Lampertheim

Lampertheimer Kirche liegt in Schutt und Asche

Vor 80 Jahren wurde die Lampertheimer Domkirche während des Zweiten Weltkrieges von einer Luftmine erheblich zerstört. Was in dieser dramatischen Nacht geschah

Von 
Bärbel Jakob
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Die Domkirche – hier noch mit dem 1909 unter Pfarrer Eckel errichteten Pfarrhaus und dem angelegten Garten – wurde 1944 zerstört. © Bärbel Jakob

Lampertheim. Es gibt Ereignisse, die man nie mehr vergisst, die sich ins Gedächtnis einprägen. So auch die Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1944 in Lampertheim. Denn in jener Nacht wurde die stolze Domkirche, mit deren Errichtung sich die evangelischen Christen einen jahrhundertealten Traum erfüllt hatten, durch die Explosion einer Luftmine aufs Schwerste beschädigt. Damals sprach man noch einfach von der evangelischen Kirche.

Der Begriff Domkirche oder „Dom des Rieds“ wurde erst in den 1960er Jahren geprägt, als ein Lampertheimer Geschäftsmann bewundernd erklärte, die Kirche sei so stattlich wie ein Dom. Fünfeinhalb Jahre hatte ihre Erbauung von 1863 bis 1868 gedauert. In nur einem winzigen Bruchteil davon wurde sie in Schutt und Asche gelegt.

Kirchendiener Götz wurde tot aus den Trümmern geborgen

Die Zeitzeugen erinnerten sich noch Jahrzehnte später voller Schrecken an jene Nacht. An den Luftalarm, die Entwarnung und den abermaligen Alarm, die Rückkehr in die Luftschutzkeller. Und wie sie am Morgen entsetzt vor den Trümmern des Gotteshauses standen. Da wussten sie noch nicht, dass das Bombardement auch ein Todesopfer gefordert hatte, nämlich den Kirchendiener Johannes Götz. Erst Tage später fand man seine Leiche in der Ruine, den Kirchenschlüssel hatte er noch in der Hand.

Vom neugotischen Bau wurde das damals noch dreischiffige Langhaus massiv beschädigt, ebenso die Sakristei und die beiden Westtürme. Nur der Ostturm, in dem vor dem Krieg die inzwischen längst eingezogenen und eingeschmolzenen Bronzeglocken hingen, hatte standgehalten. Viele der umliegenden Häuser wurden ebenfalls stark beschädigt, allen voran das Pfarrhaus, das dort stand, wo heute die Domwiese ist. Die Frau von Pfarrer Anthes, Karoline, wurde bei dem Vorfall verletzt, überlebte aber. Zahlreiche Menschen, die in den umliegenden Gebäuden in der Wilhelmstraße, der Römerstraße und der Pfarrgasse lebten, waren obdachlos. Die „Vereinsbank“ und das Gasthaus „Zum Rebstock“ (später Tannhäuser) wurden ebenfalls erheblich beschädigt.

Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können. Wäre die Mine nur 100 Meter weiter, beispielsweise über den dicht bebauten beiden Neugassen niedergegangen, dann hätte es wohl Dutzende Tote gegeben. Und es setzte eine Welle der Hilfsbereitschaft ein. Die Lampertheimer kümmerten sich um ihre obdachlosen Nachbarn. Und schon am nächsten Tag kam der katholische Pfarrer Heinrich Theodor Schäfer zu seinem Amtskollegen Walther Anthes und bot den evangelischen Christen die Andreaskirche wieder zur Mitbenutzung an, quasi als Wiederauflage des knapp 80 Jahre zuvor beendeten Simultaneums. Anthes war damals gerade auf Fronturlaub und nur deshalb daheim.

In der Andreaskirche waren Fensterscheiben zersplittert

Doch St. Andreas war nur auf den ersten Blick glimpflich davon gekommen. Das Kirchengebäude selbst war zwar nicht beschädigt, dafür drang aber Wasser durch die gesplitterten Fenster und zerbrochenen Ziegel in die Mauern ein. Vier Jahre später krachte daher plötzlich der zentnerschwere Deckenputz mit einem dreiteiligen Gemälde zum Leben des Apostels Andreas herunter. Glücklicherweise außerhalb eines Gottesdienstes. Das Gastrecht währte bis ins Jahr 1947, bis die Notkirche, eine umgebaute Scheune auf dem Gelände des Kinderheims in der Römerstraße, als Zwischenlösung zur Verfügung stand. Denn an einen Wiederaufbau des evangelischen Gotteshauses war so kurz nach dem Krieg noch nicht zu denken. Es fehlte an Materialien – und vor allem an Geld.

Die Lampertheimer Jungs, die sich als Kinder nicht mehr genau an das Ereignis erinnern konnten, kletterten unbekümmert als Mutprobe in den Westtürmen der zerstörten Kirche herum. Ein lebensgefährliches Abenteuer.

Die zerstörte Domkirche, in deren Ruine die Volksbühne Lampertheim das viel beachtete Stück „Jedermann“ aufführte, wurde zu einem Symbol für die Sinnlosigkeit eines jeden Krieges. Der erhaltene 60 Meter hohe Ostturm hingegen zum Zeichen der Hoffnung. Es dauerte bis zum Oktober 1956, bis die Domkirche wieder eingeweiht werden konnte.

Die noch intakte Domkirche mit dem 1909 unter Pfarrer Eckel errichteten Pfarrhaus und dem angelegten Garten. © Bärbel Jakob

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Die Lukasgemeinde erinnert an die Zerstörung vor 80 Jahren mit einem Gedenkgottesdienst am Mittwoch, 15. Mai, um 20 Uhr. Es wird einen Rückblick und eine Fotoausstel lung geben, Zeitzeugen berichten von ihren Erlebnissen.

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