Verwaltung

Lampertheim verzichtet auf das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“

Um Geld zu sparen, verzichtet die Stadt Lampertheim auf die Fortführung des Programms. Ein zweiter Aktionsplan hätte erarbeitet und umgesetzt werden müssen.

Von 
Susanne Wassmuth-Gumbel
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Im Rahmen des Aktionsplans Kinderfreundliche Kommune hatten Kinder und Jugendliche ein Graffiti an das Trafo-Häuschen am Alfred-Delp-Platz gesprüht. © Berno Nix

Lampertheim. Seit Februar 2021 durfte sich Lampertheim Kinderfreundliche Kommune nennen. Doch nach dem Willen der Stadtverordnetenversammlung ist damit jetzt Schluss. Sie hat entschieden, das Vorhaben Kinderfreundliche Kommune nicht weiter zu verfolgen. Die Verwaltung wird den Zertifizierungsprozess beenden und keine weitere Siegelphase anstreben. So haben es die Parlamentarier mit 25 Ja-Stimmen von CDU, Grünen und FDP beschlossen. Die SPD-Fraktion hatte mit 13 Nein-Stimmen geschlossen dagegen gestimmt. Damit soll Geld im städtischen Haushalt eingespart werden: 2000 Euro für den jährlichen Mitgliedsbeitrag in dem Verein Kinderfreundliche Kommune und die Personalkosten für eine halbe Stelle, die mit dem Projekt befasst war.

Störmer: Das Siegel bringt uns nichts

„Wir zahlen im Jahr etwa 40.000 Euro, um die Maßgaben für eine Kinderfreundliche Kommune zu erfüllen. Dazu sind wir verpflichtet, wenn wir das Siegel führen wollen“, erläuterte Bürgermeister Gottfried Störmer in der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung den Beschlussvorschlag der Verwaltung. Er ist überzeugt, dass das Siegel der Stadt Lampertheim nichts bringt. „Wir haben dadurch keinen Vorteil“, erklärte er. Zudem habe die für das Projekt zuständige Mitarbeiterin gekündigt und die Verwaltung Ende vergangenen Jahres verlassen. Ihre Stelle müsste neu besetzt werden. Allerdings landet jede Stellenneubesetzung in Zeiten leerer Kassen auf dem Prüfstand, um die Personalkosten in der Verwaltung zu senken.

Dem Fachdienst Jugendförderung fehlt Personal

Zwar würde der Verein Kinderfreundliche Kommune eine zeitlich befristete Vakanz akzeptieren, doch nur unter bestimmten Bedingungen. Demnach müsste auf jeden Fall sichergestellt sein, dass am Programm weitergearbeitet wird. Da der Fachdienst 40-1 Jugendförderung ohnehin unterbesetzt ist und der Fachkräftemangel im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit eine besondere Herausforderung darstellt, sei das nicht zu schaffen, hieß es seitens des Fachdienstes.

Das Siegel Kinderfreundliche Kommune

Im Oktober 2018 beschließt die Stadtverordnetenversammlung, an dem Programm Kinderfreundliche Kommune teilzunehmen und das Siegel anzustreben.

Im Mai 2019 unterzeichnen Stadt und Verein eine entsprechende Vereinbarung .

Im Dezember 2020 beschließt die Stadtverordnetenversammlung den erarbeiteten Aktionsplan .

Im Februar 2021 findet die Siegelübergabe statt und die Umsetzungsphase des Aktionsplans beginnt – noch mitten in der Corona-Pandemie. Die Phase endet im Februar 2024.

Im Juni 2024 wird der Abschlussbericht Aktionsplan Kinderfreundliche Kommune Lampertheim vorgelegt.

Im Aktionsplan waren 20 Maßnahmen festgeschrieben worden, die während der dreijährigen Umsetzungsphase verwirklicht werden sollten.

Unter anderem wurde Folgendes umgesetzt: Erweiterung des städtischen Leitbilds um Kinderbelange und eine Kinderrechtesatzung , Graffitis gegen Angsträume, Sicherheit im Straßenverkehr an Schulen, digitaler Kummerkasten , Neuauflage Kinderstadtplan , Treffplätze , Beteiligungsprojekte wie 8er- bzw. 9er-Rat und Zukunftswerkstatt.

Um das Siegel dauerhaft führen zu dürfen, sollte 2024 ein zweiter Aktionsplan erarbeitet und in einer weiteren dreijährigen Umsetzungsphase abgearbeitet werden. Dazu kommt es nun nicht mehr, auch weil der Fachdienst Jugendförderung zu wenig Personal hat. swa

Bürgermeister Störmer ist überzeugt, dass die Verwaltung auch weiterhin eine gute Kinder- und Jugendarbeit machen wird – auch wenn die Stadt dann das Siegel nicht länger führen darf. „Wir haben ein sehr hohes Niveau bei der Beachtung der Rechte von Kindern und ihren Belangen“, sagte er. Das in den vergangenen Jahren durch das Programm erworbene Verständnis für die Interessen der jungen Menschen und ihre Einbeziehung auch in politische Beschlüsse sei ja „nicht weg, nur weil wir das Siegel nicht noch einmal verliehen bekommen“. Lampertheim wäre hinsichtlich der Kinder- und Jugendarbeit und -förderung schon beim Einstieg in das Programm besser gewesen als manch andere Kommune am Ausstieg.

Im Mai 2019 freuten sich noch alle Beteiligten über die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Stadt, vertreten durch Bürgermeister Gottfried Störmer (vorne Mitte) und dem Verein Kinderfreundliche Kommune, vertreten durch Andrea Flory. © Kevin Schollmaier

Robert Lenhardt von der SPD, der sich von Anfang für das Projekt starkgemacht hatte, bedauerte den Entschluss. Er sehe nach wie vor die Notwendigkeit, sich die Unterstützung des Vereins einzukaufen und hält es für wichtig, den Prozess weiterzuverfolgen. „Wir geben so viel Geld für Beratung aus. Warum nicht auch für die Kinder?“ fragte er das Parlament vor der Abstimmung. Melanie Krämer-Gerlich von der FDP betonte, dass das Projekt für Lampertheim eine große Chance war. Es sei intensiv und produktiv gearbeitet worden, als Ergebnis der Aktionsplan herausgekommen. „Uns wurde versichert, dass die Arbeit auch ohne die Vereinsmitgliedschaft weitergehen wird. Unter dieser Prämisse können wir zustimmen“, erklärte sie für ihre Fraktion.

Kommentar Das Umdenken muss weitergehen

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Susanne Wassmuth-Gumbel
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Die CDU habe dem Thema Kinderfreundliche Kommune von Anfang an kritisch gegenüber gestanden, erklärte CDU-Fraktionschef Alexander Scholl. Lampertheim hätte schon vor dem Prozess vieles für Kinder und Jugendliche getan und das auch ohne den Verein und den Prozess mit dem Aktionsplan hinbekommen. „Es ging letztlich nur um das Siegel, und das ist reine Symbolik“, so Scholl. Gleichzeitig sei er überzeugt, dass der Gedanke einer Kinderfreundlichen Kommune auch in Zukunft fortgeführt werden könnte.

Umdenken hat eingesetzt

Redaktion Susanne Wassmuth-Gumbel ist stellvertretende Teamleiterin des Südhessen Morgen.

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