Lampertheim. Die Stadt wird auf dem früheren Energieried-Grundstück in der Industriestraße 40 eine weitere Flüchtlingsunterkunft mit Platz für bis zu 112 Personen errichten. Das hat die Stadtverwaltung entschieden und jetzt mitgeteilt. Gleichzeitig hat sie die Angehörigen von 500 Haushalten im Umkreis dieses Standorts zu einer Anwohnerversammlung eingeladen, die am Montag, 30. Oktober, in der Hans-Pfeiffer-Halle stattfinden wird.
„Dabei werden wir alle nötigen Informationen geben und Fragen beantworten“, sagt Erster Stadtrat und Sozialdezernent Marius Schmidt im Gespräch mit dieser Redaktion. Auch der Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, der beim Kreis Bergstraße für die Flüchtlinge zuständig ist, wird an diesem Abend anwesend sein.
Lampertheim rechnet mit mehr Flüchtlingen
Schimpf erinnert im Gespräch mit dieser Redaktion daran, dass im Kreis seit 1. Mai dieses Jahres die Direktzuweisung gilt, die er bereits im November 2022 den Kommunen angekündigt hatte. Deswegen sei es gut und richtig, dass Lampertheim seiner Verpflichtung mit dieser weiteren Unterkunft nachkomme. Kreis wie Kommunen müssen laut Schimpf mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen rechnen.
Während im ersten Quartal 780 Geflüchtete neu in den Kreis kamen, waren es im zweiten und dritten Quartal jeweils 450 Menschen. Im September seien deutlich mehr Frauen, Männer und Kinder gekommen. Deswegen habe das Regierungspräsidium angekündigt, dass im vierten Quartal der Kreis mit wöchentlich 86 neuen Menschen zu rechnen habe. Das macht in Summe im letzten Viertel dieses Jahres etwa 960 Personen.
„Die kommunale Familie ist darauf angewiesen, dass in allen Kommunen Unterkünfte geschaffen werden“, sagt Schimpf. Besonders herausfordernd sei dabei für alle Beteiligten, dass erst kurz vorher bekannt werde, welche Personen in den Kreis kommen.
Frauen und Kinder sollen in der Unterkunft wohnen
Über diejenigen, die die Unterkunft in der Industriestraße voraussichtlich Anfang kommenden Jahres beziehen sollen, weiß die Stadt Lampertheim allerdings schon einiges. Der Plan ist nämlich, hier den Großteil der ukrainischen Flüchtlinge unterzubringen, die derzeit in der Alten Forstschule an der Wildbahn zwischen Neuschloß und Hüttenfeld leben. Das sind überwiegend Frauen mit Kindern. „Wir wissen, wer da kommt“, sagt Marius Schmidt.
Die Alte Forstschule bietet seit Mai 60 vor dem russischen Angriffskrieg Geflüchteten Obdach. Im August wurden dort zusätzlich zwei Container-Villages bezogen, die jeweils Platz für 28 Menschen bieten. Dafür, dass dort Menschen auf engstem Raum zusammenleben, die sich vorher nicht kannten und vor Krieg aus ihrem Heimatland geflüchtet sind, laufe der Betrieb gut. Natürlich gebe es Streitigkeiten oder müsse der eine oder die andere an die Einhaltung der Hausordnung erinnert werden. „Aber das ist das Leben, das haben wir auch andernorts, wo so viele Menschen dicht beieinander wohnen“, so Schmidt.
Flüchtlingsunterkunft in der Industriestraße: Gute Anbindung an Stadt
Vor allem die Familien sollen in der Industriestraße ein neues Übergangs-Zuhause bekommen, damit sie besser an die Kernstadt angebunden sind und ihre Integration besser gelingen kann. Einige Kinder besuchen bereits die Intensivklasse der Pestalozzischule, sie haben dann auch einen kürzeren Schulweg. Alle Personen, die umziehen werden, haben laut Schmidt eine Bleibeperspektive und nehmen bereits an Sprachkursen sowie anderen Integrationsangeboten teil - und sie machen in der Forstschule Platz für Neuankömmlinge.
Schmidt baut auf das gute Netz an Ehrenamtlichen, das sich auch in der Industriestraße um die Kriegsflüchtlinge kümmern wird. Hinzu kommt, dass sich die Regionale Diakonie Bergstraße mit ihrem Migrationsdienst in unmittelbarer Nachbarschaft befindet und dass die Unterkunft in dem Gebiet liegt, in dem die Mitarbeiterinnen der Gemeinwesenarbeit unterwegs sind. „Die Unterkunft wird nicht unbegleitet und ein Sicherheitsdienst wird vor Ort sein“, stellt Schmidt klar.
Vier Container-Villages für Flüchtlinge in Lampertheim geplant
Die Menschen werden in vier sogenannten Container-Villages leben, die nur einen Teil der 6000 Quadratmeter Fläche auf dem Gelände einnehmen werden. Ein solches Village hat zwei Etagen, in denen jeweils bis zu 14 Personen untergebracht werden können, die sich eine Küche und ein Bad teilen.
Die Zimmer sind mit Hochbetten, Tisch, Stühlen und einem Schrank ausgestattet. Diese Container hat die Stadt - wie auch schon die an der Alten Forstschule - für zunächst drei Jahre angemietet. Pro Person entstehen der Stadt monatliche Kosten in Höhe von 150 bis 200 Euro - auch wenn ein Großteil der tatsächlichen Kosten vom Jobcenter erstattet wird.
Wohnungen für Flüchtlinge in Lampertheim gesucht
„Kostengünstiger für die Stadt und damit für den Steuerzahler wäre es, wenn die Menschen in Bestandswohnungen untergebracht werden könnten“, stellt Marius Schmidt fest und appelliert an alle Lampertheimer Eigentümer, freien Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zugleich müsse die Stadt generell weiteren bezahlbaren Wohnraum schaffen. Geht es nach der Verwaltung, wird dies in absehbarer Zukunft in der Industriestraße geschehen.
Darüber wird zu gegebener Zeit die Politik zu beraten haben, wenn die Stadt das Grundstück von der GGEW, mit der Energieried im Sommer fusioniert hat, erworben hat. Eine Flüchtlingsunterkunft dort hatten die im Stadtparlament vertretenen Fraktionen bisher abgelehnt. Die Stadtverwaltung hat nun ohne die Politik entschieden. Schmidt rechtfertigt das als „staatliches Handeln“, das durch das Gesetz gedeckt sei, und betont, dass alternative Standorte geprüft worden seien - ohne Erfolg.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Pflichtaufgabe