stefan Nickel von den Grünen spricht von einer „Voll-Kasko-Mentalität“. Davon müsse man wegkommen. Wie sehen Sie das?
Störmer: Auch das stimmt. Als Kommune haben wir aber eine gesellschaftliche Verpflichtung, der wir nachkommen wollen. Die Frage ist, wie. Wir diskutieren etwa darüber, ob und wie der Fußballverein Hofheim im kommenden Jahr seinen Kunstrasen erneuern kann. Nach der Vereinsförderrichtlinie zahlt die Stadt einen Zuschuss von 20 Prozent. In diesem Fall würde sich die Stadt mit 60 000 Euro beteiligen. Das ist viel Geld vor dem Hintergrund unserer Schulden, keine Frage. Wird der vergammelte Rasen jedoch nicht erneuert, kann der Platz bald nicht mehr bespielt werden, der Verein könnte nicht mehr in der Liga spielen. Oder nehmen Sie den Turnverein Lampertheim, der gerne die frühere Gaststätte für 65 000 Euro zu einem Multifunktionsraum umbauen würde. Hier läge der Anteil der Stadt bei 12 000 Euro. Und bei diesen Beispielen geht es nur um zwei von etwa 200 Vereinen in Lampertheim. Darüber hinaus ist unter der Allzuständigkeit der Stadt auch zu fassen, dass Bund und Land immer mehr Aufgaben auf die Kommune übertragen, ohne dafür die finanziellen Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Das geht so nicht.
Was gibt die Stadt für Vereine aus?
Störmer: Jährlich zahlen wir etwa 500 000 Euro an Vereine. Hinzu kommen Pflege und Betrieb unserer Sportanlagen in der Kernstadt und in den Ortsteilen, was zusätzlich mit 1,5 Millionen Euro zu Buche schlägt.
Was ist mit Veranstaltungen wie der Spargelwanderung oder dem Weihnachtsmarkt?
Störmer: Auch hier beteiligt sich die Stadt, stellt Buden für Vereine auf, die sich am Weihnachtsmarkt beteiligen. Was aber würde passieren, wenn die Stadt diese Unterstützung nicht mehr leisten würde? Das würde uns große Kritik einbringen. Und es stimmt ja auch, wir müssen aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Ja, wir sind verpflichtet zu sparen, können aber nicht alles streichen. Wir werden uns in den kommenden Jahren mühsam von Haushalt zu Haushalt hangeln müssen und können keine großen Sprünge machen. Das müssen wir leider akzeptieren.
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